Brigitte Bardot: Als Frankreich »das Weib« fand

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Brigitte Bardot ist 80. Sie gilt als Ikone weiblicher Selbstbestimmung und sexueller Befreiung, dabei war sie ein Spielball von Männern und Medien.

Den Mund aufmachen muss dieses Mädchen vor der Kamera kaum: Wenn Juliette im Film „Und immer lockt das Weib“ barfuß an den Dorfbewohnern vorbeischwebt, ist ihr Gang das Einzige, was zählt, die Bewegung ihres perfekten, gereckten Körpers. Geschichte hat dieses Mädchen keine, ihr Gesicht ist leer. Das macht nichts, im Gegenteil: In dieses leere Gefäß passt jede Männerfantasie.

Als sich Brigitte Bardot 1956 als Dorfschöne den Franzosen präsentierte, war sie 22 Jahre alt. „Und immer lockt das Weib“ machte sie berühmt. Mit „das Weib“ übersetzte man damals die französische „femme“. Es klang wohl urtümlicher, kreatürlicher – man denkt an das „Weib“ in der Bibel, in Otto Weiningers „Geschlecht und Charakter“... Das Weib, die schamlose, verlockende Kreatur, dem Tier näher als der Mann.

Die unedle Wilde. Heute wird Brigitte Bardot oft als Ikone der Frauenbefreiung erinnert. Sie gab sich wie ihre Figuren selbstbestimmt und ungeniert natürlich, und sie sagte – unerhört! –, dass sie nicht Mutter sein wolle. Aber die Femme-fatale-Fantasien des 19. und beginnenden 20.Jahrhunderts – unzähmbare, begehrliche Frauen wie Bizets Carmen und die Manon Lescaut des Abbé Prévost, Wedekinds skandalöse Kindfrau Lulu oder auch die Frauenideale eines Karl Kraus – lassen die „neue“ Frau Brigitte Bardot nicht ganz so neu erscheinen, vielmehr als eine sehr männliche Erfindung. Und Mutterpflichten hätten bei einer Femme fatale ohnehin nur gestört.

Neu dagegen war die ungeniert natürliche Art, wie sie ihren Körper präsentierte. In praktisch allen weiteren Filmen hat B.B., wie die Schauspielerin bald genannt wurde, ihre Rolle der Juliette weitergespielt, mit leichten Variationen. Man erlebte sie manchmal mehr als verschreckte Kindfrau mit Schmollmund, manchmal mehr als gefährliche Raubkatze – aber die Hauptzutaten waren dieselben: eine träge, zugleich aggressive Sinnlichkeit und Ungebundenheit, die Freiheit eines schönen Körpers. Früher wurden die Schauspielerinnen künstlich zu Persönlichkeitstypen stilisiert, Brigitte Bardot entsprach keinem dieser Typen. Sie war einfach – „la femme“.

Machte Amerika verrückt. Als solche wurde sie zwar in Frankreich erfunden, bemerkt aber ausgerechnet in den prüden USA, wo der Film „Und immer lockt das Weib“ innerhalb weniger Wochen acht Millionen Zuseher in die Kinos lockte. Auf diesem Umweg erst wurde Bardot auch in Frankreich zum Sexsymbol.

In den Regisseur Roger Vadim hatte sich das Mädchen aus streng katholischem, „gutem“ Hause schon mit 14 verliebt, was zur Rebellion gegen das Elternhaus führte. Vadim wollte Filme und aus ihr eine Schauspielerin machen. Später hat er beschrieben, was Brigitte Bardot damals als Schauspielerin für ihn verkörperte: eine neue Generation unabhängigerer Frauen. Ihn habe „das nicht besonders brillante“ Mädchen interessiert, „das mit beiden Händen nach seiner Freiheit greift und diese auf die natürlichste Weise ausdrückt – vor allem in seiner Beziehung zu Männern“.

Für Bardots „Entdecker“ war sie damit ein Gegenpol zu „Emanzen“ à la Simone de Beauvoir. Auch diese Tochter der Pariser Bourgeoisie übertrat im Paris der Sechzigerjahre Tabus, entwarf ein selbstbestimmtes weibliches Leben, nicht zuletzt für sich selbst. Sie lebte mit Jean-Paul Sartre in einer intellektuellen und erotisch freien Beziehung, ohne Ehe, ohne Kinder, ohne ihre Unabhängigkeit zu verlieren: Diese Liaison wurde zum Vorbild der freien Liebe zwischen gleichberechtigten Geschlechtern.

68er? „Beschämend!“ Bardot dagegen interessierte sich nicht für die politischen Freiheitsbewegungen. Die 68er-Revolution fand die damals 33-Jährige „beschämend“, innerlich war sie konservativ und wurde es immer mehr. Sexuelle Befreiung? In „Ein Ruf aus der Stille“ (2003) klagt sie über den gesellschaftlichen Verfall, als dessen Symptome sie den offenen Sex in Medien, Schwulenlobbying oder Überfremdung sieht. 2012 rief sie zur Wahl des rechtsrechten Front National auf. Einst Leitfigur einer orientierungslosen, freiheitsliebenden Nachkriegsjugend, ist sie seit Langem reaktionär.

Von Befreiung konnte auch in ihrem Leben keine Rede sein. Brigitte Bardot stand nicht unnahbar auf einem Podest, wie Grace Kelly oder Sophia Loren. Sie war öffentliches Eigentum, ihre „Natürlichkeit“ reizte zur respektlosen Vertraulichkeit. B.B. nannte man sie distanzlos in Frankreich, was sich ausspricht wie „bébé“, also Baby. Bardot fühlte sich bald den Journalisten ausgeliefert, hasste sie, misstraute Menschen immer mehr. Sie fühlte sich durch den Ruhm ihrer selbst beraubt, sehnte sich nach echter öffentlicher Anerkennung. Auch privat war sie gefangen, taumelte in Angst vor Einsamkeit von Affäre zu Affäre. Die Filmwelt war für sie Ersatzfamilie, Filme wählte sie nach den Menschen aus, die damit zu tun hatten – wohl auch deswegen sind die meisten so schlecht.

Nur sieben Jahre nach dem Film, der sie berühmt machte, hatte Bardot in Jean-Luc Godards Film „Die Verachtung“ 1963 ihre letzte wichtige Filmrolle, danach raste sie in die Bedeutungslosigkeit, kurz vor ihrem 40.Geburtstag beendete sie ihre Karriere. Sie sei „in den Orden der Tiere“ eingetreten, schrieb sie 1995 im letzten Satz ihrer Memoiren. Ihre neue Lebensaufgabe sei nun, „sich selbst zu vergessen, nur noch an sie zu denken“. Das Retten der Tiere scheint Bardot gerettet zu haben. Seit Langem lebt sie offenkundig zufrieden im südfranzösischen Saint-Tropez in ihrer Arche Noah von Dutzenden Tieren – neben denen sie einmal begraben werden will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2014)

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