„Maze Runner“: Im Labyrinth der Buben

Thomas (Dylan O'Brien, im grünblauen T-Shirt in der Bildmitte) sucht nach einem Ausweg aus dem Labyrinth, stößt aber auf Widerstand innerhalb der Gruppe: „Maze Runner“, ein düsterer Science-Fiction-Thriller.
Thomas (Dylan O'Brien, im grünblauen T-Shirt in der Bildmitte) sucht nach einem Ausweg aus dem Labyrinth, stößt aber auf Widerstand innerhalb der Gruppe: „Maze Runner“, ein düsterer Science-Fiction-Thriller.(c) Centfox
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In „Maze Runner“ kämpfen Jugendliche in einem undurchdringlichen Labyrinth ums Überleben. Der Science-Fiction-Thriller zeigt auch die dunkle Seite von Castingshows.

Am Anfang des Thrillers „Maze Runner – Die Auserwählten im Labyrinth“ ist die Enge. Der Teenager Thomas sitzt in einem rostenden Stahlkäfig fest, der nach oben rast. Bevor er zerquetscht wird, öffnet sich eine Falltür, und er findet sich auf einer Lichtung wieder, neugeboren in einem Albtraum: Umringt von jungen Männern und unüberwindbar hohen Mauern. Sein erster Instinkt – Flucht – wird jäh gestoppt.

Zwar gibt es Türen in diesen Mauern, sie führen aber geradewegs hinein in ein gigantisches, undurchdringliches Labyrinth. Nachts schließen sich die Tore, und spinnenartige Monster herrschen über die verschlungenen Wege. „Wir nennen sie Griever“, erklärt einer der Buben. Außer ihren Namen blieb den Jugendlichen keine Erinnerung an ein Davor. So liegt es an ihnen selbst, ihre Welt zu benennen und sich ihre eigene Gesellschaft zu schaffen. Sie bebauen die Lichtung, halten Tiere – und versuchen, sich mit Struktur und Plan zu retten: Eine Elitegruppe, die titelgebenden „Läufer“, erkundet das Labyrinth systematisch auf der Suche nach einem Ausgang.

Die Dynamik der Gruppe ändert sich schlagartig, als ein Mädchen auf die Lichtung geschickt wird und Gruppenoberhaupt Alby (Aml Ameen) erkrankt. Ein „Herr der Fliegen“-Schicksal droht, ein gewalttätiger Machtkampf zwischen zwei Interessengruppen. In „Maze Runner“ teilen sie sich in jene, die die Lichtung ihre Heimat nennen. Und jene um Thomas, der Ordnung riskiert, um den Ausweg zu finden.

Regisseur Wes Ball gelingt es in seinem ersten Langfilm, die Beklemmung und Klaustrophobie dieses Labyrinths einzufangen, aus dem kein Faden führt. Thematisch gesellt sich „The Maze Runner“ zu einer Reihe ähnlicher Filme für Jugendliche, die immer auch Sozialexperimente schildern. In der erfolgreichen „Hunger Games“-Reihe (am 21. November startet der nächste, vorletzte Teil) kämpfen Jugendliche auf Leben und Tod, um das Publikum zu unterhalten und einen fragilen sozialen Frieden zu wahren. In „Divergent“ (auf Deutsch: „Die Bestimmung“), ebenfalls als Mehrteiler angelegt, muss sich eine Jugendliche unterordnen, um zu überleben. Auch „Maze Runner“ basiert auf einer Romantrilogie, Teil zwei ist bereits in Planung.

Alle drei Buch- und Filmreihen verschränken den Traum der eigenen Besonderheit mit einer streng geordneten dystopischen Welt, in der Weltkrieg und Naturkatastrophen die soziale Ordnung umgekrempelt haben. In allen dreien herrscht eine pervertierte Form des Kommunismus, in dem Gleichheit mit der Unterdrückung des Individuums einhergeht.

Das Mädchen an der Oberfläche

Im Mikrokosmos des Labyrinths spiegelt sich der Makrokosmos, doch je größer die Geschichte in „Maze Runner“ wird, desto konstruierter und fragwürdiger wirkt sie. Selbst die Frage, warum die Labyrinth-Bewohner anfangs ausnahmslos männlich sind, lässt der Film unbeantwortet. Die einzige weibliche Figur in der Gruppe, Teresa, gespielt von Kaya Scodelario, bleibt hoffnungslos oberflächlich, etwas mehr Tiefe zeigt Patricia Clarkson als Frau, die im Hintergrund die Fäden zieht.

Nach den Heldinnen in „Hunger Games“ und „Divergent“ ist der Retter hier wieder ein junger Mann, wie die meisten erwachsenen Hollywoodhelden, ob Comic-Figuren wie „Spider-Man“ oder Agenten wie in „Mission Impossible“. Dylan O'Brien, der in der MTV-Serie „Teen Wolf“ sein komödiantisches Talent bewies, spielt den „Auserwählten“ Thomas physisch intensiv. Aus der Besetzung stechen weiters besonders hervor: Ki Hong Lee als loyaler Läufer Minho und „Game of Thrones“-Darsteller Thomas Brodie-Sangster als Interimsanführer Newt.

Tod aus Scham wird hier real

Auch die Medienkritik eint die Filmreihen: Sie zeigen eine dunkle Seite der Castingshow-Mode, in der Jugendliche öffentlich vorgeführt werden und sich, wie man gern übertreibend sagt, zu Tode schämen. In den dystopischen Filmen entwickelt sich die Bloßstellung zur realen Lebensbedrohung. Doch wer sieht zu? Wer hat Vergnügen an diesem martialischen Schauspiel? „Maze Runner“ verschleiert die Zuschauerperspektive lange. Thomas' Flashbacks und Träume legen nahe, dass er Teil eines Experiments ist. Er selbst erweist sich als Kind zweier Welten – der gesichtslosen Feinde und der Gefangenen im Labyrinth. Eine Art Minotaurus. Und damit in seiner Welt doch besonders.

TEENAGER-DYSTOPIEN

„Maze Runner“ (ab heute im Kino) basiert auf der Romantrilogie „Die Auserwählten – Im Labyrinth“ von James Dashner. Noch vor dem Kinostart wurde Teil zwei fixiert, der im Herbst 2015 anlaufen soll.

„The Hunger Games“ (auf Deutsch: „Die Tribute von Panem“) hat als Vorlage die gleichnamige Trilogie von Suzanne Collins. Am 21. November startet der vierte und vorletzte Teil mit Oscar-Preisträgerin Jennifer Lawrence als unfreiwilliger Heldin.

„Divergent“ (auf Deutsch: „Die Bestimmung“), eine Trilogie von Veronica Roth, kommt ebenfalls in vier Teilen ins Kino. Hauptrolle: Shailene Woodley.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2014)

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