"Wanted": Der Tod ist ein Computerspiel

(c) 2007 Universal Studios
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Die ultimative Teenager-Buben-Version eines globalisierten Actionfilms: Timur Bekmambetovs „Wanted“ mit Angelina Jolie bietet Killer-Entertainment als Overkill.

Gleich nach Beginn des Actionfilms Wanted katapultiert sich ein Mann mit einem verlangsamten Sprung vom Wolkenkratzer über die Straße auf das benachbarte Dach. Dort streckt er eine Gruppe von Widersachern nieder, bevor er selbst unerwartet von einer Kugel getroffen wird. Sie kommt in Zeitlupe aus seiner Stirn – die Haut dehnt sich –, doch bevor sie in die Kamera einschlagen kann, wird plötzlich der Rückwärtsgang eingelegt und der Weg des Geschosses zurück in ein Gewehr verfolgt. Der Tod ist ein schnittiges Computerspiel.

Den Beweis, dass man lebt, liefert dafür das Internet: Der Held von Wanted (James Mc Avoy), vom Chef verhöhnt, von der Freundin verachtet, tippt seinen Namen in die Google-Suchmaschine ein – „kein Resultat“. Was beweist, dass er ein Loser ist. Nicht nur ein Verlierer, sondern ein Loser. Wanted spricht die Sprache – oder besser: das Neusprech – eines globalisierten Kinos: Das ist nicht die Geschichte eines jungen Mannes, der zum Attentäter ausgebildet wird, sondern ein Killerfilm. Geboten wird nicht einfach Unterhaltung um jeden Preis und bis zur Unerträglichkeit, sondern der Entertainment-Overkill.

Konzipiert ist das als paradiesischer feuchter Traum für Teenagerbuben: Dürften alle männlichen Minderjährigen dieser Welt einen Wunschzettel in einen Hut werfen und würde man die zu einem Drehbuch zusammenkleben, käme wohl Wanted heraus. Jedenfalls würden Hollywoods Werbestrategen erwarten, dass dieser Film dabei herauskäme.

Die Story: Loser wird unerwartet von einer wilden Lady namens Fox entführt, die heroischer hinhaut als alle Männer und aussieht wie Angelina Jolie. (Von Angelina Jolie gespielt, vermutlich um Verwechslungen vorzubeugen.) Loser erfährt, dass er kein Loser ist, sondern Sohn eines coolen Killers, der Mitglied einer geheimen Killerbruderschaft war. (Sie heißt „Die Bruderschaft“, vermutlich, um Verwechslungen vorzubeugen.) Loser kann Fliegen die Flügel abschießen. Loser lernt Messerstechen. Loser lernt schließlich sogar die schwerste der Übungen: eine Kugel im Flug eine Kurve machen zu lassen. Dann kann auch er Schüsse abfeuern, die es wert sind, nach dem Einschlag wieder zurückverfolgt zu werden.

Zahn ausgeschlagen, Star nackt

Als adoleszente Selbstermächtigungsfantasie ist Wanted ein Werk absoluter Transparenz: Der Held sagt sich von der Existenz als Arbeitsdrohne im Büro los, indem er einem erst überheblichen, dann bewundernden Freund das ergonomische Keyboard ins Gesicht drischt. Heraus fliegen die Buchstabentasten, bilden wie Scrabble-Steine ein „Fuck You“ – mit einem ausgeschlagenen Zahn statt des „u“ als Pointe. Später gibt es einen Kuss von Fox, um die Freundin eifersüchtig zu machen – und eine andere Szene, in der Jolies Körper kurz nackt (von hinten) zu sehen ist. Wanted gibt sich (nicht nur) da als Farce zu erkennen: In „American Dad“, einer TV-Zeichentricksatire, war vergleichbare Besessenheit eines Buben von der Idee der nackten Jolie noch Parodie.

Irgendwie auch gut, dass man den Film nicht ernst nehmen kann (und soll: Morgan Freeman als Zeremonienmeister der Bruderschaft faselt salbungsvoll Zeug über die in Webereien versteckten Namen der Opfer), denn er ist auch wie ein Rekrutierungsspot für ein Killerheer, das von jeder Verantwortung freigesprochen ist. Sonst ist Wanted ein Abklatsch der Matrix, mit mehr Tempo, aber ohne Ambitionen abseits atemloser Aneinanderreihung von Explosionen.

Regisseur Timur Bekmambetov wurde wohl für den Job importiert, weil er mit den Hollywoods Action-Exzesse imitierenden Erfolgsfilmen Wächter der Nacht und Wächter des Tages Russland nationale Blockbuster-Versionen gab. Nun darf er Hollywood etwas zurückgeben: die ultimative Teenagerversion eines Blockbusters. Pop Goes the World.

Comicfilm

„Wanted“ basiert auf Mike Millars gleichnamiger Serie von Comicbüchern, die von 2003 bis 2004 als Teil des Projekts „Millarworld“ erschien. Der Film basiert nur lose auf der Handlung der Vorlage, so wurden Millars Bezüge auf Superhelden bzw. -schurken (und die einschlägigen Kostüme) entfernt: Bei Millars Serie sind viele Figuren deutlich als Spiegelbilder berühmter Comicfiguren konzipiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2008)

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