Coen-Brüder: „Unsere Filme sind sehr menschlich“

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coen brothers(c) AP (STEFANO PALTERA)
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Die Oscar-Preisträger Joel und Ethan Coen sind für tiefschwarze Komödien wie „Fargo“ berühmt. Ein Gespräch zu ihrer neuen Satire „Burn After Reading“: über die Attraktivität von Idioten und den Sinn des Lebens.

Die Presse:Was finden Sie so anziehend an Idioten?

Ethan Coen: Sie sind gutes Material für Geschichten. Man will einfach, dass alles schiefläuft. Machen Leute gute Filme über angepasste, erfolgreiche Typen? Vermutlich, aber das geht uns nichts an.

Aber Sie haben eine Vorliebe für Idioten. Können Sie sich mit ihnen identifizieren?

Ethan Coen: Das ist eine Geschmackssache.

Wie entwickeln Sie diese Figuren?

Joel Coen: Indem wir uns für bestimmte Schauspieler bestimmte Rollen ausdenken.

Haben Sie schon einmal so gearbeitet?

Ethan Coen: In diesem Ausmaß nicht.

Ihre Figuren sind wie ihre Filme oftmals absurd. Erkennen Sie einen Sinn im Leben?

Ethan Coen: Ich habe Philosophie studiert, damals gab es einen Kurs namens „Der Sinn des Lebens“. Ich habe ihn nicht belegt.

Also teilen Sie die Ansichten in Ihren Filmen?

Ethan Coen: Wenn alles Sinn ergibt und kohärent und ordentlich ist, wo ist denn dann die Geschichte?

Sie unterwandern gern Genrekonventionen.

Joel Coen: Wir denken nicht in Genrebegriffen. Die sind einfach in uns drin.

In Filmen wie „Miller's Crossing“ oder „Intolerable Cruelty“ spielen Sie aber bewusst damit.

Joel Coen: Bei „Miller's Crossing“ wollten wir einen Dashiell-Hammet-Film machen. Für „Burn After Reading“ haben wir jetzt fünf Schauspieler, mit denen wir gerne arbeiten möchten und die Figuren, die sie spielen sollen, einfach aufgeschrieben.

Amüsiert es Sie, glamouröse Schauspieler wie Clooney oder Pitt vom hohen Ross zu stürzen?

Ethan Coen: Es macht Spaß, ja.

Hat Ihnen der Oscar für „No Country for Old Men“ etwas bedeutet?

Joel Coen: War er wichtig? Nicht wirklich. Waren wir überrascht? Sehr. Hat es etwas verändert? Kaum.

Was ist Ihnen in dieser Nacht durch den Kopf gegangen?

Ethan Coen: Es ist eine sehr unwirkliche Erfahrung.

Joel Coen: Ethan war so voll gepumpt mit Medikamenten, dass er, glaube ich, nicht einmal gehört hat, wie unsere Namen gefallen sind.

Hat sich Ihre Einstellung zum Filmemachen über die Jahre hinweg geändert?

Ethan Coen: Als Teenager haben wir nur herumgeblödelt, wir hatten natürlich keinen Zugang zum Equipment. Bei einem professionellen Film gibt es viel mehr Lkw.

Sonst ist alles dasselbe? Gehen Sie sich nie auf die Nerven?

Joel Coen: Wir arbeiten jetzt seit 25 Jahren zusammen.

Ethan Coen: Und es ist langweilig.

Joel Coen: Das ist es. Aber so arbeiten wir eben.

Gibt es einen kreativen Funken?

Joel Coen: Es gibt keinen Funken mehr.

Die Figuren im Film gehen durch eine Midlife-Crisis. Sagt uns das etwas über Sie?

Joel Coen: Keine Ahnung. Das ist Ihr Job.

Das ist nicht mein Job.

Joel Coen: Doch, ist es. Wir drehen den Film, Sie ziehen daraus diese Schlussfolgerung.

Ihre Filme sind über die Jahre leichter, fröhlicher geworden. Gibt es dafür einen Grund?

Joel Coen: Wir haben immer versucht, die ernsteren Filme mit Humor aufzulockern. Das hat sich nicht geändert. Es gab einmal einen Film, der hätte sehr wenig Humor gehabt. Aber er kam nicht zustande: ein Projekt zu den Brandbombenanschlägen auf Tokio. Darin gab es keine Lacher.

War es schwierig, dieses Projekt zu finanzieren, weil es eben kein typischer Coen-Film geworden wäre?

Joel Coen: Es war schwierig, aber aus vielerlei Gründen.

Ethan Coen: Vor allem, da es ein Film ohne Happy End gewesen wäre, eine Überlebensgeschichte ohne Überlebende.

Sind Sie grundsätzlich mehr an der Konstruktion des Films oder an der Geschichte interessiert? „Burn After Reading“ ist sehr gut konstruiert, aber dem Film fehlt jegliche Menschlichkeit.

Ethan Coen: Joel will es so. Ich hätte gern mehr Menschlichkeit in den Filmen. Spaß beiseite: Für mich sind unsere Filme sehr menschlich, aber nicht sentimental. Was die eine Person sentimental findet, findet die andere menschlich.

Ich spreche aber nicht von Sentimentalität.

Ethan Coen: Sie können den Film in Ihren Begriffen beschreiben, Ich glaube nicht, dass das die Begriffe sind, die wir verwenden würden. Wir würden nicht einmal notwendigerweise mit Ihrem Verständnis des Films übereinstimmen.

Joel Coen: Jeder unserer Filme hat eine andere Geschmacksrichtung. Dieses Label, ob ein Film menschlicher ist als der andere, das verwirrt mich.

Was Sie mit Ihren Figuren anstellen, wie Sie sie vorführen, ist aber stellenweise äußerst zynisch. Wo zieht man da die Grenze?

Ethan Coen: Keine Ahnung. Ich weiß nicht mal, was zynisch bedeuten soll.

ZUR DEN PERSONEN

Die Brüder Joel Daniel (*1954) und Ethan (*1957) Coen aus Minneapolis, Minnesota, wurden mit ihrem Debüt, dem Texas-Noir „Blood Simple“ (1984), zu Galionsfiguren des postmodernen Kinos. Mit exakt konstruierten, zynischen Genre-Revisionen wie „Barton Fink“ (1990) oder „Fargo“ (1996) feierten sie Erfolge. Ihr Thriller „No Country for Old Men“ gewann heuer vier Oscars, u.a. „Bester Film“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2008)

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