Neuer Bond-Film: Wo der Mann noch Mann ist

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„Ein Quantum Trost“ von Marc Foster: Daniel Craig ist grandios. Wilde Action treibt eine gute Geschichte rasant voran. Viel Lärm und Brutalität.

Sanft soll er sein und leidenschaftlich, tüchtig, schön, fit. Geld soll er heranschaffen, aber trotzdem Zeit für die Familie haben. Im Job soll er sich durchsetzen, daheim aber dennoch die Frau herzen, Kinder schaukeln, Geschirr waschen: Das Anforderungsprofil an den modernen Mann ist höchst umfangreich. Kein Wunder, dass es in der Männerwelt von Enttäuschten, Überanstrengten, Depressiven, Verweigerern nur so wimmelt. Zum Glück gibt es Bond. Er schafft die Quadratur des Kreises, macht Männern Mut.

Wie er auf schmaler Straße rasant auf die Gegenfahrbahn schwenkend, überholt, über die schadhaften Dächer von Siena hechtet, mit einem verrotteten Fischerkahn die Jacht eines skrupellosen Generals einholt – und schließlich sogar mit einem schrottreifen Flugzeug den Feind besiegt, das ist einfach genial – und tröstlich. Den grauen Büromenschen, die sich mit zänkischen Ehefrauen, fordernden Chefs und undurchsichtigen Hierarchien plagen, verschafft Bond ein paar schöne Stunden. Dabei ist er immer menschlich. Die Leichen, die seinen Weg pflastern, irritieren zwar seine Vorgesetzten, aber letztlich meint er es gar nicht böse. Er tut nur das Notwendige, was ein Mann tun muss, um zu überleben.

Am Ende geht dann trotzdem gar nichts mehr. Bond & Bond-Girl sitzen in einem brennenden Gebäude. Bond nimmt die Waffe. Will er sich und seine Gefährtin durch einen raschen letzten Schuss vor grausamem Verschmoren bewahren? Natürlich nicht! Was würde dann aus den nächsten Bond-Filmen? Er schießt den Weg frei. Draußen in der Wüste des Lebens wartet schließlich noch der letzte, der größte Feind. Und, oh Wunder, ein Auto steht auch da. Für Bond & Mädel natürlich, der Böse hat es auf seiner Flucht, nachdem ihm eine Axt ins Bein fuhr, offenbar übersehen.

Es gibt nicht viele Szenen in diesem Film, die so unlogisch sind wie diese. Schließlich bastelt eine Heerschar von Menschen an diesem Blockbuster-Evergreen Von einer Maschine, die einige Zeit braucht, um in Gang zu kommen, spricht Hauptdarsteller Daniel Craig – und von der Mühsal, bei seinem zweiten Bond-Film den Erfolg von „Casino Royal“ (2006) einzuholen. „Ein Quantum Trost“ schließt direkt an die Geschichte an. Die nächsten Kriege werden um Wasser und nicht um Öl geführt. Davon handelt der neueste Bond. Nachdem der Agent in „Casino Royale“ seine Freundin Vesper verlor, die von einer geheimnisvollen Organisation, die weltweit operiert, erpresst wurde, könnte er auf Rache sinnen.

Doch er reißt sich zusammen. Auf der Suche nach den Hintermännern des Geheimbundes trifft er nicht nur auf ein neues Girl (durchtrainiert und schlagkräftig wie er: Olga Kurylenko), sondern diese bringt ihn mit Dominic Greene, dem Drahtzieher eines Netzwerks zusammen, das unter dem Vorwand, sich um den Umweltschutz zu kümmern, weltweit Ressourcen in seine Hand bringt, in diesem Fall Wasser. Der Mann mit dem sprechenden Namen Greene, der gar nicht grün ist, sondern ein unberechenbarer Neurotiker (Mathieu Amalric), schließt einen Deal mit einem im Exil lebenden General namens Medrano (Joachquin Cosio) ab – während die Indios nach einem Tropfen Wasser schmachten.

Schlaflos in Bregenz

Die Handlung ist bei Bond-Filmen nicht das Wichtigste. Dass sie sich im wuchernden Action-Genre, das von Computerspielen und rasant voranschreitender Filmtechnik befeuert wird, seit den Sechzigerjahren halten konnten, ist das eigentliche Wunder. Es liegt nicht am Was, sondern ausschließlich am Wie. Vom kantigen Macho Sean Connery und dem sanfteren Macho Roger Moore unterscheidet Daniel Craig, dass er nicht nur sagenhaft durchtrainiert wirkt, sondern eben dem Anforderungsprofil des Männertraums und Traummanns von heute entspricht. Letzteres dürfte auch Frauen in diesen Männerfilm locken. Craig, sagt eine Kollegin, wirkt echt und menschlich. Das ist wohl sein Trumpf. Olga Kurylenko: Man sah schon originellere Bond-Girls, auch jugendlich liebreizendere, warum die Wahl ausgerechnet auf sie fiel, ist unklar. Doch natürlich erfüllt sie ihren Part tadellos.

Bond hat noch ein zweites Girl: Die rothaarige Agentin Fields (Gemma Arterton), die schnell aus dem Weg geräumt wird. Amalric als Oberböser ist richtig besetzt, zart, klein, wie er im Film aussieht, versteht er sich auf das Kämpfen mit Worten mehr als auf Gewalt. Am Ende bleibt er ohne Waffe in der Wüste zurück. Wir werden ihn nicht mehr sehen. Er wird ermordet, aber bei Bond-Filmen kann man nie wissen.

Nachdem „M“ (Bonds Chef ist eine Frau, die wunderbar englisch trockene Judi Dench) Bond infolge von scheinbar unberechenbaren Morden vom Dienst suspendieren musste, wendet dieser sich an Mathis (Giancarlo Giannini, was war das doch einmal für ein wunderschöner Mann!). Mathis hilft, wird aber umgebracht – und von Bond, der ihm vorher das Geld abgenommen hat, im Mülleimer entsorgt: „Das würde ihn nicht stören“, sagt der Agent. Der Film ist brutal und lautstark. Das gehört zu Bond.

Kummer raubt dem Agenten den Schlaf, auch in Bregenz, wo er auf seiner rastlosen Fliegerei durch die Welt sieben Minuten verbringt. Es ist eine der besten Szenen des Films, mehr wird aber nicht verraten.

BOND Nr. 22 IN DER PATCHWORKWELT: Von HAITI BIS AUSTRIA

■ Bond ist auch ein Segen für die Fremdenverkehrswerbung: Der Film des Schweizers Marc Foster spielt in La Paz und bei den Bregenzer Festspielen, in Haiti und in Italien. Bond-Girl Olga Kurylenko stammt aus der Ukraine. Sie heißt im Film Camille und zieht gegen den Vergewaltiger ihrer Mutter und ihrer Schwester zu Felde, hat also persönliche Motive wie Bond. „Ein Quantum Trost“ stammt von der Organisation Quantum, die Bond bekämpft. Bond Nr. 22, ab 7. 11. in Österreich.

("Die Presse" vom 25. Oktober 2008)

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