Opfer, Narr, Scifi: Kino weicht Bush aus

'Land of the Dead'. Im Bild: Dennis Hopper (Kaufman). Sendung: ORF1, Mittwoch, 29.10.2008, 00:50 Uhr.
'Land of the Dead'. Im Bild: Dennis Hopper (Kaufman). Sendung: ORF1, Mittwoch, 29.10.2008, 00:50 Uhr.(c) ORF
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Die erfolgreichsten Hollywoodfilme waren Fantasyserien. Kritisches fand kaum Publikum.

Satire oder Tragödie? Diese Frage stellten sich die meisten Rezensenten angesichts von W., Oliver Stones eben noch vor den US-Wahlen in die Kinos gebrachter Filmbiografie über George W. Bush. Eine Antwort wusste aber kaum ein Kritiker angesichts dieses ersten Spielfilms über einen (noch) amtierenden Präsidenten: Der für seine kontroversen Politfilme bekannte US-Regisseur hat dem Präsidenten jedenfalls den perfekten filmischen Abschied geschenkt. Denn zwischen Satire und Tragödie schwankten, oft hilflos, alle Auseinandersetzungen des amerikanischen Kinos mit der Politik von Bush – und seiner Person.

Ins Auge springen zuerst die kritischen Dokumentationen, die oft schlicht dazu dienen sollten, dem US-Durchschnittsbürger Informationen zu liefern, die auf den gleichgeschalteten Medienkanälen wie Fox News unterdrückt blieben. Das war auch Thema eines der zwei Erfolgsfilme dieser Gattung: Outfoxed von Robert Greenwald, der seine liberalen dokumentarischen Interventionen per DVD direkt an den Mann bringt (und in diesem Fall kurzfristig den Spitzenplatz der DVD-Verkäufe von amazon.com belegte). Dazu kam die erfolgreichste Dokumentation aller Zeiten: Fahrenheit 9/11 von Michael Moore, der 2004 (vergeblich) gegen die Bush-Wiederwahl Stimmung zu machen versuchte. Moores Film blieb aber die Ausnahme, was die Zuseherzahlen solcher Dokus anging.

Kommerziell erfolglose Irakkrieg-Filme

Ebenfalls kommerziell erfolglos war jene Welle von Filmen, die sich zu Ende der Bush-Ära explizit mit dem Irakkrieg und der Besatzung (auch Afghanistans) zu befassen begann: Ob dokumentarisch, wie die bittere Invasionsbilanz, No End in Sight, vom vormaligen Politikwissenschaftler Charles Ferguson oder fiktiv, wie Brian De Palmas wütende Agitprop-Attacke, Redacted, und das Heimkehrerdrama, In the Valley of Elah, mit Tommy Lee Jones – dafür gab es zwar Prestige, aber kaum Publikum. Am erfolgreichsten in dieser Hinsicht blieb bezeichnenderweise noch Clint Eastwoods Filmdoppel, Flags of Our Fathers, und Letters from Iwo Jima, das sich verschlüsselt, über den Umweg des Zweiten Weltkriegs, mit der aktuellen Thematik beschäftigte.

Ein Kino des Ausweichens zeichnete Hollywood in den Bush-Jahren aus: Passend zum US-Präsidenten, der für seine Ignoranz in Bezug auf den Rest der Welt berüchtigt war, floh auch die Traumfabrik seines Landes in Fantasiewelten um Wichtel, Comichelden und Animationsfiguren. Die erfolgreichsten Filme der letzten Dekade waren Fantasyfortsetzungen, von Star Wars zu Shrek, von Spider-Man zum Herrn der Ringe.Als auf Gewinnoptimierung ausgerichtete Konzerne produzierten die Filmstudios apolitische (Kino-)Serien für die von der Werbung bevorzugte junge Zielgruppe. Und wenn ein aktuelles Thema so wichtig war, dass es auch die schwerfälligen Studioapparate nicht aufhalten konnten, war es möglichst ehrerbietig zu bebildern: 9/11 diente in United 93 oder Oliver Stones World Trade Center als Projektionsfläche für eine traumatisierte USA, die sich dem Rest der Welt im Leiden anschließt.

US-Filme pflegten (Selbst-)Bild als Opfer

Lieber zog man sich aber gemäß der Linie des obersten US-Staatsmanns zurück und pflegte ein (Selbst-)Bild als Opfer, wie in Bushs Lieblingsfilm, Black Hawk Down, über den desaströsen Somalia-Einsatz der Marines. Noch häufiger war die Stilisierung als harmloser Narr: So zeichneten liberale Komödien wie American Dreamz ihre an Bush angelehnten Präsidenten mit liebevollem Spott, ein Trend, der nebenbei im Fernsehen florierte – schon 2001 eingeleitet von den South Park-Machern mit der Präsidenten-Sitcom That's My Bush!, die eher das Genre Sitcom als den Präsidenten parodierte.

Mit der Erfolgsserie 24 um den vor Folter nicht zurückschreckenden Agenten Jack Bauer legte das Fernsehen auch die Basis für jenen Filmtrend, in dem das Unterdrückte der Bush-Epoche doch noch an die Oberfläche kam: Horrorerfolge in Serie wie Saw oder Hostel sorgten für Kontroversen um ihre „Folterporno“-Ästhetik. Reflektierter ging dieses Thema George A. Romeros rabiat sozialsatirischer Zombiefilm, Land of the Dead,an, in dem eine isolationistische Brot-und-Spiele-Konsumgesellschaft von Dennis Hopper als rücksichtslosem Bush-Ersatz geleitet wird („Wir verhandeln nicht mit Terroristen!“). Der große Überraschungserfolg aber war ein Film, der die Folterbilder der billigen Horrorserien in einen religiösen Kontext stellte: Mel Gibsons blutige PassionChristiwar in mehr als einer Hinsicht die Kino-Quintessenz der Präsidentschaftsjahre von Bush, der als Kandidat 2000 mit der Ansage angetreten war, „reborn in Christ“ zu sein.

Auf einen Blick

Die meisten Filme über George W. Bush schwanken zwischen Satire und Tragödie. Dokus, ernsthafte Auseinandersetzungen sind rar bzw. wenig erfolgreich. Hollywood konzentrierte sich auf Fantasy.Eine Ausnahme ist G. Romeros Zombiefilm „Land of the Dead“, Mittwochnacht, 00.50, ORF1.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2008)

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