Breloer: „Kino kommt vom Fernsehen!“

Heinrich Breloer.
Heinrich Breloer.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Regisseur Heinrich Breloer über Thomas Manns Roman, seinen privaten Bezug zu dieser Geschichte, Fernsehen, Finanzkrise – und über seine Liebe zu Österreich.

Die Presse: Kritiker nennen Ihre Verfilmung des Thomas-Mann-Romans „fernsehspielhaft und antiquiert“. Kränkt Sie das?

Heinrich Breloer: Die Ideen des deutschen Kinos kommen aus dem Fernsehen. Auch „Buddenbrooks“ ist nicht im Kino entstanden, sondern das habe ich aus dem Fernsehen entwickelt, nachdem ich „Die Manns“ gemacht habe. Fernsehen wird immer so ein bisschen verächtlich gemacht. Man sollte nicht vergessen, dass dort wichtige Dinge entstehen.

Glauben Sie, dass die „Buddenbrooks Verfilmung“, die immerhin 15 Mio Euro kostete, auch außerhalb Europas Leute ins Kino lockt?

Breloer: Ich denke schon, dass „Buddenbrooks“ auf der ganzen Welt verkauft wird. Familiengeschichten sind immer und überall interessant. Ich hoffe wirklich, dass das Kino eine Renaissance erlebt, Kino für Leute über 40. Ich habe in letzter Zeit so viele Filme gesehen, die ich nicht sehen wollte, wo eine Explosion die nächste gejagt hat, Menschen zerfetzt wurden und Häuser einstürzten.

Die Finanzkrise konnten Sie zwar nicht ahnen, als Sie den Film drehten, aber sie beschert Ihnen vielleicht mehr Zuseher.

Breloer: Es gibt schon Parallelen zur damaligen Situation. „Buddenbrooks“ ist die Geschichte eines Handelshauses in Lübeck. Das war zunächst eine kleine Stadt mit einer Zoll-Bude. Dann kam sie in den Norddeutschen Bund. Ein großer Handelsraum entstand, eine Zollunion von ungeahntem Ausmaß. Das war eine Art Globalisierung. Von München bis Flensburg hatten die Kaufleute die Konkurrenz plötzlich im eigenen Haus. Sie sagten sich zwar, je größer der Markt, desto größer die Chancen. So war es ja auch. Wirtschaftlich ist eine enorme Dynamik entstanden, auch durch Erfindungen wie Dampfmaschine, Telegraf. Aber es gab auch viel Angst und Unsicherheit. Die Buddenbrooks hätten sich selbst vertrauen müssen. Das Gegenteil passiert. Sie verlieren Kraft, Vitalität, gewinnen Sensibilität, fangen an, über sich nachzudenken. Das ist gefährlich fürs Geschäft.

Thomas Buddenbrook spricht von dem Stern, der schon erloschen ist, wenn sein Licht uns erreicht. Wie sehen Sie unsere Zukunft?

Breloer: Wir alle erleben jetzt noch eine andere Parallele zu „Buddenbrooks“. Es sind Betrüger unterwegs wie der Bräutigam von Tony Buddenbrook, das Geschäft wird dadurch vergiftet. Sogar die guten alten Hamburger Kaufleute, Freunde von Buddenbrooks, sind dafür, dass Tony diesen Bendix Grünlich heiratet, weil sie ihm soviel Geld geliehen haben. Sie brauchen diese Ehe, um die Mitgift zu kassieren. Heute ist das Unglück zwar vor allem in Amerika ausgebrochen, aber Europa, Deutschland sind auch betroffen. Ich glaube aber nicht im mindesten, dass wir wie der von Thomas Buddenbrook erwähnte Stern erloschen sind. Die Marktwirtschaft hat immer ihre Krisen gehabt. In der Volkswirtschaft gibt es den Begriff der kreativen Zerstörung. Wir sehen das bei der Autoindustrie. Diese großen Autos wurden schon lange am Markt vorbei gebaut. Vielleicht gibt es jetzt neue, andere Wagen. Jede Krise, wenn sie gut durchlebt wird, hat auch ihr Positives. Ich glaube, dass wir eine gute Chance haben, da heraus zu kommen. Das Beste ist: Die Welt hält zusammen, auch Russland, China sind dabei. Das gab es in der Weltgeschichte noch nie.

Der Buddenbrooks-Film hat einiges mit Ihrer Biografie zu tun...

Breloer: Ich bin vom Film (Alfred Weidenmanns 1959) zum Buch gekommen. Ich saß mit meinem Bruder im Kino und dachte: Genauso habe ich das erlebt als Sohn eines Getreidegroßhändlers und Gastronomen. Das Testament rollte auf mich zu. Ich wollte dieses Geschäft nicht übernehmen. Ich war wie Hanno. Ich war meinem Vater nicht genug. Er war zwar schon tot, aber in meiner Fantasie lebte er weiter. Ich wusste genau, mit den Angestellten herum brüllen, das kann ich nicht. Er war energisch, man hat ihm gehorcht. Ich bin ins Kino geflüchtet.

So ein Film ist ja immer Teamwork. Gibt es etwas, wo Sie sagen, das ist meins. Das habe ich gefunden. Und: Haben Sie eine Lieblingsfigur?

Breloer: Natürlich Christian: Das ist eine moderne, spannende, existenzialistisch verlorene Figur. Das Schwierige ist, man muss über 800 Seiten Worte in 145 Minuten Bilder umsetzen. Ich möchte jetzt nicht sagen, was das Wichtigste war, aber ein Bild, das ich gefunden habe, ist: Tony Buddenbrook am Strand, wie sie ihre Strümpfe auszieht und ihre Füße in den Sand bohrt. Und da ist dieser Morton, der sie liebt und ihr einen Bernstein schenkt. Das steht so nicht bei Thomas Mann, aber ich glaube, ich habe es richtig übersetzt. Tony kommt von ihrer Prinzessinnen-Welt herunter und mit der Erde in Kontakt. Sie ist wenigstens einmal glücklich gewesen, das nimmt sie in dem Bernstein mit. Vielleicht war es auch für Thomas Mann so, als er einmal einen Jungen geküsst hat. Er war ja ein sehr bürgerlicher Schriftsteller, hatte seinen Schreibtisch, sein Kontor, da schuf er sein großes Werk, während seine Frau die Familie und die Geschäfte führte.

Was machen Sie jetzt? Haben Sie wieder neue Projekte?

Breloer: Über Projekte möchte ich lieber nicht sprechen, weil man findet sie sonst leicht bei jemand anderem wieder. Ich fahre wie seit 25 Jahren alljährlich nach Mayrhofen und gehe mit meiner Frau Bergwandern. Wenn man nach zwei, drei Stunden Aufstieg da oben in der Sonne sitzt, dann sind das die schönsten Winterferien. Man muss aufpassen, wo man hin tritt. Das Denken hört auf. Abends ist man todmüde. Dann geht man vielleicht noch in die Sauna, isst ein Schnitzel, trinkt einen grünen Veltliner – und ist völlig zufrieden.

ZUR PERSON: BRELOER

Geboren in Gelsenkirchen, studierte Breloer (66) Literaturwissenschaft, Philosophie. Sein bekanntester Film ist „Die Manns“ (2001). Weitere Filme: „Speer und Er“, „Todesspiel“ (über die RAF).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2008)

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