"Pride": Arbeiter und Homosexuelle gemeinsam gegen Thatcher

(c) Nicola Dove
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"Pride" erzählt eine wahre Geschichte: 1984 schlossen sich Arbeiter und Homosexuelle gegen die britische Regierung zusammen. Das Ergebnis ist ein Feel-good-Movie.

Nichts schweißt bekanntlich so zusammen wie gemeinsame Feinde. Gleich drei davon kann Aktivist Mark (Ben Schnetzer) anführen, um seine schwul-lesbische Aktionsgruppe dazu zu bringen, für die streikenden Minenarbeiter zu sammeln: Margaret Thatcher, die Polizei, die Boulevardpresse. Man schreibt das Jahr 1984. Die Minenarbeiter wurden von Thatcher zum „Inneren Feind“ erklärt, von der Polizei übel bedrängt und in der Boulevardpresse als gewalttätig diffamiert. Erfahrungen, mit denen sich die Londoner Schwulen und Lesben jener Zeit so gut identifizieren können, dass Mark und seine Truppe schnell eine ordentliche Summe zusammentragen. Dann stellt sich das nächste Problem: Wollen die Minenarbeiter diese Unterstützung überhaupt annehmen?

Wenn die Geschichte keinen wahren Hintergrund hätte, wäre sie wohl kaum verfilmt worden. Zu weit hergeholt klingt die Idee einer Allianz von großstädtischer Homosexuellenbewegung und walisischem Arbeiterkampf. Allein für das Bekanntmachen dieser fast in Vergessenheit geratenen Aktion gebührt den Machern von „Pride“ große Sympathie. Und es erscheint geschmäcklerisch, sich dann auch noch zu wünschen, sie hätten für ihre höchst ungewöhnliche Geschichte doch eine weniger gewöhnliche Form gewählt.

„Pride“ nämlich schließt nahtlos an jenes Genre der inspirierenden Feel-good-Movies an, das sich durch Filme wie „The Full Monty“, „Brassed Off“ oder auch „Billy Elliott“ zu einer Art Spezialität des britischen Kinos entwickelt hat. Da stolpert zu Beginn ein unerfahrener junger Mann zur Gay-Pride-Parade, der sich sofort als Identifikationsfigur für den uneingeweihten Zuschauer anbietet. Joe (George MacKay) läuft direkt dem bereits erwähnten Mark und seiner Truppe in die Arme und wird Zeuge, wie die Idee der Solidaritätssammlung für die Minenarbeiter aufkommt und Form gewinnt. Selbstverständlich ist Joe auch dabei, als der Aktivistentrupp Kontakt mit Minenarbeitern in Wales aufnimmt.

Vegane Rezepte für die Lesben

Die Etikette des politischen Engagements erfordert es, dass man sich gegenseitig zu Gruß- und Dankesadressen einlädt. Der walisische örtliche Gewerkschaftsführer Dai (Paddy Considine) überbrückt auf der Bühne eines Londoner Schwulenclubs mit trockenem Humor erstaunlich geschickt die kulturellen Differenzen. Dann kommt der Moment, in dem die bunten Vögel aus London zum Gegenbesuch im Arbeiterstädtchen antreten. Hier findet die Probe dieses unkonventionellen Bündnisses statt – und der Film zu seinem eigentlichen Thema. So fremd sich Arbeiter und Homosexuelle zunächst sind, beim gemeinsamen Biertrinken, Bingospielen und Broteschmieren werden Vorurteile überwunden. Übersetzt in Filmszenen heißt das: Der flamboyante Jonathan (Dominic West) bringt den ungelenken heterosexuellen Männern das Tanzen bei, auf dass diese bessere Chancen bei den Frauen haben. Die älteren Arbeiterfrauen kochen nach veganen Rezepten für „ihre“ Lesben und ein kleiner Haufen Hartköpfiger bleibt so lange bei seiner Ablehnung, dass der Film seinen rührenden Schluss als Überraschungsmoment präsentieren kann.

So gekonnt inszeniert Regisseur Matthew Warchus die Standardsituationen des Feel-good-Movies, dass die wahre Geschichte fast unwirklich wirkt. Tatsächlich blendet er weitgehend aus, dass die Minenarbeiter am Ende die großen Verlierer waren. Paradoxerweise liegt genau darin die starke Seite dieses Films. Die verbürgten Ereignisse bricht er so charmant aufs Zwischenmenschliche herunter, dass „Pride“ zur Feier dessen wird, was ihr Auslöser war: auf den heute so gut wie aus der Mode gekommenen Akt der Solidarität.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2014)

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