"Exodus": Moses mit stetig wachsendem Bart

(c) Photo: Kerry Brown
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In seinem Bibelbuster zeigt Ridley Scott die Befreiung des hebräischen Volkes durch einen Rebellen wider Willen. Ein Ausstattungsepos, solide und schwer wie ein Stein, aber auch ungefähr so interessant.

Der Bibelfilm erlebt gerade eine zweite Blütezeit: In den USA wurde der lange stillliegende, aber lukrative Parallelmarkt gläubiger Kinobesucher neuerlich angezapft und füllt wie anno dazumal den Klingelbeutel. Klassische Topoi wie das Leben Jesu werden frisch aufgelegt, aber auch fundamentalistische Nischenprodukte evangelikaler Produktionsfirmen wie „God's not Dead“ oder der Apokalypse-Thriller „Left Behind“ mit Nicholas Cage erzielen in diesem Klima stattlichere Box-Office-Erfolge als gewohnt. Die großen Studios setzten lieber auf konsensfähigeres Material, und so kommt nach Darren Aronofskys Sintflut-Fantasydrama „Noah“ jetzt Ridley Scotts Zehn-Gebote-Remake „Exodus: Götter und Könige“ als Festtags-Bibelbuster in die Kinos.

Hollywood entdeckt den Klassenkampf

1956 erklärte Cecil B. DeMille im Prolog seines alttestamentarischen Monumentalfilms noch höchstpersönlich dessen intendierte (antikommunistische) Botschaft. Das macht Scott zwar nicht, seine Drehbuchautoren und er rücken aber auf ihre Weise einen anderen Subtext der Geschichte in den Vordergrund. Der Untertitel trügt: Es geht weniger um Götter und Könige als um die Befreiung des hebräischen Volkes aus der Sklaverei durch einen Rebellen wider Willen.

Den Klassenkampf hat Hollywood nämlich auch wieder für sich entdeckt – siehe „Elysium“ und „Die Tribute von Panem“. „Exodus“ möchte nun sämtliche Glaubensformen und Ideologien in sich vereinen, vom Revoluzzer zum Reaktionär sollen sich alle angesprochen fühlen und entsprechend mitgehen, wenn das Volk Israel mit Moses durchs Rote Meer marschiert.

Dieser wird von Christian Bale, bekannt u.a. als Batman und als Bateman in „American Psycho“, mit stetig wachsendem Bart und sorgenvollem Blick verkörpert, erst als rechtschaffen-rationaler Feldherr an der Seite seines Thronfolgerbruders Ramses (ein ägyptisierter Joel Edgerton), später als zwiegespaltener Revolutionsführer. Die Intrige eines dekadenten Statthalters (dessen Darstellung durch Ben Mendelsohn streckenweise die ungustiösen Züge einer homophoben Karikatur annimmt) enthüllt seine hebräische Herkunft, woraufhin ihn der mit einem Vaterkomplex beladene Ramses in die Verbannung schickt. Dort findet Moses Familienglück mit Zippora (María Valverde als exotische Schönheit), doch als Gott – oder ein schlechtes Gewissen – beginnt, ihm in düsteren Visionen als kleiner Junge zu erscheinen und kryptische Weisungen zu geben, staubt er sein Schwert ab und zieht zurück nach Memphis, um sein Volk zu erlösen.

Massen wie in „Age of Empires“

Der Film ist durch und durch ein Ausstattungsepos der Marke Scott: solide und schwer wie ein Stein, aber ungefähr ebenso interessant. Ästhetisch changiert er zwischen einer orientalistischen Kulissen- und Kostümrevue, Ansichten karger Felswüsten (gedreht wurde in Südspanien) sowie Vogelperspektiven auf Städte und Menschenmassen wie im Computerspiel „Age of Empires“, bei denen man einzelne Figurencluster nicht von ihren digitalen Duplikaten unterscheiden kann.

Dröge ist auch das Spektakel: Spätestens als die zehn computergenerierten Plagen in einer lustlosen Montagesequenz über die Leinwand hereinbrechen, weiß man, dass man auch bei der unausweichlichen Meeresteilung nicht sonderlich ins Staunen geraten wird – gegen diese wirkt DeMilles altmodische Tricktechnik wahrlich wie eine Wundertat. Der Altmeister legte überdies auch großen Wert auf kräftige Farben; hier ist alles ausgebleicht zwischen Silber-, Gold- und Erdtönen. Immerhin ist „Exodus“ so sehr damit beschäftigt, in zweieinhalb Stunden durch die dichte Erzählung zu preschen, dass er gezwungen ist, sein Fließbandpathos in erträglichen Dosen zu verabreichen.

Das Drehbuch bemüht sich sichtlich um eine Anbindung an den Zeitgeist: Gottes Zorn ist nicht nur höhere Gewalt, sondern der unvermeidliche Zusammenbruch eines unrechten Systems. Moses verübt zunächst Anschläge auf Kornspeicher, damit die ägyptische Mittelschicht das Elend der Unterjochten zu spüren bekommt und ihren Unmut an der Obrigkeit auslässt. Jahwes Katastrophen – die sich Ramses von TV-Experten ähnelnden Demagogen zurechtrationalisieren lässt – beschleunigen den Prozess.

Die Verkündung des Dekalogs (im Film ein bloßer Nachtrag) kann man wahlweise interpretieren als Ruf nach wirtschaftlicher Regulierung oder als gesetzliche Beschneidung staatlicher Willkür. Aber am Ende wird der progressive Unterbau dieses fahlen Schinkens erdrückt von all den anderen Ideen, auf die Scott zwecks Zielgruppenmaximierung nicht verzichten will: Heldenstory, Glaubenstreue, Kernfamilienwerte. Irgendetwas muss ja für jeden dabei sein auf dem Kassenschlager-Gabentisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2014)

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