Der erste Blockbuster: Stummes Loblied auf den Ku-Klux-Klan

Szene aus ''Geburt einer Nation''
Szene aus ''Geburt einer Nation''(c) imago stock&people
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Vor 100 Jahren wurde in den USA "Die Geburt der Nation" uraufgeführt. Der rassistische Stummfilm steckte voller neuer Techniken, löste Prügeleien aus - und führte zur Neugründung des Ku-Klux-Klans.

„Dass die Afrikaner nach Amerika gebracht wurden, pflanzte den ersten Samen der Entzweiung". Mit diesen weiß auf schwarz geschriebenen Worten beginnt die„Geburt einer Nation“ – der erste Blockbuster der Geschichte. Unter der Regie von David Wark Griffith, nach einer Drehzeit von neun Wochen und 100.000 Dollar an Produktionskosten, wurde der Stummfilm am 8. Februar 1915 in Los Angeles uraufgeführt. Das 187-minütige Werk stellte einen filmtechnischen Urknall dar, wurde zum Kassenschlager, entfachte Rassismus, löste Prügeleien aus – und polarisiert noch heute.

Szene aus ''Geburt einer Nation''
Szene aus ''Geburt einer Nation''(c) imago stock&people

Erste Szene: Es ist die Zeit vor dem US-amerikanischen Bürgerkrieg. Während die Familie Stoneman im Norden ein großbürgerliches Leben führt, betreiben die Camerons im Süden eine Baumwollplantage voller naiver, tanzender Sklaven. Trotz der Gegensätze freunden sich die Söhne in einem Internat an, man besucht sich, verliebt sich in die jeweiligen Schwestern – bis der Sezessionskrieg (1861/65) die gelebte Harmonie vertreibt.Beide Familien verlieren Söhne auf dem Schlachtfeld, ein dritter, Benjamin Cameron, wird verwundet. Im Lazarett begegnet er Elsie Stoneman, in deren Bild er sich einst verliebt hatte. Während die Liebe aufflammt, beginnt eine Schwarzenmiliz ihr Unwesen zu treiben. Der Krieg endet, die Schwarzen bekommen das Wahlrecht – und betrügen. Sie werden rechtlich gleichgestellt, behalten aber ihre „barbarische Art". Mehrere Szenen zeigen, wie sie demütigen, unterdrücken und geradezu wild darauf sind, weiße Frauen zu vergewaltigen.

Benjamin ist entsetzt. Inspiriert von als Geistern verkleideten weißen Kinder, die ihre dunkelhäutigen Konterparts erschrecken, ruft er eine Widerstandsarmee ins Leben: den Ku-Klux-Klan. Südstaaten-Frauen nähen aus Leintüchern weiße Umhänge und Masken für Mann und Pferd. Mit brennenden Kreuzen jagen die Geheimbündler fortan Afroamerikaner, letztere großteils verkörpert von überdeutlich geschminkten Weißen. Eingeblendete Schrifttafeln erläutern: „Der Prozess". Dann: „Schuldig". Es folgen Lynchmorde.

Szene aus ''Geburt einer Nation''
Szene aus ''Geburt einer Nation''(c) imago stock&people

Es ist ein Kampf um die „alte Ordnung“. Der erstmals eingesetzte Kreuzschnitt erlaubte es, bei Verfolgungsjagden von der einen zur anderen Partei zu wechseln. Den finalen Triumph läutet Richard Wagners „Walkürenritt“ ein, kombiniert mit einer weiteren Weltneuheit: Nie zuvor wurden Pferde frontal von einer Kamera aus einem Erdloch heraus gefilmt. Am Ende kehrt dennoch die Ruhe zurück: Bilder der doppelten Flitterwochen von Phil und Margaret und Benjamin und Elsie suggerieren das Ende des Konfliktes zwischen Nord und Süd – eine Nation ist geboren.

Rassistisch und doch „meisterhaft“

Die Uraufführung von „Geburt einer Nation“, der ursprünglich „Die Männer vom Clan“ heißen sollte und auf dem Roman „The Clansman“ von Thomas Dixon beruht, löste in mehreren Großstädten Rassenkrawalle aus. In acht US-Bundesstaaten wurde seine Vorführung verboten. Das „Lexikon des internationalen Films“ nennt den Dreistünder den „ersten großen Propagandafilm der Kinematografie“ und zieht eine Vergleich zu Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“. Auch dieser ist demnach „ein großer Film, der eine böse Sache vertritt“.

Das Werk sei „kontrovers und ausgesprochen rassistisch, aber auch ein Meilenstein und ein Meisterwerk", urteilt US-Filmkritiker Tim Dirks anlässlich des 100. Geburtstages des ersten Blockbusters. So habe der Südstaatler Griffith erstmals Aufnahmen bei Nacht gewagt, hunderten Statisten von einem Turm aus Anweisungen zugerufen, echte Kanonen feuern lassen, in freier Landschaft gefilmt und einen auf die Bewegungen im Bild abgestimmten Soundtrack beigefügt. Auf der anderen Seite gab der bis heute kommerziell erfolgreichste Stummfilm (bis 1930 spielt er alleine auf dem nordamerikanischen Markt das 40-fache seiner Kosten ein) den Impuls für die Neugründung des (realen) Ku-Klux-Klans durch den Methodistenprediger William Joseph Simmons.

Ku-Klux-Klan

Der militante, rechtsradikale Geheimbund wurde am 24. Dezember 1865 im US-Bundesstaat Tennessee gegründet. Er richtete sich gegen die nach dem Bürgerkrieg eingeführte Gleichstellung und Gleichbehandlung von Schwarzen und Weißen. Der streng hierarchisch organisierte Klan verübte Brandstiftungen und betrieb Lynchjustiz. Seine Mitglieder verstehen sich als verfassungstreue Patrioten. 1882 wurde der Ku-Klux-Klan für verfassungswidrig erklärt und offiziell aufgelöst. Inspiriert von dem Film "Die Geburt einer Nation" folgte 1915 die Neugründung.

Von nun an richtete er seine Aktionen nicht nur gegen Schwarze, sondern auch gegen Juden, Einwanderer, Intellektuelle und Homosexuelle. Es folgte eine Namensänderung in „Knights of the Great Forest" (Ritter des großen Waldes). 1944 wurde der Bund wegen Steuerschulden aufgelöst, nahm seine Aktivitäten jedoch nach 1945 erneut auf. Seit den 1990er-Jahren greift der Klan gezielt schwarze Kirchengemeinden an. In den USA wird heute von bis zu 8000 Mitgliedern ausgegangen.

>> "The Birth of a Nation" auf YouTube

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