Memoiren: Unterwegs mit Albert Speer und Marlene Dietrich

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Für seine Doku über den „Schlächter von Lyon“, Klaus Barbie, bekam er einen Oscar, für „Nicht schuldig?“ verbrachte er drei Tage mit Albert Speer: Marcel Ophüls, soeben mit der Berlinale-Kamera ausgezeichnet, erzählt in seinen Memoiren aber auch über viele Hollywood-Granden.

Als er in Bolivien das Leben des Kriegsverbrechers Klaus Barbie recherchierte, der gerade nach Frankreich ausgeliefert worden war, sei er baden gegangen und dann . . . eine Dreiviertelstunde später mit einem blauen Auge und schmerzendem Kopf zu sich gekommen. Ein Überfall bolivischer Geheimdienstmänner? Was immer damals passierte, Marcel Ophüls musste wegen seiner Kopfverletzung in Paris operiert werden. Seitdem habe er Erinnerungsprobleme, schreibt er. Trotzdem schreibt er Memoiren? So etwas soll vorkommen, nur wird die Amnesie nicht immer so ehrlich ausgesprochen wie hier.

Trotz der Gedächtnislücken des heute 87-Jährigen und viel Geplauder erfährt man im soeben erschienenen Buch „Meines Vaters Sohn“ (Propyläen) einiges, was wahr sein könnte: sowohl über den bekannten Dokumentarfilmer Marcel Ophüls selbst, der am Mittwoch mit der Berlinale-Kamera ausgezeichnet wurde, als auch über seinen berühmten Vater, Max Ophüls, den jüdischen nach Frankreich und dann nach Hollywood geflüchteten Regisseur berühmter Schnitzler-Verfilmungen wie „Liebelei“ und „Reigen“. Man kann die Erinnerungen auch gleich mit den Erinnerungen des Vaters vergleichen, die im Berliner Alexander-Verlag neu erschienen sind („Spiel im Dasein. Eine Rückblende“).

Bert Brechts „Proletarierhemden“

Manches in „Meines Vaters Sohn“ mag merkwürdig klingen. Dass z. B. Max Ophüls zu seiner Frau, Marcel Ophüls' Mutter, Hilde Wall, bei Streitereien oft „extrem gewalttätig“ war und sie einmal so geohrfeigt hat, dass sie „die ganze Treppe“ hinuntergefallen ist, scheint dadurch wiedergutgemacht, dass das Ehepaar angeblich nie unversöhnt schlafen gegangen ist. Und an der Highschool wusste Marcel Ophüls noch nicht, was Homosexualität ist.

Amüsante Jugenderinnerungen aus Los Angeles an alle möglichen Hollywood-Granden und Kulturprominente finden sich hier auch, etwa an Brecht: „Ich fand es höchst seltsam, dass ein so offenkundig wohlhabender Mann wie er sich den Schädel rasierte und angeknitterte Proletarierhemden trug“; oder an die 60-jährige, immer noch schöne Marlene Dietrich, mit der der junge Mann einen ganzen Tag verbrachte, ständig überlegend, ob er versuchen solle, sie ins Bett zu kriegen. (Seine Feigheit bereut er bis heute.)

Interessanter sind die Geschichten rund um Marcel Ophüls' Dokumentarfilme: wie er etwa für seinen Film über die Nürnberger Prozesse, „Nicht schuldig?“, drei Tage mit Albert Speer verbrachte. „Am Ende der Aufnahmen lud er uns alle zum Abendessen ein, ins beste Restaurant der Stadt. Sowohl der Oberkellner als auch die Serviererinnen in ihren Dirndln verbeugten sich vor ihm und sagten: ,Guten Abend, Herr Professor.‘“ 1971 wurde „Le Chagrin et la Pitié“ über das besetzte Frankreich fertig (in der deutschen Fassung „Das Haus nebenan“), es war zu Frankreich-kritisch für die damalige Politik und konnte erst nach zehn Jahren im französischen Fernsehen gezeigt werden. Auch über die Verschleppung des Prozesses gegen Klaus Barbie, den „Schlächter von Lyon“, erzählt Marcel Ophüls Bemerkenswertes: Man hat gefürchtet, Barbie könnte ehemalige Kollaborateure belasten. Die Dreharbeiten waren sehr schwierig, letztlich aber machte „Hotel Terminus“ den Regisseur weltberühmt – 1988 erhielt er dafür den Oscar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2015)

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