„Chappie“: Harter Humanoide mit Hirn

Chappie
Chappie(c) Sony Pictures
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In seinem neuen Film "Chappie" findet der südafrikanische Regisseur Neill Blomkamp zur alten Kraft zurück: Er reichert Science-Fiction mit Systemkritik an und hält die Balance zwischen Botschaft und Spektakel.

Mit nur drei Filmen hat sich der Südafrikaner Neill Blomkamp eine eigene Nische im überschaubaren Segment der Science-Fiction-Großproduktionen erobert: Statt auf Weltflucht setzt sein Kino auf geerdete, mit Gesellschafts- und Systemkritik angereicherte Geschichten, die doch den Anspruch eines Hochkonzept-Gassenhauers erfüllen. Mit der retrofuturistischen Roboterfantasie „Chappie“ rudert Blomkamp jetzt, nach seinem lauwarm aufgenommenen Hollywoodprojekt „Elysium“, wieder zurück in vertraute Gewässer.

Die Parallelen zum eindrucksvollen Debüt „District 9“ sind augenfällig: Beide imaginieren ein zukünftiges Johannesburg als entmenschlichten Ort, kontrolliert und finanziert von dubiosen Machtkonglomeraten. Der „District 9“ mit seinen ghettoisierten Außerirdischen spiegelt sich in den Industrieruinen in „Chappie“ wider, in denen flippig gewandete Gangster den Aufstand proben.

Man merkt, dass Blomkamp weiß, wovon er spricht: Sein Johannesburg ist eine eingefahrene Stadt, die nach dem Ende der Apartheid andere Methoden gefunden hat, um die Armen von den Reichen zu separieren. Der Gewaltexplosion – 30 Morde geschehen pro Tag – setzt die Regierung nun eine Einheit von Roboterpolizisten entgegen: Sie könnten mit ihren Spitzohren und einer Metallstange als Augenbrauen auch als sündteures Kinderspielzeug durchgehen, schießen aber scharf, wenn es sein muss.

Ihr Entwickler – auch „Schöpfer“ genannt – ist Deon Wilson („Slumdog Millionaire“ Dev Patel): Der geniale Robotiker hat seine Menschmaschinen zwar für das Unternehmen von Michelle Bradley (Sigourney Weaver) entwickelt, verfolgt aber eine andere Vision. In einen defekten, weil angeschossenen Roboter lädt er eine Bewusstseins-Software, die den Humanoiden aus Kabeln und Metall schlagartig zu einem denkenden, reflektierenden Wesen macht – und daher komplett untauglich für die Polizeiarbeit. Pech nur, dass eine Handvoll Krimineller diesen Chappie in die Hände bekommt, ihm Goldketten um den Hals hängt und ihn zum perfekten, unbesiegbaren „Gangsta“ machen will.

Ghettofaust, leicht beeinflussbar

Die eigenmächtig denkende Maschine ist ein populäres Science-Fiction-Thema: Anders als ähnlich gelagerte Arbeiten wie das esoterisch verquaste „Transcendence“ zeigt das von Blomkamp und seiner Frau und Kreativpartnerin Terri Tatchell verfasste Drehbuch die Bruchlinien zwischen Mensch und Maschine konkreter auf. Denn auch wenn Chappie die Ghettofaust beherrscht, bleibt er ein willfähriges, leicht umzuprogrammierendes Werkzeug, das sowohl Retter als auch Vernichter sein kann. So gesehen mutet es ironisch an, dass der Roboter von einem Menschen dargestellt wird: Blomkamps Schulfreund Sharlto Copley hat ihn – ähnlich wie Andy Serkis den Gollum – mittels Motion-Capture-Verfahren eingespielt und verleiht dem computergenerierten Charakter massiv Persönlichkeit. Während sein mit Bewusstsein aufgeladener Chappie anfangs noch kindliche Züge trägt, wächst er bald zum Gleichnis eines leicht beeinflussbaren Jugendlichen heran.

Wie gut das funktioniert, zeigt etwa eine Sequenz, in dem die Gangster den Roboter aus dem Auto werfen. Erst wird ihm ein Arm abgerissen, dann wird er angezündet – und man windet sich auf dem Kinosessel, angeekelt vor so viel Ungerechtigkeit gegenüber einer unschuldigen Maschine. Blomkamp sucht immer die Balance zwischen Botschaft und Spektakel. Was Spaß macht, muss einen nicht verblöden lassen, lautet das Credo.

Schön gedacht, aber nicht ganz erfolgreich umgesetzt. Denn im Gegensatz etwa zu Paul Verhoevens vergleichbarem, aber weitaus radikalerem „RoboCop“, ist die soziale Agenda von „Chappie“ immer klar erkennbar, das Ende der Parabel von Weitem ersichtlich. Die Gauner in der postapokalyptischen Aufmachung (darunter auch Yolandi Visser und Watkin Tudor Jones, besser bekannt als Rap-Rave-Formation „Die Antwoord“) lernen Mitmenschlichkeit durch eine Maschine, während Deons Gegenspieler Vincent Moore (mit feschem Vokuhila: Hugh Jackman) mit seinem gigantischen Konkurrenzroboter „Moose“ eine veritable Vernichtungsmaschine konstruiert hat und von der konsequenterweise auch zu Fall gebracht wird.

Wüste Stilmittel der 1980er-Jahre

Ästhetisch liebäugelt „Chappie“ mit den wüsten Stilmitteln aus dem dystopischen Science-Fiction-Kino der 1980er-Jahre, mit dem Blomkamp aufgewachsen ist: Neben Hugh Jackmans Frisur kommt das besonders bei den Gangstern zu tragen, die ihre Goldketten lässig über Neon-Leiberln tragen, während Chappie sich den Vorspann zum Kultzeichentrick „He-Man“ am Röhrenfernseher ansieht. Der Retroschick hört allerdings auf, wo die Action beginnt: Sie ist zeitgemäß frenetisch inszeniert, eingefangen von Trent Opalochs dynamischer Kamera und angepeitscht von Hans Zimmers futuristischer Filmmusik, ergänzt um Nummern von „Die Antwoord“.

Auch wenn „Chappie“ von seinem ambitionierten Konzept ausgebremst wird, versteht Blomkamp sein Handwerk so gut, dass er mit Sigourney Weaver schon sein nächstes Projekt ausgedeichselt hat. Der Südafrikaner übernimmt die Regie beim neuen „Alien“-Film – hoffentlich ohne politische Allegorien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2015)

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