„Drei Eier im Glas“: „Bei uns ist das Selbstmitleid nackt“

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In „Drei Eier im Glas“ begegnen sich Dirk Stermann, Christoph Grissemann und Heinz Strunk als gescheiterte Herren in der Midlife-Crisis. Im Interview spricht Regisseur Antonin Svoboda über einen ziellosen Film und gesundes Selbstmitleid.

Drei gescheiterte Existenzen, die sich zu einer Altherren-WG zusammentun, um fortan gemeinsam weiter zu scheitern: „Drei Eier im Glas“ ist nach „Immer nie am Meer“ die zweite Zusammenarbeit des Kabarettisten-Duos Stermann & Grissemann mit dem deutschen Komiker Heinz Strunk und dem Regisseur Antonin Svoboda. Barney Schweinheimer (gespielt von Stermann), einst gefragtes Model, dreht heute Werbespots für Treppenlifte. Dragan „Drakuhl“ Kuhl (Grissemann) war Reisespezialist für Ausflüge an morbide Orte – etwa zum Eissalon einer gewissen „Eishexe“ oder nach Tschernobyl, zur „stolzen Mutter aller Reaktorunfälle“. Jetzt wurde ihm die Lizenz entzogen, was ihm bleibt, ist, in seiner Villa Pingpong gegen die Wand zu spielen oder mit dem Fernglas die Nachbarskinder beim Streiten zu beobachten, um sie anschließend bei der Mutter zu verpetzen. Die tristeste der drei Gestalten ist Michael Kiesel (Heinz Strunk): Von Frauen ignoriert und dem pflegebedürftigen Vater tyrannisiert, flüchtet er sich in die Geborgenheit des stabilen Vollrausches. Sein „Saxofonkurs für Singles“ führt die drei zusammen. Bald hangeln sie sich im Morgenmantel durch den losen, konfliktfreien Handlungsstrang, von einer schrägen Situation in die nächste. Ziellos und ganz lustig.


Die Presse: „Drei Eier im Glas“ ist schon Ihr zweiter Film mit Grissemann, Stermann und Strunk. Wie kam es dazu?

Antonin Svoboda: Wir haben uns überlegt: Wollen wir noch etwas machen? Etwas anderes vielleicht? „Immer nie am Meer“ war immerhin ein Kammerspiel und dazu eine sitzende Angelegenheit. Stermann und Grissemann kommen vom sitzenden Moderieren, daher war diese Position naheliegend. Das wollten wir jetzt ändern.


Sie haben sich also vom Sitzen weggetraut.

Ja, wir wollten etwas riskieren. Das heißt auch, dass die Figuren diesmal nicht so nah an den eigenen Persönlichkeiten dran sind. Natürlich auch nicht weit weg. Sie haben seit „Immer nie am Meer“ ja nicht wahnsinnig viel Schauspielerfahrung gesammelt. „Immer nie am Meer“ war für sie anstrengender, weil es ungewisser war: Wie fühlt sich das an, auf der Leinwand zu sehen zu sein? Im Kino, diesem dunklen Vergrößerungsglas? Diese Angst haben sie jetzt nicht mehr haben müssen.


Wie ist es, als Regisseur mit Kabarettisten zu arbeiten? Sie haben ja etwa auch „Der Fall Wilhelm Reich“ mit Klaus Maria Brandauer gedreht.

Es sind schon zwei Extreme. Aber im Prinzip wollen alle Schauspieler geliebt werden.


Stermann, Grissemann, Heinz Strunk und Sie schreiben gemeinsam ein Drehbuch über Männer in der Midlife-Crisis. Wie kann man sich das vorstellen?

Wir haben sehr verschiedene Blickwinkel auf Begriffe wie die Midlife-Crisis. Ich glaube, für den Christoph gibt es gar keine Midlife-Crisis. Für die anderen ist das mittlerweile ein zehn Jahre anhaltender, nicht enden wollender Prozess. Waten durch die Unterwelt mit wirklich keiner Aussicht auf Licht mehr.

Hat jeder seine eigene Figur vorangetrieben?

Mehr oder weniger. Es ist aber auch ein Film, der kein Ziel verfolgt. Wie in der Bildhauerei: Man muss den leeren Raum definieren. Ich denke, indem ich Leerräume denke.


War das der Reiz, eine Geschichte zu schreiben, die ins Leere führt?

Ins Leere führt sie ja nicht. Aber schon zu einer Antithese. In unserer Gesellschaft wird sehr viel Sinn über Pragmatismus gesucht, über Fitness, Wellnesswahn. Dem galt es, etwas entgegenzusetzen. Eine Geschichte, die halt so da hängt, mitten im Leben, ohne Fundament.


„Drei Eier im Glas“ ist oft skurril, aber es geht um Selbstmitleid, Einsamkeit, Scheitern. Was reizt Sie am Tragikomischen?

Tragikomisch finde ich sehr vieles im Leben. Schwierig wird's, wenn das Selbstmitleid ins Spiel kommt, da sind ja Männer einsame Spitze darin. Das finde ich oft schon ein bisschen lächerlich, darum wollten wir es auch ausstellen. Bei uns ist das Selbstmitleid nicht schön verpackt, sondern nackt, in dem Moment ist es auch wieder rührend. Wir sind beim guten Selbstmitleid angekommen.

Gutes Selbstmitleid?

Ja. Ich glaube, dass Selbstmitleid für einen selbst wichtig ist. Man braucht Selbstmitleid. Du kannst für andere Menschen nichts empfinden, wenn du dich selbst nicht spürst.


Man kann sich doch auch auf gesunde Art spüren . . .

Selbstmitleid ist nicht ungesund! Man muss sich auch mit seinen weniger gelungenen Eigenschaften identifizieren, seiner Traurigkeit über die Endlichkeit des Lebens, seinen vergebenen Momenten.


Sollen Männer in der Midlife-Crisis also Selbstmitleid zulassen – anstatt zu versuchen, versäumte Abenteuer nachzuholen?

Ich glaube schon. Zweifel, Selbstmitleid, Selbstironie – all das ist im öffentlichen Leben kaum noch vorhanden. Es wird ständig erwartet, dass Politiker sich Tag für Tag zu allen Themen wild entschlossen zeigen. Es wäre viel glaubwürdiger, wenn einer sagte: Jetzt machen wir mal einen Punkt, ich muss auch zwischendurch atmen.


Wie ist das bei Ihnen mit der Midlife-Crisis – haben Sie schon ein Motorrad gekauft?

Nein, es ist schlimmer: Ich fahre Vespa.

Zur Person

Antonin Svoboda wurde 1969 in Wien geboren. Nach seinem Studium an der Filmakademie Wien gründete er mit Barbara Albert, Jessica Hausner und Martin Gschlacht die Produktionsfirma coop 99. Als Regisseur drehte er u. a. „Der Fall Wilhelm Reich“ (2012) und „Immer nie am Meer“ (2007). Sein nächstes Projekt ist ein Kinodokumentarfilm über Schreibabys.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2015)

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