„Ex Machina“: Die Augen der Menschmaschine

„Ex Machina“
„Ex Machina“(C) Universal
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Untergang der Menschheit, Konstruktion von Identität u.v.a.: Alex Garland packt in „Ex Machina“ viele, fast zu viele Ideen. Trotzdem: intelligent und erfrischend.

Caleb (Domhnall Gleeson) wurde auserkoren. Als Gewinner eines firmeninternen Wettbewerbs darf er eine Woche mit seinem Chef Nathan verbringen, und der ist nicht irgendjemand, sondern der milliardenschwere Erfinder einer weltweit erfolgreichen Suchmaschine. Per Hubschrauber wird der junge und etwas blauäugige Programmierer in Nathans abgeschiedenes Gebirgsrefugium verfrachtet, wo ihn eine Überraschung erwartet: Sein Vorgesetzter bietet ihm an, an einem streng geheimen Experiment mitzuwirken. In den Katakomben des Designerbunkers haust der Prototyp einer künstlichen Intelligenz, deren Echtheit es via Turing-Test-Variation zu verifizieren gilt.

„Ex Machina“ ist der Regie-Erstling des Briten Alex Garland. Dieser hatte als Autor stets einen Finger am Diskurspuls seiner Zeit: Sein Debütroman „The Beach“ (1996, später von Danny Boyle mit Leo DiCaprio in der Hauptrolle verfilmt) sezierte die damals florierende Rucksacktourismuskultur, spätere Drehbuchadaptionen thematisierten die ethischen Implikationen von Klonexperimenten und polizeistaatlichen Machtexzessen. Sci-Fi- und Fantasy-Stoffe sind sein Steckenpferd, er lieferte auch Storys für Computerspiele. Selbst ein leidenschaftlicher Gamer, liebt er die Spannungsdramaturgie.

Auch „Ex Machina“ funktioniert primär als Psychothriller, der clever zeitgeistige Ängste kanalisiert und mit ästhetischer und atmosphärischer Stringenz besticht. Es geht um trügerische Oberflächen: Nichts ist, wie es scheint, latentes Unbehagen liegt in der Luft. Der smarte Nathan (brillant gespielt von Hollywood-Aufsteiger Oscar Isaac) ist ein bebrillter Muskel-Hipster, der sich zwischen Hanteltraining und Saufgelage als Demiurg einer neuen Ära imaginiert. Caleb gegenüber gibt er sich betont kumpelhaft, doch der blasierte Tonfall seiner Stimme verrät verdeckte Motive – selbst seine Hintergedanken haben Hintergedanken.

Der Chef hackt sich in alle Kanäle

Moralische Skrupel sind ohnehin Kinderkram, wenn man Gott spielen will: Zur Bewusstseinsbildung im Superhirn seines Prototyps hat Nathan sich in sämtliche Audio- und Videoströme der Welt gehackt, Datenschutz hin oder her. Kein Wunder, dass sich Caleb bei seinem Testobjekt, dem Cyborg Ava, wohler fühlt. Sie macht ihm bald verstörend schöne Augen – doch auch sie ist bei Weitem nicht so transparent, wie ihre hinter netzstrumpfartiger Kunststoffhaut durchscheinende Körpermechanik vermuten lässt.

Vielleicht hat sich Garland mit „Ex Machina“ konzeptuell zu viel aufgehalst. Er verdichtet darin so viele Ideen, dass einige im Ansatz stecken bleiben müssen: Phantasmen vom Untergang der Menschheit (Nathan ist im Grunde eine Kreuzung aus Ray Kurzweil und Dr. Frankenstein), Fragen nach der Konstruktion von Identität, Bewusstsein und Geschlechterverhältnissen. Manches schwingt in den Bildern mit, anderes wird in philosophische Kurzdebatten zwischen den Figuren ausgelagert. Als die Mentalduelle eskalieren, verzettelt sich alles in den Enthüllungen der Haken schlagenden Handlungslogik. Dennoch bietet „Ex Machina“ einen erfrischend intelligenten Gegenentwurf zu Filmen wie „Chappie“, deren Sci-Fi-Sujets bloße Aufhänger sind für lärmiges Action-Gaudium.

Die reduzierte Stilistik übt Sogwirkung aus. In den betongrauen, unheimlich ebenmäßigen Hallen von Nathans unterirdischem Labor schimmert in Anlehnung an Kubricks „2001“ beklemmendes Kunstlicht. Klinisches Weiß, fahles Blau, Alarmstufenrot – ein Farbwechsel, und brüchige Normalität kippt in den Ausnahmezustand. Der an- und abschwellende Electro-Soundtrack trägt viel zur klaustrophobischen Kammerspielstimmung bei. Nur einmal lockert sich „Ex Machina“, in seiner absurdesten, schönsten Szene verwandelt sich einer der Kellerräume in eine Disco, und Nathan schwingt beduselt das Tanzbein – womöglich die verstohlene Antwort des Films auf die Frage, was es wirklich heißt, ein Mensch und keine Maschine zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2015)

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