Film über Hitler-Attentäter: "Elser war ein echt cooler Typ"

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Der deutsche Regisseur Oliver Hirschbiegel spricht mit der "Presse" über seinen neuesten Film, über Österreich 70 Jahre nach dem Krieg - und darüber, warum er Fleisch essen für bescheuert hält.

Sie haben „Der Untergang“ oder „Diana“ gedreht. Jetzt ist es wieder ein historischer Stoff geworden.

Oliver Hirschbiegel: Ich suche mir das nicht aus. Ich nehme im Zweifelsfall den Stoff, der mich fasziniert und am meisten herausfordert. Ich wollte nicht wieder ins Dritte Reich zurück, aber mit „Elser“ dachte ich, das ist eine Aufgabe. Die Geschichte des Mannes wurde ja bisher nicht anständig erzählt. Das, was Klaus Maria (Brandauer, Anm.) 1989gemacht hat, ist ein toller Film. Damals ist Elser überhaupt erst ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Er galt ja als Irrer, der sich in die Idee verstiegen hatte, Hitler umzubringen. Klaus Maria hat ihn gezeichnet als jemanden, dem das inhaltlich, aus Überzeugung wichtig war, diese Leute zu stoppen. Nur hatte man nicht die Informationen, die wir heute haben.

Sie mochten auch den Aspekt des Heimatfilms?

Der Heimatfilm ist unter den Nazis so schmutzig gemacht worden und in den 1950er- und 1960er-Jahren in Verruf geraten, weil er als seicht und fast lächerlich angesehen wurde. Der Heimatfilm ist ja ein Genre, das wir – die Österreicher genauso – fast erfunden haben, und es ist ein spannendes Genre, wenn man es benutzt, um authentisch herzustellen, wie die Zeit damals war.

Was ist in der Rezeption Elsers so anders gelaufen als bei Stauffenberg?

Vorausschicken muss ich, dass auch Stauffenberg und alle Verschwörer, die ihn unterstützt haben, nach dem Krieg geächtet waren. Die galten als Verräter und wurden weder erwähnt noch geehrt. Diese Ehrung ist viel später erfolgt, das wird gern vergessen. Ich glaube, die Scholls sind als Erstes als Widerstandskämpfer anerkannt worden. Aber auch sie, die einen akademischen Hintergrund hatten, und natürlich Stauffenberg, der Aristokrat war, hatten eine ganz andere Lobby als ein kleiner Schreiner, der das allein gemacht hat. Das war so unglaublich, auch die Präzision der Planung und die Ausführung, dass die Parole der Nazis lange übernommen wurde, dass Elser von ausländischen Geheimdiensten bezahlt und instruiert worden sei. Aber er gehört auf dieselbe Stufe wie Stauffenberg, wenn nicht auf eine höhere. 1938 so hellsichtig zu sein, zu sagen: Das muss gestoppt werden. Er hat das gespürt. Er war ja nicht politisch. Mich hat er immer fasziniert, ohne genau zu wissen, warum, ich wusste gar nicht so viel über ihn. Aber er ist einfach ein echt cooler Typ. Einer von uns. Ein Musiker, ein Freigeist, ein Abenteurer, der raus will in die Welt.

Wenn Georg Elser das Attentat geglückt wäre, wüsste man heute ja nicht, was er verhindert hätte.

Diese Frage wird manchmal gestellt. Ich will die ganze Zeit schon mit Professor Steinbach (Widerstandsforscher, Anm.) telefonisch absprechen, was er als Historiker meint. Ich bin sicher, dass der Russland-Feldzug nicht stattgefunden hätte. Mit Sicherheit wäre der Holocaust nie passiert. Es wäre ja die ganze Führungsriege tot gewesen, nur Göring, Bormann und die zweite, dritte Riege waren an dem Abend nicht dort.

Das ist dann wohl stilles Heldentum.

Mit Heldentum muss man immer vorsichtig sein. Er ist ein Tyrannenmörder. Er hat Menschen umgebracht. Kann man jemanden einen Helden nennen, der Menschen umbringt? Die Kirche sagt, es ist gestattet. Wenn das ohne Eigennutz geschieht, einen Führer, einen Fürsten, einen Herrscher auszuschalten, der das Versprechen nicht einhält, sein Volk zu schützen, sondern es ausbeutet und knechtet, und man damit viele andere Menschenleben retten kann, dann ist das gestattet. Ich könnte es nicht. Aber ich habe großen Respekt vor Menschen wie Georg.

Wie geht es Ihnen heute, wenn Sie den Stand der Dinge sehen?

Gut. Ich rede jetzt nur über Deutschland, über Österreich könnte ich andere Dinge sagen. Was Deutschland angeht, können wir stolz darauf sein, wie anständig wir unsere Geschichte bisher aufgearbeitet haben und mit dieser Schuld umgehen.

Und Österreich, wo Ihre Töchter leben?

Es ist erstaunlich, wie sehr das Thema verdrängt wird. Wenn auch nur ein Schuss abgefeuert worden wäre damals, als die Deutschen kamen, dann wärt ihr die Opfer gewesen. Aber es hat niemand geschossen. Nicht einer. Ich glaube, da ist noch österreichische Arbeit zu tun. Aber ich müsste der typische Deutsche sein, um da jetzt die Österreicher zu belehren. Das ist meine Meinung. Ansonsten liebe ich dieses Land, nur dass das klar ist.

Leben Sie selbst eigentlich noch in Wien?

Nein, ich bin in London. Nein – ach, das ist kompliziert. Ich lebe eigentlich nirgendwo, ich bin ein Nomade, ich lebe da, wo ich drehe. Meine Kinder leben und studieren hier. Ich war im letzten Jahr drei Wochen in Wien, schätze ich. Dann in London ungefähr zweieinhalb Monate, und ansonsten auf Dreh. Und dann in München. Ich kann nicht sagen, wo ich lebe.

Haben Sie je überlegt, ganz in Amerika zu bleiben?

Ich glaube nicht, dass ich in Los Angeles wirklich leben würde wollen. Wobei Los Angeles eine super Stadt ist, wenn man mal Hollywood vergisst. Und immer noch Sammelbecken für Leute wie Elser. Es ist ein junger Kontinent, und gerade in Südkalifornien ist es super, wie die Leute drauf sind. Es ist wie am Land eigentlich, nur in einer Megacity. Das ist eine geile Kombination. Dann gibt‘s die Wüste natürlich, die Canyons sind super zum Wandern, wunderschön. Das Meer ist da, San Francisco mit dem Yosemite Nationalpark. Und ich liebe vegane und vegetarische Küche. Das ist das Paradies. Unglaublich, was es an Restaurants gibt.

Sind Sie Vegetarier?

Nö. aber ich finde, es ist bescheuert, Fleisch zu essen, weil das einer der Hauptgründe dafür ist, dass unser Planet in einem so beschissenen Zustand ist. Einmal die Woche ist früher Luxus gewesen, und das reicht. Dann kann man noch einen Fisch essen, und dann andere wunderbare Dinge. Ich denke, wenn ich mich je noch woanders niederlasse, dann könnte es drüben sein. Mein Bruder lebt ja in den USA, hat sich gerade ein Grundstück gekauft, in den Catskills. Er ist Regieassistent.

Wollen Ihre Töchter auch zum Film?

Die eine ist gerade aufgenommen worden an der Angewandten, was erstaunlich ist, 18-Jährige nehmen die normalerweise nicht. Da bin ich stolzer Vater. Beide sind eher grafisch und bildnerisch unterwegs, aber das war ich auch. Ich war ja auch früher ein bildender Künstler.

Zeichnen Sie noch?

Ich mache meinen kleinen Zeichnungen, Storyboards. Das ist wie Klavier spielen, das verlernt man, dann muss man wieder ganz von vorne anfangen. Das Talent reicht ja nicht. Goethe hat gesagt: Zehn Prozent Talent, 90 Prozent Disziplin. Meine Töchter sind das beste Beispiel, die sind sehr fleißig.

Sie ja auch. Und zu „Elser“ gab es bereits sehr positives Feedback. Laut „Hollywood Reporter“ ist er sogar weltweit verkauft.

Es gibt auch Stimmen dagegen, wie immer: Warum jetzt noch und warum so, aber das ist ja gut. Das war bei „Der Untergang“ ja auch so. Alles andere wäre ja langweilig. Wenn man keine Gegner hat, dann hat man es nicht geschafft. Wenn so ein Film eine Kontroverse auslöst, eine Diskussion, dann ist immer schon die halbe Strecke gewonnen, weil genau darum geht‘s.

Das spielt sich aber wohl auf einer anderen Ebene ab als etwa die Kritik an „Diana“. Ich stelle es mir mühsam vor, danach wieder motiviert an die Arbeit zu gehen.

Also wer das nicht aushält... es gibt ja keine Garantie. Man tut ja immer das Beste. Und ich fand die Geschichte faszinierend und die Aufgabe, jemanden wie Diana darzustellen. Und wie Naomi (Watts, Anm.) das gemacht hat, fand ich genial, egal, was die Leute schreiben. Es waren ja eigentlich nur die Engländer, die so bös waren letztlich. Und wenn die Presse ihn zerreißt, ist das Teil des Spiels. Wer das nicht aushält, der darf das nicht machen. Die englische Presse hat mich auch schon massiv gestreichelt. Für „Untergang“ haben sie mich zum Meister erklärt. Weiß nicht, wie viele Preise ich da bekommen habe. Da kann ich mich echt nicht beklagen über die Engländer.

Jetzt arbeiten Sie auch wieder an einem internationalen Projekt mit der Cold War-Serie „Back to Back“. Wird die in Berlin gedreht?

Nein, das geht nicht mehr, Berlin hat sie so verändert. Ich werde dort ein paar Schüsse machen, neuralgische Stellen, und das dann bearbeiten, dass es so aussieht, wie es damals aussah. Den Rest drehen wir in Prag. Was ich ja schon ganz gut kenne, weil ich da „Borgia“ gedreht hab. Da gibt es super Motive, die dem entsprechen, wie es damals aussah. Das ist ein Sechsteiler, und was da spannend ist, ist, dass es um die Siebzigerjahre geht. Die Siebziger sind eine Zeit, die kaum erzählt ist, und die ich aber natürlich kenne. Da fing ich gerade an zu denken, so mit 12, 13 14. Es geht um Spionage und Gegenspionage und spielt nur in West- und Ostberlin. Und es geht um ein Geschwisterpaar, das quasi beim Mauerbau getrennt wird.

Das heißt, in absehbarer Zeit werden Sie weiter keine Wohnung brauchen.

Nein, jetzt ist erst einmal Prag angesagt. Aber es ist ok. Wenn man so viel reist wie ich, merkt man, dass man gar nicht so viele Sachen braucht. Alles, was ich brauche, inklusive zweier Anzüge und diverser Hemden, habe ich in einem Koffer. Und dann gibt‘s noch die Tasche für die Arbeit und that‘s it. Man braucht echt nicht mehr. Das ist eine ganz gute Erkenntnis.

AUF EINEN BLICK

Oliver Hirschbiegel wurde 1957 in Hamburg geboren. Nach „Das Experiment“ oder „Der Untergang“ ist „Elser“ sein erster deutscher Film seit zehn Jahren. Zuletzt drehte er etwa „Diana“ oder die TV-Serie „Borgia“, in den USA das Finale zur Serie „Turn: Washington's Spies“. Als Nächstes dreht er in Prag die Kalter-Krieg-Serie „Back to Back“. „Elser“ mit Christian Friedel über das gescheiterte Hitler-Attentat im Bürgerbräukeller in München hat am Montag im Wiener Haydn-Kino Premiere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2015)

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