Die sanfte Rebellion der gelangweilten Vorstadtjugend

Nat Wolff und Cara Delevingne in ''Margos Spuren''
Nat Wolff und Cara Delevingne in ''Margos Spuren''(c) 2015 Twentieth Century Fox
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Regisseur Jake Schreier machte aus John Greens erfolgreichem Jugendroman "Margos Spuren" ein abenteuerlustiges, aber harmloses Coming-of-Age-Drama. Ein unbeholfener Teenager sucht nach seiner Jugendliebe - und findet dabei wichtigere Dinge als das verschwundene Mädchen.

Im Englischen gibt es einen Begriff, „paper town“, für eine fiktive Stadt, die nur auf der Landkarte existiert. Findige Kartografen erfanden solche „Papierstädte“ einst als Plagiatsfallen. In John Greens Roman „Margos Spuren“ (englischer Titel: „Paper Towns“), der unter der Regie von Jake Schreier verfilmt wurde, wird daraus eine Metapher: „It's a paper town, with paper people“, sagt die junge Margo, vom obersten Stock eines Wolkenkratzers auf das nächtliche Orlando herabblickend, und drückt damit die Unzufriedenheit einer heranwachsenden Generation aus, die sich nach Bedeutung und echten Gefühlen sehnt und sich in der banalen, amerikanischen Vorstadtlangeweile gefangen fühlt.

In der deutschen Übersetzung spricht Margo zwar von einer Plastikstadt, doch die Unzufriedenheit bleibt: Der Schulalltag inklusive Wer-mit-wem-Geschwätz, Notendruck und Abschlussball gibt Margo (Cara Delevingne) nichts. Ihren Nachbarn und Sandkastenfreund Quentin (genannt Q, gespielt von Nat Wolff), der seit Kindheitstagen in sie verliebt ist, würdigt sie keines Blickes. Bis sie eines Nachts an seinem Fenster auftaucht und ihn dazu überredet, sie auf ihrem Rachefeldzug gegen in Ungnade gefallene Freunde zu begleiten. So ziehen sie gemeinsam durch die Stadt und spielen Streiche mit Enthaarungscreme und rohen Fischen – ein Spaß. Am nächsten Morgen ist Margo verschwunden. Aber nicht spurlos: Überzeugt, dass sie irgendwo auf ihn wartet, folgt Q ihren Hinweisen und begibt sich mit seinen Freunden auf eine Schnitzeljagd.

Nicht ohne High-school-Klischees

„Margos Spuren“ ist nach dem Krebsdrama „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ bereits der zweite Jugendbestseller aus der Feder des amerikanischen Autors (und YouTubers) Green, der massentauglich verfilmt wurde. Schreier lenkt in treibendem Tempo und unter Indierock-Klängen durch die Coming-of-Age-Geschichte, die trotz ihrer unaufgeregten, authentischen Protagonisten von den Klischees amerikanischer High-school-Dramen nicht ganz wegkommt: Da gibt es blecherne Spinde vor Backsteinmauern, alkoholschwangere Partys im Haus des reichsten Schülers und die „cool kids“, die augenrollend auf den Ladeflächen ihrer Pick-ups herumlungern und ihre lockenstabgeformten Mähnen schütteln.

Und es gibt Margo, die sich in keines der jugendlichen Milieus so recht einordnen lässt. Supermodel Delevingne gibt die geheimnisvolle Getriebene mit rauer Stimme und müden Augen – die glanzlose Darstellung passt zum „Konzept Margo“: Viel mehr als ein fassbares Mädchen ist sie nämlich ein Konstrukt, eine idealisierte Figur, die so nur in Qs Fantasie existiert – und ihm den Schub gibt, den er braucht, um den sicheren Alltag hinter sich zu lassen. So setzen sich Q und seine unbeholfenen Freunde auf der Suche nach der Verschwundenen also ins Auto und starten einen Roadtrip, bei dem sie viel über Freundschaft lernen, erste Romanzen erleben und Unabhängigkeit dazugewinnen.

Es ist eine denkbar sanfte Rebellion, die die Teenager hier wagen. Dass am Ende alle Mysterien fein säuberlich geklärt werden und die Welt wieder ihren gewohnten Lauf nehmen darf, ist schade. Macht aber nichts: Auf seine brave, harmlose Art ist „Margos Spuren“ ein Plädoyer für Abenteuer und Mut zur Veränderung. Am Ende ist es daher fast egal, ob die Schnitzeljagd Q zu seiner Geliebten führt oder nicht. Man braucht Margo nicht zu finden. Aber man darf nicht aufhören, nach ihr zu suchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2015)

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