Jake Gyllenhaal: „Ich suche nach Wahrheit“

(c) Tobis Film
  • Drucken

Jake Gyllenhaal über den Boxerfilm „Southpaw“ – und warum Treffer zur Glaubwürdigkeit gehören.

Als Sohn einer Schauspielerfamilie gehört Jake Gyllenhaal zum Hollywood-Adel. Sein Durchbruch gelang ihm mit dem finsteren Independent-Drama „Donnie Darko“. Spätestens seit der Oscarnominierung für seine Rolle als schwuler Cowboy in „Brokeback Mountain“ gehört er zur ersten Wahl der Darsteller seiner Generation. In Hollywood wollte man ihn anschließend mit Filmen wie „Prince of Persia“ zum massenkompatiblen Helden aufbauen. Doch Gyllenhaal entzog sich diesem Klischee und stürzte sich mit vollem Elan in kleinere Projekte wie „Prisoners“ oder „Nightcrawler“. Im neuen Drama des mehrfach ausgezeichneten Regisseurs Antoine Fuqua spielt Gyllenhaal nun Aufstieg und Niedergang eines Profiboxers. Das tut er so leidenschaftlich und engagiert, dass Fiktion und Realität in vielen Szenen zu verschwimmen scheinen. Beim Interview mit dem „Schaufenster“ schwärmte der berühmte Schauspieler überraschenderweise vor allem von Kindern.

Sie sind in „Southpaw“ als Boxchampion zu sehen. Wie viele echte Treffer haben Sie während der Dreharbeiten kassiert?
Ich habe alles selbst gespielt und einige Treffer kassiert. Das passiert einfach und gehört auch dazu. Mir ist es, ehrlich gesagt, irgendwann gar nicht mehr aufgefallen, weil ich völlig in diese Welt des Boxens abgetaucht bin. Ich habe hart trainiert, mir Kämpfe angesehen. Ich wollte glaubwürdig sein. Dazu gehören auch die Treffer. Wenn du bei so einem Film auf „Nummer sicher“ gehen willst, stimmt am Ende das Resultat nicht. Kein Mensch glaubt dir.


Wonach suchen Sie mit Ihrer Arbeit?
Ich suche nach der Wahrheit.


Was ist ärger: ein Körpertreffer oder ein Punch ins Gesicht?
Es ist nicht gerade toll, ins Gesicht geschlagen zu werden. Aber die Körpertreffer sind wesentlich schlimmer. Und glauben Sie mir, ich bin richtig verprügelt worden.


Das sieht man auch tatsächlich auf der Leinwand. Es gibt keinen Kritiker, der nicht von Ihrer Glaubwürdigkeit als Boxer beeindruckt ist. Wie viel Arbeit mussten Sie investieren, um die Wahrheit zu finden?
Ich habe fünf Monate lang zweimal am Tag trainiert. Was mich angetrieben hat, war die Angst, auf der Leinwand wie ein Idiot auszusehen. Es war von allem Anfang an klar, dass wir die Szenen im Ring wie einen echten Kampf filmen werden, ohne Tricks. Das heißt, es gibt keine Doubles, und man sieht auch meine Fußarbeit. Ich dachte, wenn ich zweimal täglich trainiere, schaffe ich in dieser Zeit das Pensum von zehn Monaten. Es ging vor allem nicht darum, sich nur die Muskeln anzutrainieren. Ein großer Teil dieser Vorbereitung bestand darin, die Technik zu lernen. Ich habe stundenlang ein und denselben Schlag wiederholt. Immer und immer wieder.


Wie lange hat es gedauert, bis Sie einen glaubwürdigen „Jab“ schlagen konnten?
Einen Monat. Aber in erster Linie geht es darum zu lernen, den Schlägen auszuweichen. Wir haben bei null angefangen. Die Trainer haben mich gebrochen, dekonstruiert und wieder neu zusammengesetzt.


Das klingt schlimm. Wann kam der Moment, in dem Sie aufgeben wollten?
Ich wollte nie aufgeben, keinen Moment lang. Mich hat diese Dynamik völlig vereinnahmt. Im Sport geht es ja letztendlich darum, eine Idee zu realisieren. Oft ist es nur eine Idee, die du umsetzen willst, um den Gegner zu schlagen. Dafür schaffst du eine Basis und baust dann immer weiter darauf auf. Ich fand das vollkommen faszinierend. Es ist frustrierend, die Basis zu bauen. Aber als ich das erst einmal hinter mir hatte, hatte ich jeden Tag ein Erfolgserlebnis. Das hat mich motiviert. Ich wurde immer besser, konnte zum Beispiel kompliziertere Kombinationen schlagen. Es macht dann einfach Spaß. Ich war richtig hungrig und habe mich sogar auf das Training am nächsten Tag gefreut.


Wie hat man Sie eigentlich als Hollywoodstar in der schweißgetränkten Welt des Boxens aufgenommen?
Sehr herzlich. Und es gab sogar Fighter, die gekommen sind, um mich in meiner Broadway-Show zu sehen. Das hat mich sehr gerührt, denn das hätten sie nicht tun müssen.


Sie haben allerdings nur oberflächlich betrachtet einen Film über Boxsport gemacht. Eigentlich geht es in „Southpaw“ doch gar nicht ums Boxen.
Das haben Sie gut erkannt. Es geht um das Boxen als Metapher. Das Leben stellt dich vor verschiedene Herausforderungen, und du musst deine Technik und deine Strategien finden, um dich durchzukämpfen. Und gerade deswegen fand ich das Projekt spannend. Eigentlich geht es darum, was es bedeutet, Vater zu sein. Auch wenn man das auf den ersten Blick nicht erkennt. Wie willst du ein Kind erziehen, wenn du dich selbst von infantilen Gefühlen steuern lässt und sie nicht in den Griff bekommst? Mein Regisseur Antoine Fuqua hat mir gesagt, er mache diesen Film nur zum Teil wegen seiner Liebe zum Boxsport. Er wollte einen Film für junge Männer machen, die sehr jung Väter geworden sind oder werden.


Und was sollen die aus diesem Film lernen?
Dass Vaterschaft eine der ehrenwertesten Aufgaben ist, die in unserem Leben existiert. Das war ihm sehr wichtig.


Was nehmen Sie aus dieser Arbeit mit in Ihr weiteres Leben?
Ich habe bisher ja noch nie richtig mit Kindern gearbeitet. Und ich muss sagen, als ich mich das erste Mal mit Oona Lawrence getroffen habe, die im Film meine Tochter spielt, habe ich mich sofort in sie verliebt. Als wir dann die ersten Szenen zusammen gespielt haben, fing sie an, mit unglaublich viel Fantasie zu improvisieren. Und letztendlich hat sie mich an der Hand genommen und durch diese Szenen geleitet. Plötzlich dachte ich: Das ist eine klassische Vater-Tochter-Beziehung zwischen uns. Denn ein Kind führt dich genauso durchs Leben wie du das Kind.


Wenn Sie jetzt dermaßen inspiriert sind, wann nehmen Sie das Projekt Vaterschaft in Angriff? Haben Sie schon darüber nachgedacht?
Ich hoffe wirklich sehr, dass ich eines Tages auch Vater werde. Für ein Kind würde ich wirklich alles tun. Und es ist sogar ganz egal, ob es mein leibliches Kind ist oder nicht. Und das war auch ein großes Gefühl, das ich während der Dreharbeiten jeden Tag gespürt habe.


Wie würden Sie das Gefühl beschreiben?
Ich habe mich ständig gefragt, was denn nun für mich wirklich wichtig ist: ich oder ein Kind. Und es war ganz eigenartig. Immer, wenn ich einen jüngeren Menschen sehe, dann denke ich, der ist wichtiger als ich.

Tipp

„Southpaw“ Regisseur Antoine Fuqua drehte Musikvideos, Werbefilme, zuletzt „The Equalizer“ mit Denzel Washington. „Southpaw“ mit Jake Gyllenhaal, Rachel McAdams, Forest Whitaker, Gangsterrapper 50 Cent, derzeit im Kino.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.