"New Kaisertal City": Der etwas andere Heimatfilm

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Mit "New Kaisertal City" gelangen einer Tiroler Wahlwienerin und einem Wiener Wahltiroler der spannendste Filmbeitrag zum Andreas-Hofer-Gedenkjahr.

Ich rechne schon damit, dass sich der eine oder andere beleidigt fühlt. Aber das ist nicht meine Intention“, sagt Melanie Hollaus im Hinblick auf die Österreich-Premiere ihres Regie-Erstlings „New Kaisertal City“. Am 11. Juni 2009 wird ihr Werk als der krönende Abschluss des Internationalen Film Festivals Innsbruck (IFFI) gezeigt.

Bisher lief „New Kaisertal City“ am „Emerge and See“-Festival in Berlin, einer Parallelveranstaltung zur Berlinale, und bei den Bozener Filmtagen. Vor allem in Deutschland kam der „etwas andere Heimatfilm“ sehr gut beim Publikum und der Jury an. Haarscharf schrammten Hollaus und Produzent Valentin Sysel am Sieg in der „East-West-Competition“ vorbei. Den Bozenern hingegen sei das Lachen bisweilen im Hals stecken geblieben, schmunzelt Hollaus: „In Berlin war der Abstand des Publikums zu Tirol spürbar. In Bozen fühlten sich die Leute viel eher direkt betroffen.“ Doch IFFI-Leiter Helmut Groschup fand auf Anhieb Gefallen an der jungen Tiroler Independent-Produktion und nahm sie in das Innsbrucker Festivalprogramm auf.

Die 28-jährige Regisseurin Melanie Hollaus und der 30-jährige Produzent Valentin Sysel sind gespannt auf die Reaktionen des Tiroler Publikums. Denn „New Kaisertal City“ ist schwer einzuordnen: Von der Länge – 35 Minuten – her ein Kurzfilm, vom Stil her ein abenteuerlicher Mix aus Dokumentation, Experimental- und Spielfilm. Als roter Faden dient die Utopie der New Kaisertal City.

Dort will die Tiroler Volksfront, eine bunt zusammengewürfelte Truppe aus Urtirolern und Migranten, ihre Vision vom friedlichen Zusammenleben der Kulturen und Religionen verwirklichen. Dabei begeben sich die „Revolutionäre“ auf die Suche nach der Tiroler Identität: Ein Türke wird zum Schlagerbarden und zieht als „Chansi Chinterseer“ durchs Land. Afrikaner werden zu jodelnden Bergbauern. Und Tibeter wollen buddhistische Klöster in den Alpen bauen.

Auf schnödes Tiroler-Bashing verzichtet Regisseurin Melanie Hollaus bewusst: „Der Film behandelt Tirol und die herrschenden Zustände satirisch. Ich wollte nicht die Tiroler selbst als blöd oder ausländerfeindlich dastehen lassen.“ Immer wieder wird der Zuseher durch radikale Brüche überrascht. Etwa wenn am Stammtisch die Altbauernrunde reflektiert über das Thema Minarettbau diskutiert. „Ich will damit Fragen aufwerfen, keine Antworten liefern“, fasst Hollaus zusammen.

Der Film wirkt insgesamt wie eine rasante, mit Zitaten – von Andreas Hofer über Franz Kafka bis hin zur RAF – gespickte Collage. Vom Endergebnis waren selbst Hollaus und Sysel überrascht. Denn geplant hatten sie ursprünglich ein ganz anderes Projekt: einen Film über die Erschließung des Kaisertals.

Der gleichnamige Ort im Tiroler Unterland war nämlich noch bis zum Vorjahr, als ein 800 Meter langer Straßentunnel eröffnet wurde, nur über einen langen und beschwerlichen Fußmarsch erreichbar. Doch die Wahlwienerin Melanie Hollaus hatte die Rechnung ohne die Kaisertaler gemacht. Nachdem sie und Sysel ganze Nächte am Dorfstammtisch verbracht hatten, um den Einheimischen ihr Filmkonzept vorzustellen, verweigerten die Kaisertaler plötzlich ihre Mitwirkung an dem Film und verwiesen sie des Dorfes.

Noch in derselben Nacht warf Hollaus ihr altes Konzept über den Haufen und schuf die Grundlagen des neuen Plots. Der Hauptdrehort Kaisertal wurde beibehalten, wenngleich sich die praktische Umsetzung schwierig gestaltete, wie Sysel erzählt: „Wir mussten das gesamte Filmset jeden Tag zu Fuß über die Berge ins Kaisertal und wieder hinaustragen.“ Der Dreh dauerte von März bis September 2008. Das knapp bemessene Budget zwang zur Sparsamkeit: „Wir hatten insgesamt nur 16.000 Euro zur Verfügung. Das ist kein Low-, sondern ein No-Budget-Film. Es ist allein der totalen Selbstausbeutung von allen Beteiligten zu verdanken, dass wir es trotzdem geschafft haben.“

Valentin Sysel, der aus Wien stammt, aber seit Jahren in Tirol als Filmschaffender lebt und arbeitet, kann sich Kritik an der Filmszene nicht verkneifen: „Alles konzentriert sich auf den Osten. Dass im Westen eine sehr aktive und kreative Szene existiert, wird einfach ignoriert.“ Dass „New Kaisertal City“ keinerlei Förderungen aus „Wiener Töpfen“ erhielt, ärgert ihn: „Das ist Ausdruck dieser Arroganz.“ Auch alle Versuche, den Film bei Festivals in Ostösterreich unterzubringen, scheiterten. Wer den Film sehen will, kann die DVD direkt bei Sysel kaufen. www.brennweit.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2009)

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