„Der Staat gegen Fritz Bauer“: Auf der Spur von Adolf Eichmann

Der Statt gegen Fritz Bauer
Der Statt gegen Fritz Bauer(c) Martin Valentin Menke
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Lars Kraume würdigt mit „Der Staat gegen Fritz Bauer“ jenen Generalstaatsanwalt, der gegen viel Widerstand die Auschwitzprozesse in Frankfurt initiierte. Ein beachtlicher Film.

Hier wird in Büros und Dienstwagen so hemmungslos geraucht und exzessiv getrunken, als ob man sich in der TV-Kultserie „Mad Men“ befindet, die die Sechzigerjahre verklärt. Doch die Schauplätze dieses Films sind nicht in New York, sondern, wie man auch an den Möbeln sieht, in der Bundesrepublik Deutschland der späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre. „Der Staat gegen Fritz Bauer“ atmet den Geist der Ära Adenauer – in jener Phase, als hochrangige Nazis längst wieder im Staatsapparat integriert waren und dank Marshallplan das Wirtschaftswunder blühte.

Ein Mann hat nach dem Zweiten Weltkrieg gegen das Vergessen besonders energisch gekämpft: Sozialdemokrat Fritz Bauer, der das KZ überlebt hatte und 1956 bis 1968 als Generalstaatsanwalt von Hessen wirkte. Seine Arbeit war wesentlich dafür, dass es in Frankfurt am Main zu den Auschwitzprozessen 1963 bis 1968 kam, einem wichtigen Impuls für die Vergangenheitsbewältigung.

Zusammenarbeit mit dem Mossad

Diese Prozesse werden hier vom Protagonisten nur kurz angedacht. Regisseur Lars Kraume hat aus einem anderen, ebenso wichtigen Aspekt von Bauers Biografie einen bemerkenswerten Film gemacht. Der Generalstaatsanwalt trug, wie sich erst ein Jahrzehnt nach seinem Tod 1968 herausstellte, entscheidend dazu bei, dass der Geheimdienst des jungen Staates Israel den SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann aus Argentinien entführen und in Jerusalem in einem Prozess wegen dessen Schlüsselrolle im Holocaust zur Verantwortung ziehen konnte. Dass Bauer den Fluchtort Eichmanns dem Mossad verriet, hätte damals in der BRD als Landesverrat ausgelegt werden können.

Wie der Generalstaatsanwalt in einem feindlichen Umfeld von Ehemaligen, die bei den Geheimdiensten, in Politik und Justiz längst wieder ein Netzwerk geknüpft haben, dennoch seine Ziele erreicht, wird in einer spannenden Mischung aus Fakten und Fiktion dargestellt. Burghart Klaußner ist in der Hauptrolle kongenial. Man meint in Gestik und Mimik keinen Unterschied zu erkennen im Vergleich mit der kurzen Originalaufnahme Bauers, die eingespielt wird. Er ist von Anfang an gefährdet. Nur durch Zufall wird der überarbeitete, mit Mord bedrohte Mann von seinem Chauffeur vor dem Ertrinken in der Badewanne gerettet. Zu viel Rotwein und Schlaftabletten. Ein Selbstmord? Seine Gegner wollen das so drehen, lassen noch mehr Tabletten verschwinden. Da hätte er seine Waffe genommen, knurrt der Generalstaatsanwalt, als er ganz direkt auf einen Suizidversuch angesprochen wird.

Ihm zur Seite steht ein junger Staatsanwalt. Ronald Zehrfeld spielt diesen fiktiven Angermann, der wie Bauer homosexuelle Neigungen hat und diese schließlich auslebt. Das war damals noch strafbar (Paragraf 175 aus der Kaiserzeit blieb bis 1994 gültig). Hier sorgt das höchst Private für Spannung. Zwei alte Nazis, Oberstaatsanwalt Kreidler (Sebastian Blomberg) und BKA-Mitarbeiter Gebhardt (Jörg Schüttauf), die Bauers Arbeit konsequent behindern, verwenden die sexuellen Vorlieben der Protagonisten gegen diese, sie schrecken auch nicht vor Lügen, Erpressung und Verrat zurück.

Rosa Luxemburg in den Amtsräumen

Bauer hat jedoch einen starken Verbündeten: Dieses sehenswerte Stück Zeitgeschichte mit feiner Charakterzeichnung ist auch eine Würdigung von Hessens Ministerpräsident Georg-August Zinn (Götz Schubert), der seinen sozialdemokratischen Mitkämpfer Bauer schützte. Bei dessen ersten Besuch in den Amtsräumen Zinns hängt dort noch ein Bild von Rosa Luxemburg. Später wird die 1919 in Berlin ermordete Marxistin durch ein schmuckes Landschaftsbild ersetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

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