»Fühlen, wie es auf dem Seil ist«

Robert Zemeckis
Robert Zemeckis(c) AFP (TORU YAMANAKA)
  • Drucken

Gerade hat Regielegende Robert Zemeckis das 30-Jahr-Jubiläum seines Klassikers »Zurück in die Zukunft« gefeiert – jetzt wagt er sich in die Vergangenheit: In »The Walk« geht es um den legendären Seiltänzer Philippe Petit.

Für Millionen Filmfans weltweit war der 21. Oktober 2015 ein besonderer Tag – denn genau zu diesem Datum landete Marty McFly, der zeitreisende Held aus Robert Zemeckis' „Zurück in die Zukunft“-Trilogie, bei seinem Trip in die Zukunft. Dass die heutige Realität ein wenig anders aussieht als Zemeckis' damalige Vision, stört die Hollywood-Legende („Forrest Gump“, „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, „Cast Away“) wenig: „Es war ja nur eine Geschichte. Sicher wäre es toll, würden wir uns jetzt wirklich auf schwebenden Skateboards fortbewegen, aber das wird schon noch kommen.“

Mit seinem neuesten Film hat sich der Regisseur auch wieder – buchstäblich – hoch hinaus gewagt. In „The Walk“ porträtiert er den berühmten französischen Seiltänzer Philippe Petit (gespielt von Joseph Gordon-Levitt) und dessen wahrlich aufsehenerregenden Stunt.

1974 balancierte Petit auf einem in 400 Metern Höhe gespannten Drahtseil von einem der Twin Towers des World Trade Center zum anderen. Zemeckis zeigt den spektakulären Drahtseilakt in im wahrsten Sinne des Wortes schwindelerregenden 3-D-Bildern.

Höhenangst ist ein beliebtes Kinomotiv. Alfred Hitchcock hat diesem Phänomen mit „Vertigo“ ja sogar einen ganzen Film gewidmet.

Robert Zemeckis: Natürlich. Jeder Filmemacher trachtet ja danach, der zweidimensionalen Leinwand Tiefe zu geben. Und wie könnte man das noch deutlicher machen? Das war mir bei diesem Film auch ganz wichtig, ich wollte unbedingt, dass das Publikum echte Höhenangst am eigenen Leib spürt. Dazu habe ich mir so gut wie alle Filme angesehen, die es zu diesem Thema gibt, und habe viele Stunden auf schmalen Simsen von hohen Gebäuden verbracht. Der Zuschauer soll fühlen, wie es ist, auf diesem Seil zu stehen.

Sie haben für diesen Film auch das World Trade Center fantastisch wiederauferstehen lassen. Die Türme wirken fast erschreckend real.

Das freut mich, dass es so gut gelungen ist! Es war auch eine enorme Herausforderung. Wir haben dafür jahrelang recherchiert, und ich glaube, wir haben jedes einzelne Foto angeschaut, das in den Siebzigerjahren von den Türmen gemacht wurde. Es war wichtig, einen Eindruck der Raumtiefe zu erzeugen, um wirklich das Gefühl zu wecken, da oben auf dem Dach quasi mit Philippe zu sein. Wir haben extrem viel mit Atmosphäre experimentiert und auch mit Performance-Capture-Technik gearbeitet. Dieser Film ist das Resultat und der absolute Höhepunkt aller Filme mit visuellen Effekten, die ich je gemacht habe: Alles, was ich gelernt habe, von „Zurück in die Zukunft“ über „Forrest Gump“ bis „Die Legende von Beowulf“, konnte ich hier irgendwie verwenden.

Sie haben ja auch sehr lang an dieser Geschichte gearbeitet.

Ja, wir haben bereits 2006 begonnen, mit Philippe Petit über die Rechte für seine Lebensgeschichte zu verhandeln. Meine Idee war, im Film wirklich erlebbar zu machen, wie es ist, auf einem Hochseil zwischen den Twin Towers zu tanzen – also das zu fühlen, was der Künstler fühlt, und nicht nur von unten hinaufzustarren. Es gab ja 2008 bereits die Doku „Man on Wire“, die sogar den Oscar bekommen hat. Das ist ein toller Film, keine Frage – aber er kann eben das, worum es eigentlich geht, nicht herzeigen, weil damals niemand mitgefilmt hat. Die Story drumherum ist natürlich fantastisch und aufregend – es ist ja fast eine Gangstergeschichte, nichts von Philippes Stunt war irgendwie legal. Aber wir können nun in „The Walk“ auch die Performance selbst zeigen – und das so spektakulär wie möglich.

Sie haben Philippe gut kennengelernt. Wie schätzen Sie ihn ein?

Er ist ein erstaunlicher Mann, und mir gefällt, wie dieses Abenteuer den Künstler in ihm definiert. Genau davon handelt die Geschichte: von seiner Leidenschaft für diese Unternehmung. Er hat auch darauf bestanden, Joseph Gordon-Levitt persönlich seine Kunst beizubringen. Er fand ein altes Lagerhaus und richtete darin ein regelrechtes Seiltanztrainingszentrum ein, und dort arbeitete er mit Joseph acht Stunden täglich, bis er sich wirklich sicher auf dem Drahtseil bewegen konnte. Am Schluss war er so gut, dass er sich den „Walk“ wahrscheinlich sogar in echt zugetraut hätte.

Steckbrief

Robert Lee Zemeckis, geboren 1952 in den USA, erhielt 1995 für „Forrest Gump“ (Hauptrolle: Tom Hanks) den Regie-Oscar. Und den Regie-Golden-Globe.

Der Regisseur und Produzent (Zemeckis betätigt sich auch politisch, nämlich für die Demokratische Partei in den Vereinigten Staaten) wurde außerdem durch Filme wie „Zurück in die Zukunft“, „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, „Contact“, „Cast Away“ (ebenfalls mit Hanks) oder etwa „Der Polarexpress“ bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.