This Human World: Geschichten von Elend und Hoffnung

Kein Paradies. „Mediterranea“ schildert Flüchtlingsleben in Süditalien.
Kein Paradies. „Mediterranea“ schildert Flüchtlingsleben in Süditalien.(c) Filmladen Filmverleih
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Das Filmfestival This Human World präsentiert neue Filme zum Thema Menschenrechte. Diesmal mit besonderem Fokus auf Armut und Flucht.

„Ich glaube nicht, dass Kunst die Welt verändern kann“, sagt Zora Bachmann vorweg. Trotzdem sind die künstlerische Leiterin des Wiener internationalen Filmfestivals This Human World und auch dessen kaufmännischer Leiter, Julian Berner, überzeugt, dass die Filme ihres Festivals neue Diskurse und Blickwinkel eröffnen können. Und die Möglichkeit bieten, sich in andere hineinzuversetzen, vielleicht um zu erkennen, dass es weniger darum geht auseinanderzudividieren, sondern vielmehr darum, dass eigentlich alle gleich an Rechten und Würde geboren sind. Nach dieser Conditio humana fragt auch das Programm der nun achten Ausgabe von This Human World. Zum Überthema Menschenrechte verhandeln wieder Filme aus der ganzen Welt, die außerhalb des Festivals kaum Eingang in den Kinobetrieb finden, gesellschaftspolitische Herausforderungen, Konflikte, Lebensrealitäten und -entwürfe. Im Zentrum stehen dieses Jahr zwei Themenfelder: Armut und Flucht. „Das sind Themen, die für uns in all den Jahren essenziell waren“, erklärt Bachmann. „Dass sie heuer Schwerpunkte sind, hat u. a. mit der Dringlichkeit zu tun, die wir sehen. Armut etwa ist in Europa in den vergangenen Jahren viel auffälliger geworden.“ Auch zum Thema Flucht gebe es derzeit auffällig viele Filme, bedingt durch die großen Migrationsströme und die europäische Flüchtlingspolitik: „Das Thema hat sich schon lang abgezeichnet, sodass es Auseinandersetzung damit braucht“, meint Berner.

Elendsviertel.  „River Memories“ zeigt Armut am Ufer des Flusses Stura bei Turin.
Elendsviertel. „River Memories“ zeigt Armut am Ufer des Flusses Stura bei Turin.(c) La Sarraz Pictures

Schicksale fern und nah. Der Schwerpunkt zu Flucht nennt sich „This Human Tracks“ und ist „sehr groß und vielfältig geworden“, so Bachmann. Die Filme erzählen vom beschwerlichen Weg in die Festung Europa („Hope“) oder von Hoffnungslosigkeit an deren Rand („Those Who Feel the Fire Burning“). Jonas Carpignanos Spielfilmdebüt „Mediterranea“ schildert die Geschichte zweier befreundeter Afrikaner, denen die Flucht gelungen ist. Gelandet auf einer Orangenplantage in Süditalien, besteht ihr Kampf um ein menschenwürdiges Leben dort allerdings weiter fort. „Es geht thematisch um die Frage ,Man kommt an – und dann?‘. Und um Leute, die von den demokratischen Rechtsstaaten völlig alleingelassen werden“, beschreibt Bachmann den Hintergrund zu Carpignanos Film. Auch die Lage in Syrien kommt wieder – vergangenes Jahr gab es dazu einen eigenen Schwerpunkt – in Filmen vor. Für „A Syrian Love Story“ hat zum Beispiel Regisseur Sean McAllister eine syrische Familie, die aufgrund des Assad-Regimes zur Flucht gezwungen war, fünf Jahre lang begleitet. Dabei entstand eine Geschichte über Revolution und Frieden, Heimat und Liebe.

Wie immer bei This Human World vertieft ein Rahmenprogramm mit Diskussionen oder Workshops die Inhalte der Filme. Ein neues Format zum Thema Flucht ist hierbei das Austausch- und Vernetzungstreffen Open Space: Refugee Support. In dessen Rahmen gibt es Filme zu sehen, die jugendliche Flüchtlinge in Traiskirchen bei Workshops mit Filmemachern gedreht haben. „Wir waren schockiert, dass dort so viele Menschen sind, denen in keiner Form etwas angeboten wird“, erklärt Bachmann die Motivation, den Jugendlichen so Beschäftigung und ein Sprachrohr zu bieten. Aus dem Projekt ist auch der diesjährige Festivaltrailer entstanden.

Liebe. „A Syrian Love Story“ erzählt von einer geflüchteten Familie.
Liebe. „A Syrian Love Story“ erzählt von einer geflüchteten Familie.(c) 10Ft Films Ltd.

Die Filme des zweiten thematischen Schwerpunkts, „This Human Poverty“, erzählen insbesondere Geschichten von Armut vor unserer Haustür – von einem Europa, das nichts mit Wohlstand und Sicherheit zu tun hat. Gianluca und Massimiliano De Serios „River Memories“ dokumentiert, wie Menschen in Europas größtem Elendsviertel bei Turin in Hütten ohne Strom und fließendes Wasser hausen. Antej Faracs „Annelie“ zeigt, dass Armut auch in einer reichen Stadt wie München existiert. Der Film handelt vom turbulenten Treiben „Unvermittelbarer“ in einer ehemaligen Pension am Rand der Gesellschaft. Gern hätten Bachmann und Berner ebenso einen Beitrag aus Wien gezeigt, denn auch hier fallen ihnen immer mehr Menschen auf, die unter der Armutsgrenze leben. Dass kein solcher dabei ist, soll die Auseinandersetzung im Rahmenprogramm wiedergutmachen: „Wir haben einen Workshop, wo Bettler aus Wien einfach mal erzählen“, nennt Bachmann einen Programmpunkt.

Qualität statt Krisenspiegel. „Es ist nicht immer notwendig, weit weg zu schauen, wenn es um die Auseinandersetzung mit Menschenrechten geht“, sagt Berner. Ein lokaler Bezug ist auch in Form der Unterstützung österreichischer Filmschaffender ein essenzieller Punkt des Festivals. Dieses Jahr gibt es zum ersten Mal einen Preis für hiesige Filmproduktionen. Zudem soll der internationale Wettbewerb junges Filmschaffen fördern; einer von sieben Preisanwärterfilmen ist Michal Viniks „Barash“ über Jugendliche in Israel. Neben den Themen Flucht und Armut und den Wettbewerbsschienen stehen außerdem Filme aus Lateinamerika und der Kaukasusregion, das Thema Arbeitswelt oder auch Fragen der Selbstermächtigung in queer-feministischen Pornos auf dem Programm. Insgesamt werden über siebzig Spiel- und Dokumentarfilme gezeigt – dennoch können bei Weitem nicht alle brisanten Fragen verhandelt werden.

Unvermittelbar. In „Annelie“ leben Menschen am Rand der Gesellschaft.
Unvermittelbar. In „Annelie“ leben Menschen am Rand der Gesellschaft.(c) El Patrol Art

„Uns ist wichtig: Es ist kein Spiegel von aktuellen Krisen“, sagt Bachmann. „Wir lesen nicht die Charta der Menschenrechte und überlegen dann, was wir brauchen. Wir sind vorrangig ein Filmfestival.“ Bei der Programmierung stünden daher die künstlerische und handwerkliche Qualität der Filme im Vordergrund. „Es ist eine lustvolle Auseinandersetzung mit dem Kino“, meint auch Berner. Kritik, die dann von mancher Seite komme, die sich unterrepräsentiert fühle, könne dem Team keine Motivation nehmen. Wenn man schließlich beim Festival erlebe, dass es für einige Filmemacher die Welt bedeute, dass ihnen endlich jemand interessiert zuhöre, erkläre sich der Sinn der Tätigkeit von selbst, so Berner: „Wenn wir vorher gesagt haben, Filme ändern nichts: Für einzelne Personen ändern sie immer wahnsinnig viel."

Tipp

This Human World. Internationales Filmfestival der Menschenrechte, 3.–11. 12. in Wien,
Spielstätten: Gartenbaukino, Filmcasino, Top-Kino, Schikaneder, Brunnenpassage u. a.
www.thishumanworld.com

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