„Arlo & Spot“: Wilde Menschen und zahme Dinos

Arlo & Spot
Arlo & Spot(c) Disney
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Nach dem grandios verstörenden „Alles steht Kopf“ bringt Pixar pünktlich vor dem Weihnachtsfest mit „Arlo & Spot“ einen betulichen Familienfilm in die Kinos.

Das Beste an diesem Film sind die ersten 20 Sekunden. Ästhetisch, inhaltlich und hinsichtlich der 3-D-Effekte: Wir sehen Asteroiden auf ihrer Reise durchs weite, dunkle All. Einer wird aus der Bahn gekickt, rast Richtung Erde, wo ein paar Dinosaurier kurz aufschrecken: Was fliegt denn da? Ein Feuerball! Doch Glück gehabt, er verfehlt die Erde knapp und zieht weiter.

Der Asteroideneinschlag, der die Dinosaurier ausgelöscht hat oder zumindest mitgeholfen hat, sie auszulöschen, und damit den Säugetieren die Chance gegeben hat, sich zu entwickeln: Er findet in der jüngsten Pixar-Produktion nicht statt. Und deshalb zeigt die nächste Einstellung ein Brontosaurier-Pärchen bei der Feldarbeit.

Hier sind wir beim ersten Ärgernis dieses Films: Diese Brontosaurier sind lieblos gezeichnet. Ihre Körper wirken wie aus Plastilin geknetet, ihre Haut ist knallgrün, ohne jede Struktur, ihre Gesichter erlauben kaum Mimik. Da sind nur die primitivsten Gefühlsausdrücke ablesbar, etwa Freude, als aus den Eiern der ersehnte Nachwuchs schlüpft: Zuerst ein fürwitziges kleines Mädchen, dann ein Bub, dessen erste Aktion darin besteht, sich einen Knüppel zu schnappen und auf das letzte, das dritte Ei einzudreschen. Darin versteckt und noch nicht bereit, sich dem Licht der Welt auszusetzen: Arlo, der schüchterne Dino, unser Held Nummer eins.

Held Nummer zwei nennt sich Spot, es ist ein kleines Menschlein, das sich aufführt wie ein Wolf: Spot heult den Mond an, wenn er traurig ist, fletscht die Zähne, wenn er zornig ist, und ist im Übrigen ein behänder, furchtloser Jäger, dessen Zähne man lieber nicht im Fleisch fühlen möchte. Denn während die Dinos auf dem Stand des Homo sapiens sapiens sind, sind die Menschen in diesem Film noch auf einer ziemlich primitiven Stufe, sie haben keine Sprache, laufen auf allen Vieren, ernähren sich von rohem Fleisch, tragen aber Felle bzw. kleine Höschen aus Blättern. Das mag zwar nicht ganz zusammenpassen, aber bitte: Es geht hier ja schließlich nicht um Wissenschaft.

Prächtige Landschaften

Es geht um Freundschaft: Diese entwickelt sich, als Spot das Maislager der Dino-Familie plündert und dafür von Arlo verfolgt wird. So beginnt für die beiden eine Reise in die weite Welt, die den kleinen Dino am Ende wieder gereift in die Arme seine Familie zurückführen wird, was nicht originell ist, aber solide: Etwa die Hälfte aller Kinderfilme und Kinderbücher erzählen diese Geschichte, ob „Findet Nemo“ oder „Lars, der kleine Eisbär“, ob Endes „Jim Knopf“ oder „Pinocchio“, und manche finden dabei zu überraschenden Wendungen.

„Arlo & Spot“ leider nicht. Schlimmer noch, die Geschichte wirkt völlig zusammenhanglos, zerstreuter, als man das von Kinderfilmen in Zeiten der Computerspiele ohnehin gewohnt ist: Das liegt vermutlich daran, dass mehrere Regisseure mitgewirkt haben, bis dann schließlich Peter Sohn die Endfertigung übernahm. Eine Episode wird von der nächsten abgelöst, manche sind besser, manche schlechter gelungen: Hübsch, auch wenn sie hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt, ist etwa die Szene mit einem phlegmatischen Styracosaurus, der sich allerlei Schoßtiere hält, darunter eines, das er „Spießer“ nennt und das ihn vor unrealistischen Erwartungen bewahren soll. Da spürt man ein wenig vom Pixar-Esprit.

Stets fantastisch dagegen, vor allem im Vergleich mit der plumpen Zeichnung der Figuren: die Landschaftsdarstellungen. Als wäre die ganze Kreativität in die Aufgabe geflossen, möglichst prächtig dunkle Wälder, majestätische Berge, brodelnde Bäche zu zeichnen! Die Felder sind weit und sanft, die Gebirgsseen so tief und klar, dass man eintauchen möchte.

In dieser Landschaft jedenfalls lernt der schüchterne Saurier vom mutigen Menschlein, wie man seinen Mann steht, wie man schwimmt, klettert, kämpft und einen Flugsaurier erlegt. Unterwegs kommt ihm dann sein Freund allerdings abhanden – er bleibt bei einer wildfremden Menschenfamilie. Weil Freundschaft am Ende doch nicht so wichtig ist? Weil Mensch nun einmal Mensch bleibt und der Dino ein Dino? Seltsame Moral für einen Kinderfilm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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