Der Krampus, nach Hollywood verpflanzt

Krampus
Krampus(c) Universal Pictures
  • Drucken

Geister aus der Alten Welt: Michael Dougherty, Experte für Feiertagsschrecken, hat aus dem haarigen Teufelskerl ein durch und durch amerikanisches Monster gemacht. Mit wenig alpiner Folklore und viel Vorstadtamerika.

Wenn du am 5. Dezember die Glocken hörst, dann lauf! Diesem Rat folgt man – insbesondere als Kind – im ländlichen Alpenraum besser. Ansonsten ist es nämlich gut möglich oder sogar wahrscheinlich, dass man einem Krampus in die fellbesetzten Arme läuft . . .

Das dürfte auch Christoph Waltz als Kind passiert sein: Im Dezember letzten Jahres saß der erfolgreichste heimische Kulturbotschafter seit Arnold Schwarzenegger in einer US-Talkshow und erklärte dem schockierten Publikum das österreichische Brauchtum des Krampus. Es wäre vermessen, aus diesem Auftritt ein Aufflammen eines internationalen Interesses am „Ganggerl“, wie man das haarige Biest in Tirol nennt, abzuleiten. Aber immerhin läuft nun die amerikanische Horrorkomödie „Krampus“ weltweit in den Kinos – und verkocht die folkloristischen Kodizes von hüben und drüben zu einer eigentümlichen, wenn auch zuweilen schmackhaften Brühe. Auslöffeln muss sie der Zuschauer, etwa wenn er in den ersten 30 Minuten zum x-ten Mal mit einer klassischen Konstellation von Vorstadtamerikanern konfrontiert wird.

Tom (Adam Scott, bekannt aus der fabelhaften TV-Comedy „Parks & Recreation“) und seine Frau Sarah (Toni Collette) schmeißen wie jedes Jahr mehr aus Pflichtbewusstsein denn Herzensfreude ein Weihnachtsfest für ihre illustre Verwandtschaft: darunter eine kugelrunde, alkoholkranke Tante sowie der republikanisch gesinnte Howard inklusive Kind und Kegel, eine Sippe aus dem Trailer-Trash-Land und drastisches Beispiel dafür, wie das US-Durchschnittskino fehlende finanzielle Mittel mit schlechtem Geschmack und noch mieseren Manieren gleichsetzt. Toms und Sarahs Sohn Max (Emjay Anthony) graust vor diesem rohen Menschenschlag: Lieber sitzt er mit seiner deutschstämmigen Omi (Krista Stadler in ihrer ersten – und wahrscheinlich auch letzten – Hollywoodrolle) vorm prasselnden Kaminfeuer und lauscht ihren Geschichten.

Am Festtagstisch platzt dem Stöpsel dann allerdings doch der Kragen. Voller Wut zerreißt er seinen Brief an den Weihnachtsmann und wirft ihn zum Fenster hinaus in die Winterkälte. Wenige Momente später befindet sich das Familienhaus im Auge eines Eissturms, und auf dessen Böen reiten die Geister und Dämonen der Alten Welt ein.

Regisseur Michael Dougherty ist Experte für Feiertagsschrecken: Sein beeindruckendes Debüt, „Trick 'r Treat“ (2007), hat sich längst zum Kultfilm entwickelt. Darin schlägt er in mehreren Episoden eine ästhetische und inhaltliche Brücke vom altirischen heidnischen Samhain-Fest zum modernen amerikanischen Halloween. Die Figur des Sam, eines diabolischen Kindes (?) mit Kartoffelsackmaske über dem Gesicht, hat sich rasch im popkulturellen Gedächtnis verankert und gilt mittlerweile neben Michael Myers als zweite große Ikone des Gruselfests.

Teddybär mit Reißzähnen

Ein vergleichbarer Aufschlag gelingt Dougherty mit „Krampus“ nicht. Das liegt vor allem daran, dass die Drehbuchautoren Todd Casey und Zach Shields die alpine Folklore kaum anzapfen, sondern sich vor allem an der für Amerikaner offenbar sehr ungewöhnlichen bis ketzerischen Idee eines Weihnachtsdämons abarbeiten. Ihr Krampus ist eine infernalische Kreatur, ein gewaltiger Brocken aus Fell und Muskeln, das Ausmaß seiner Hufe lässt eher an einen Stier denken als an die unzweifelhaft teufelsnähere Ziege. Anstatt in Massen aufzutreten, wie hierzulande etwa im Krampus-Pass üblich, wird er zur Höllengestalt mit Alleinstellungsmerkmal erklärt, einer mit Ketten und Glocken behangenen Überbestie, die eine Heerschar von grausigen Kreaturen kommandiert.

Dougherty brennt in seinem zweiten Langfilm das ganz große Monsterfeuerwerk ab und macht das lobenswerterweise auch großteils mit analogen Effekten. Sein Krampus hat einen Beutel bei sich, aus dem allerlei horribles Spielzeug kriecht: ein Springteufel etwa, in dessen Maul die Kinder verschwinden. Oder auch ein mit Reißzähnen bewehrter Teddybär. Krista Stadlers entrückte Figur der Omi – im englischen Original spricht sie Deutsch, in der Synchronfassung Vorarlbergisch – fällt die Rolle zu, die Mythologie hinter all dem Wahnsinn zu entspinnen: Eine wunderschöne Animationssequenz erzählt von ihrer ersten Begegnung mit dem Krampus, der immer dann „als Schatten des Weihnachtsmanns“ in Erscheinung tritt, wenn sich ein Kind etwas Böses wünscht. „Krampus“ ist eine taugliche Horrorkomödie: Die Titelfigur wird zu einem simplifizierten „Boogey Man“ eingedampft, und wenn man dem Monstrum im letzten Filmdrittel zum ersten Mal in die Fratze blickt, dann erkennt man darin sowohl Merkmale des Heiligen Nikolaus (den Rauschebart etwa) als auch des Krampus.

Man hat es hier also mit einer hybridisierten Kreatur zu tun, einem Bastard, zusammengekratzt aus ikonischen Elementen der Alpenfolklore und durch die Mythosmaschine gejagt. Verpflanzt in ein klassisches Hollywoodsetting wird dieser Albtraum aus der Kindheit zu einem durch und durch amerikanischen Monster, das sich auf Halloweenpartys ebenso zu Hause fühlt wie als Actionfigur im Regal eines Spielzeugladens.

Und dann erinnert man sich wieder an die Angst vor den Glocken, an die Schreie der anderen Kinder und ans Verstecken in Hauseingängen, an die Weidenruten und bedrohlich scheppernden Ketten, an das Feuer, das durchs Nachtschwarz leuchtet. An den Krampus, mit dem dieser Film nichts zu tun hat.

EINE ÖSTERREICHERIN ALS OMI IM US-FILM „KRAMPUS“

Krista Stadler, geboren 1942 in Wien, spielte am Theater an der Wien, im Volkstheater, in der Josefstadt und bei den Salzburger Festspielen, aber auch in vielen Filmen, so war sie in Karin Brandauers Märchenverfilmung „Aschenputtel“ die böse Stiefmutter. Die „Omi“ im Film „Krampus“ ist ihre erste Rolle außerhalb Europas: „Ich glaube, es gibt in Amerika keine Schauspielerin, die nicht operiert ist und im Gesicht auch aussieht wie 70“, meinte sie im APA-Interview. Sie sei „die österreichische Antwort auf Halloween“: „Die haben Halloween hierher exportiert, wir exportieren den Krampus.“ [ Universal Pictures ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.