Lob der Miniserien

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Produktionen wie "The Night Manager" (neu auf Amazon), "American Crime" oder "Olive Kitteridge" erzählen abgeschlossene Geschichten - und können sich dabei Zeit lassen.

John le Carré ist zufrieden – und das ist er nicht sehr oft: Ein „unerwartetes Wunder“ sei die neueste Adaption seines 1993 erschienenen Thrillers „The Night Manager“, die seit Kurzem bei Amazon Video zu sehen ist. Zweimal wurde der Roman bereits verfilmt, überzeugen konnte keine der Produktionen, aber die dänische Regisseurin Susanne Bier hat es für die BBC noch einmal gewagt: In acht Folgen à 45 Minuten erzählt sie die Geschichte des Jonathan Pine, eines Hotelangestellten, der als Spitzel für den britischen Geheimdienst dabei helfen soll, die Machenschaften eines Waffenhändlers aufzudecken: Richard Onslow Roper, gespielt von Hugh Laurie (Dr. House), gibt sich in der Öffentlichkeit gern als Wohltäter, schreckt aber in Wahrheit nicht davor zurück, Terroristen und Diktatoren mit dem chemischen Kampfstoff Sarin zu versorgen.

Nun ließe sich die Geschichte auch in zwei Stunden abhandeln, in jedem durchschnittlichen James-Bond-Film passiert mehr als hier in sechs Stunden. Doch darum geht es nicht: „The Night Manager“ hat nämlich Zeit, das Katz-und-Maus-Spiel auszukosten. Wir beobachten den mehrmals Namen und Identität wechselnden Amateurspion (Tom Hiddleston), wie er sich von Roper und seiner Crew ins mallorquinische Anwesen verschleppen lässt und sich dann in den engsten Zirkel des Schurken hochintrigiert. Jederzeit kann er auffliegen, alles könnte ihn verraten: eine hochgezogene Augenbraue beim stilvollen Abendessen in La Fortaleza, einem riesigen Anwesen. Ein zu langer Blick auf die schöne Jed (Elizabeth Debicki), die Geliebte Ropers. Oder eine falsche Reaktion, als ihm der versprochene Pass doch nicht gleich ausgehändigt wird: In seiner Rolle als unfreiwilliger Gast Ropers muss er Enttäuschung mimen. Als eingeschmuggelter Agent weiß er: Er ist seinem Ziel einen Schritt näher gekommen.

Die BBC als Vorreiterin

„The Night Manager“ ist eine klassische Miniserie. Sie erzählt eine abgeschlossene Geschichte, gerät so nicht in Gefahr, ins Beliebige abzudriften, hat aber Zeit genug ist, Stimmungen und Charaktere zu entwickeln. Kein Wunder, dass viele Miniserien, oder Limited Series, wie sie mittlerweile auch genannt werden, auf Romanen basieren, gerade die BBC hat diesbezüglich etliche Erfolge vorzuweisen. Aber die US-Amerikaner ziehen nach: Ein besonderer Glücksgriff war die mit sechs Emmys ausgezeichnete, vier Folgen lange Serie „Olive Kitteridge“, eine Adaption von Elizabeth Strouts gleichnamigem Werk, das auf Deutsch unter dem Titel „Mit Blick aufs Meer“ erschienen ist. Ein bisschen düsterer als das Original ist diese Serie geraten, aber nicht minder intensiv: das Leben einer eigenwilligen Frau, der Kosmos einer Kleinstadt.

Immer häufiger suchen Drehbuchschreiber aber auch von sich aus die Beschränkung, etwa David Simon, der schon in „The Wire“ fast miniserienmäßig verschiedene Aspekte des Lebens in Baltimore beleuchtet hat: „Show Me a Hero“ begibt sich wiederum in die Niederungen der Politik – und zwar weitaus realistischer als das „House of Cards“ je getan hat: Der unerfahrene Bürgermeister einer US-Stadt errichtet gegen den Willen der dort ansässigen Bürger in „weißen“ Vierteln Sozialhilfewohnungen.

Beliebt ist auch die Variante, die „Fargo“ und „True Detective“ salonfähig gemacht haben: Es werden mehrere Staffeln gedreht, doch diese bauen nicht mehr aufeinander auf, haben oft gar nichts miteinander zu tun, außer dass sie auf einem ähnlichen Erzählprinzip beruhen. Derzeit folgt etwa die hierzulande kaum bekannte Serie „American Crime“ (nicht zu verwechseln mit „American Crime Story“) diesem Muster, deren zweite Staffel bei Sky läuft. Die erste Staffel war ein Paradebeispiel dafür, was eine Miniserie kann: nämlich eine Geschichte aus dem Blickwinkel mehrerer Figuren zu erzählen, wobei die Beweg- und Abgründe jeder einzelnen deutlich werden. Das ist manchmal fast quälend realistisch. Aber in jedem Fall zehn Episoden wert.

SERIEN-TIPPS

„The Night Manager“ mit Hugh Laurie und Tom Hiddleston beruht auf einem Roman von John le Carré (Erstausstrahlung bei Amazon Video).

„American Crime“: In der ersten Staffel spielen Felicity Huffman und Timothy Hutton ein geschiedenes Paar, in der zweiten eine Schuldirektorin und einen Basketball-Coach (Sky).

„Olive Kitteridge“ erhielt 2015 sechs Emmys, darunter den für die beste Miniserie, und ist ab 1. Juni auf Sky zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2016)

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