„Money Monster“: Wie Clooney zum Wutbürger wird

Hüftschwünge, für die sich seine Tanztutorin schämt: George Clooney als TV-Moderator, der mit Tänzchen auf seine dubiosen Anlagetipps einstimmt – bis ein durch sie Ruinierter die Sendung stürmt . . .
Hüftschwünge, für die sich seine Tanztutorin schämt: George Clooney als TV-Moderator, der mit Tänzchen auf seine dubiosen Anlagetipps einstimmt – bis ein durch sie Ruinierter die Sendung stürmt . . .(c) Sony Pictures
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In Cannes lief Jodie Fosters Thriller „Money Monster“ mit George Clooney und Julia Roberts: Als Suspensestück unterhaltsam, als Morallektion zur Finanzkrise plump.

George Clooney ist kein guter Tänzer. Davon kann man sich in Jodie Fosters Film „Money Monster“ überzeugen, der gestern in Cannes Premiere hatte. Bei der Pressekonferenz gab der gut gelaunte Schauspieler zu, sein Hip-Hop-Hüftschwung im Film sei nicht choreografiert: Als er ihn vor seiner Tanztutorin ausprobierte, ließ sie ihn nur unter der Bedingung gewähren, dass man sie nicht dafür verantwortlich macht. Macht nichts: „Money Monster“, der außer Konkurrenz gezeigt wird und am 26. Mai auch in den heimischen Kinos startet, ist kein Musical, sondern Systemkritik im Genrekostüm.

Jodie Foster hat sich dabei zweifellos von einem Medienereignis inspirieren lassen. 2009 verspottete der US-Satiriker Jon Stewart in seiner Sendung „The Daily Show“ den bekannten TV-Finanzberater Jim Cramer für dessen irreführende Spekulationstipps kurz vor der Börsenkrise. Bald darauf hielt er ihm in einem Interview eine Standpauke, die sein Gast angesichts der Belege für die Unzuverlässigkeit seiner Prognosen reumütig über sich ergehen ließ. Er gab zu, Fehler gemacht zu haben, und versprach, sich zu bessern.

„Mad Money“-Show war reales Vorbild

„Money Monster“ heißt im Film eine Show, die deutlich an Cramers „Mad Money“ angelehnt ist: Moderator Lee Gates (Clooney) ist mehr flamboyanter Entertainer als seriöser Konsultant. Für ihn ist alles nur ein Spiel: Sein Publikum stimmt er mit den erwähnten Tänzen und leicht bekleideten Backgroundtänzerinnen auf seine dubiosen Anlagevorschläge ein, und bei Gesprächen mit Wall-Street-Granden hält er sich grundsätzlich an deren Fragenkataloge. Doch die Wirklichkeit holt ihn ein, als der verzweifelte Kyle (Jack O'Connell) in seine Livesendung platzt. Mit Waffengewalt zwingt er Gates, eine Bombenweste anzuziehen, und fordert Schadenersatz: Auf die Empfehlung des TV-Stars hin hat er sein ganzes Geld auf die Firma Ibis Clear Capital gesetzt, deren Aktienkurs abstürzte – vorgeblich aufgrund eines Softwarefehlers.

Gates verspricht Aufklärung. Zunächst will er nur Zeit schinden, doch bald macht ihn das Stockholm-Syndrom zum Gewissenskrieger. Zusammen mit seiner resoluten Produktionsleiterin Patty (Roberts), mit der er über Funkkopfhörer verbunden ist, versucht er, den Ibis-Chef, Walt Camby (Dominic West), vor die Kamera zu bekommen, um die Wahrheit hinter dem Crash ans Licht zu bringen – bevor die Lage eskaliert. Die Polizei hat den Schießbefehl, die Spannung steigt, doch die Genre-Struktur ist letztlich vorgeschoben. Im Kern ist „Money Monster“ ein Moralstück, wie es Frank Capra geliebt hätte, grauzonenfrei und schulmeisterlich ausgeführt.

Clooney ist aufgrund der Janusköpfigkeit seines Images ideal besetzt. Vom aalglatten Schmähführer, den man aus Nespresso-Werbungen kennt, mutiert er zum rechtschaffenen Wutbürger auf heiliger Mission: Am Ende hat man ihm als Zuschauer alles verziehen. Sein panischer Geiselnehmer wirkt vergleichsweise inkompetent: Insofern ist der Film eher Appell an die mediale Verantwortung gegenüber dem „kleinen Mann“ als Emanzipationsfantasie. Ein Bevormundungsbeigeschmack bleibt, verstärkt durch das Theaterhafte – permanent schneidet Foster zum staunenden Fernsehpublikum, wie um zu sagen: Ihr seid gemeint! Empört euch! Als Suspensestück macht „Money Monster“ eine Zeit lang durchaus Spaß, doch im Vergleich zu anderen Finanzkrisen-Filmen der letzten Jahre („Margin Call“, „The Big Short“) wirkt sein Botschaftseifer plump – im Grunde bedient er sich derselben Mittel, die er anklagt. In Cannes, wo Milliardäre ihre Luxusjachten parken, ergibt das vielleicht sogar Sinn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2016)

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