„The Witch“: Ein Hexenfilm ohne Hexen, aber mit reichlich dunklen Mächten

The Witch
The Witch(c) Universal Pictures
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Unheimliches im Neuengland des 17. Jahrhunderts: „The Witch“ ist ein beeindruckendes, wenn auch nicht ganz geglücktes Debüt.

Es ist am besten, sämtliche Hexenbilder in seinem Kopf zu löschen, bevor man sich in diesen Film setzt. Der junge Amerikaner Robert Eggers holt in seinem international beachteten Regiedebüt, „The Witch“, nämlich zur ganz großen Revision dieser Schauerfigur aus. Es gibt hier also weder einen fliegenden Besen noch Zaubertränke noch andere eindeutig übernatürliche Zutaten. Stattdessen ist dieses unheimliche Historiendrama ganz eng verwachsen mit anderen Mächten, jenen, die aus der Natur kriechen, und jenen, die eine starke Religiosität in einem Menschen entfesseln kann.

Die Hexe ist urwüchsiger Ausdruck einer bedrohlichen, möglicherweise gar lebensgefährlichen Umwelt, hausend im dunklen Wald: Dort treibt sich allerhand herum, vor allem ist der Wald Projektionsfläche für die mannigfaltigen Angstwelten der gottesfürchtigen Puritanerfamilie, die im Zentrum dieses „New England Folktale“, so der Untertitel, steht. Die Waldgrenze ist hier gleichzeitig symbolische Frontier, nur geht es hier nicht um Cowboys und Indianer, sondern um verschiedene Glaubensformen, die nebeneinander existieren müssen und sich gegenseitig auslöschen wollen.

Wie in jedem tauglichen Hexenfilm steht auch in „The Witch“ eine Jungfrau im Zentrum: Thomasin (Anya Taylor-Joy) steht kurz vor der Frauwerdung, und ihre sexuelle Reifung erscheint gleichzeitig als Pfad, auf dem die dunklen Mächte in das karge, harte Leben dieser Familie rutschen. Unter ihrer Obhut verschwindet Baby Samuel spurlos, vermutlich in den Wald, genau weiß es aber niemand. Als Thomasin kurz darauf mit ihrem Bruder Caleb (Harvey Scrimshaw) auf die Jagd geht, vom Pferd abgeworfen wird und später wieder zu sich kommt, ist auch der dahin. Es dauert nicht lang, bis die verhärmte, knöcherne Mutter Katherine (großartig: Kate Dickie) überzeugt ist, dass ihre Tochter von finsteren Mächten beherrscht wird, vermutlich sogar eine Hexe ist. Vater William (Ralph Ineson) versucht erst noch zu schlichten, aber bald gerät die Situation außer Kontrolle.

Robert Eggers gibt sich große Mühe, die Licht- und Hoffnungslosigkeit von verarmten Pilgern im Neuengland des 17. Jahrhunderts adäquat wiederzugeben: Gleich mehrere Historiker hat er eingespannt, jedes Detail kontrolliert. Das Ergebnis ist jedenfalls visuell überzeugend. In Erdfarben gehalten, schattenbeladen und mit viel Mut zur Dunkelheit evozieren Jarin Blaschkes Bilder einen historischen Realismus, der porös bleibt, durchlässig für Elemente wie Wesen, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, die verborgen bleiben, bis sie sich zeigen wollen.

Das Problem ambitionierter Debüts

Die vom Regisseur selbst verfasste Geschichte hingegen wirkt überladen – ein Problem, das viele ambitionierte Debüts haben, deren Schöpfer zu viel auf einmal wollen und die Kunst der Reduktion noch nicht zu schätzen wissen. Zur vermuteten Hexe im Wald gesellen sich die zwei Kleinsten der Familie, die munter mit dem grantigen Ziegenbock Black Philipp konversieren, sowie der aus dem dunklen Wald zurückgekehrte Caleb, der plötzlich an einer mysteriösen Krankheit leidet. Die verschiedenen Elemente finden in der Geschichte nie wirklich zusammen, und so bleibt „The Witch“ mitunter doch druck- und kraftlos.

Dass dieses beeindruckende, aber nicht ganz geglückte Debüt nach seiner Weltpremiere im Jänner 2015 eine derartige Resonanz erfahren hat, ist daher nicht notwendigerweise der filmischen Qualität, eher einem geschickten Marketing-Feldzug geschuldet. Welcher Freund sinistrer Unterhaltungsformen giert nicht nach einem Horrorfilm, den die New Yorker Gruppierung The Satanic Temple wärmstens empfiehlt, zu dem sie eigene Vorführungen organisiert? Am Ende überwiegt Ernüchterung, vielleicht aber auch, da das europäische Kino vor allem in den Sechziger- und Siebzigerjahren deutlich bessere Hexengeschichten kannte. An dieser Stelle sei jedem nachdrücklich Michael Armstrongs famoser Witchsploitation-Klassiker „Hexen, bis aufs Blut gequält“ (1970) empfohlen, der unter anderem im Salzburger Schloss Moosham gedreht wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)

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