Kino mit Sprengkraft: Pop-Terroristen, Jihad-Komödie

(c) Presse Fabry
  • Drucken

Bis 30. Juni läuft hier die Schiene "Terror im Blick" mit 40 Filmen über RAF, IRA, FLQ, PKK etc. Zusammengestellt von Paul Poet.

Wenn man bedenkt, wie sehr Terrorismus als Begriff und Idee, als Schreckgespenst und realer Schrecken inzwischen den öffentlichen und medialen Diskurs dominiert, wundert es, wie selten sich das zeitgenössische Kino damit auseinandersetzt. Dabei vertragen sich Terror und Film historisch betrachtet ausgesprochen gut: Davon kann man sich noch bis zum 30. Juni bei der von Paul Poet kuratierten Schau „Terror im Blick “ überzeugen, die im Wiener Metrokino über 40 verschiedene Laufbild-Positionen zum Thema präsentiert.

Ein wesentlicher Fokus liegt dabei, wenig überraschend, auf den Sechzigern und Siebzigern, der ersten „Blütezeit“ des internationalen Terrorismus, als linksradikale Gruppierungen wie die RAF, die Roten Brigaden, die kanadische FLQ, die Japanische Rote Armee und die US-amerikanischen Weathermen – aber auch Ultranationalisten wie die IRA oder die Volksfront zur Befreiung Palästinas – für Anschlagzeilen sorgten und Ängste wie Umsturzfantasien der Weltbevölkerung befeuerten. Besonders der „deutsche Herbst“ und seine Vorbeben zeitigten Filmreaktionen verschiedenster Art – von gediegenen, ambivalenten Befindlichkeitsdramen wie „Die bleierne Zeit“ und „Messer im Kopf“ über die melancholische WG-Revolutionsromantik in Rudolf Thomés Film „Rote Sonne“ (mit Uschi Obermaier) bis hin zu Rainer Werner Fassbinders bitterböser Satire „Die dritte Generation“, in der ein Polizist an einer Stelle sagt: „Ich hatte da neulich einen Traum, da hat das Kapital den Terrorismus erfunden, um den Staat zu zwingen, es besser zu schützen.“ Pulpige Reißer wie Christopher Roths „Baader“ (2002) belegen die anhaltende Faszination von RAF-Galionsfiguren als Pop-Ikonen.

Aktuelle Filme zu islamistischem Terror

„Terrortainment“ gab es auch in Asien, etwa Tsui Harks Hongkong-Actionkracher „Söldner kennen keine Gnade“ (1980): Konservativ im Inhalt (Gör erpresst Wohlstandskinder zu anarchistischen Aktionen, bis man sich dabei die Finger verbrennt), aber fuchsteufelswild in der Ausführung. Ein paar aktuellere Arbeiten befassen sich mit islamistischen Terrortendenzen. „Les chevaux de dieu“ von Jamal Belmahi porträtiert Jugendliche im Elendsviertel Marokkos, deren Perspektivlosigkeit sie in Extremistenhände treibt. „Four Lions“ des britischen Satirikers Chris Morris ist eine famose Komödie(!) über Möchtegern-Jihadisten, die für sich selbst eine größere Gefahr darstellen als für andere. Beide Filme kennzeichnet ein kritischer, aber empathischer Blick, der die Menschlichkeit seiner verirrten Protagonisten nie außer Acht lässt.

Das rechte Eck beleuchten vor allem österreichische Beiträge: Walter Bannerts provokant-plakative Neonazi-Studie „Die Erben“ oder „Kassbach“ von Peter Patzak, der zeigt, wie schmal der Grat zwischen Biedermann und Brandstifter ist. Rechtskonservativ gesinnt war aber auch das Himmelfahrtskommando rund um den japanischen Dichter Yukio Mishima, dessen Radikalisierung Kōji Wakamatsu in „11:25“ ein doppelbödiges Denkmal setzt. Die brisanteste Vorführung widmet sich aber der PKK: Die Doku „Bakur“ sorgte 2015 für einen Eklat beim Istanbuler Filmfestival. Weil sie sich zu nahe an die kurdischen Guerillas heranwagte, wurde sie mit Vorführverbot belegt. Ein rezentes Beispiel für die anhaltende Sprengkraft des Terrorismuskinos, das im Spannungsfeld von Angst, Sensationslust und Propaganda stets auf heißen Kohlen saß.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.