Götz George: Horst Schimanskis leiser Abgang

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TATORT TATORT Duisburg Ruhrort D 1981 Hajo Gies Im Duisburger Hafen wurde ein Toter gefunden Es(c) imago/United Archives (imago stock&people)
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Nachruf. Mit 77 Jahren starb der große deutsche Schauspieler Götz George. Als Kommissar im „Tatort“ wurde er berühmt, doch sein Können bewies er auf einem viel weiteren Feld.

Er ist schon einmal abgehauen. Ende 1991, nach 29 Folgen, in denen er den Kriminalhauptkommissar in Duisburg spielte, entschwebt in „Der Fall Schimanski“ Hauptdarsteller Götz George mit einem Flugdrachen. Zuvor war der von ihm dargestellte schmuddelige, schlagkräftige Polizist mit dem Schnauzer, der mit seinen Ermittlungsmethoden häufig die Grenze des Legalen überschritt, unter schweren Korruptionsverdacht geraten. Die Vorwürfe werden entkräftet, Schimanski wird die Rückkehr in den Dienst angeboten, doch dieser außergewöhnlichste deutsche Held der Achtzigerjahre lehnt dankend ab und entschwebt über den Dächern seiner Ruhrpott-Stadt, mit einem derben Wort, das eines seiner Markenzeichen wurde, ehe es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk weithin in Mode kam.

Bei seinem Tschüss werden viele Jungs vor den Fernsehern geweint haben. George alias Horst Schimanski gab der Serie „Tatort“ ein prägnantes Gesicht. Er war eindeutig ihr Star, in der Rolle eines sensiblen Machos, der stets Probleme lösen will, aber bei deren Lösung neue Probleme schafft. Dieser Mensch in seinem Widerspruch konnte überall landen. George über Schimanski: „Dieser Typ tritt so leise ab, wie er laut angefangen hat.“

Der früh verstorbene Vater Heinrich

Er hatte den Mut zum Comeback. Von 1997 bis 2013 hieß die Serie schlicht „Schimanski“. Horst, so erfährt man, war inzwischen Boxtrainer gewesen, eher er für den Dienst reaktiviert wurde. Sein ermittelnder Kollege Christian Thanner, der totale Kontrast und ruhende Pol in diesem Team, war ermordet worden. (Tatsächlich war dessen Darsteller Eberhard Feik inzwischen verstorben.) In weiteren 17 Folgen kämpfte sich Schimanski nun, wie gewohnt fluchend, saufend, prügelnd, durchs Leben. Rekordzahlen an Zusehern bewiesen, wie beliebt der Typ mit seinem abgetragenen Parka und den schlechten Manieren geblieben war. Noch mit 75, Schimanski ist bereits in Rente, glänzte sein Darsteller im abschließenden Film mit wohl dosierter Agilität und Gewitztheit.

Es wäre jedoch ungerecht, Götz George auf seine bekannteste Rolle zu reduzieren. Das ist so unangebracht wie der Vergleich mit dem Vater. Heinrich George, der Intendant des Schillertheaters in Berlin, war eine Schauspiel-Legende. Er starb 1946 in Sachsenhausen in sowjetischer Lagerhaft. Den Sohn nannten Heinrich und seine Frau Berta Drews, ebenfalls eine sehr bekannte Darstellerin, Götz, nach Vaters Lieblingsstück, „Götz von Berlichingen“. Götz war erst sieben Jahre alt, als er Heinrich zum letzten Mal sah. An ihm hat er sich abgearbeitet, hat seinen außergewöhnlichen Drang zur Perfektion im mühelos wirkenden Spiel entwickelt. Spät, aus der Distanz von fast sieben Jahrzehnten, versuchte er den Vater, der sich mit dem NS-Regime arrangiert, an Propaganda in Film und Rundfunk beteiligt hatte, mittels Doku-Drama vom Vorwurf zu befreien, er sei ein Mittäter gewesen. George spielte George im gleichnamigen TV-Film von 2013. Sein Kommentar zum Vater: „Er hat wirklich bezahlt.“

Vom weißen Flieder zum Serienmörder

Götz George kam früh zum Theater. Bereits als Kind stand er neben seiner Mutter auf der Bühne, die erste Filmrolle hatte er 1953 in „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“, mit Romy Schneider als jungem Evchen. Die Mutter aber riet Götz zum Theater, er ging in die Provinz, nach Göttingen, wo der große Heinz Hilpert wirkte. Der prägte George, so wie seine Lehrerin Else Bongers. Das Pathos und auch das Menschlich-allzu-Menschliche hat er bei aller Lockerheit verinnerlicht. Weithin bekannt wurde er als jugendlicher Held in Verfilmungen von Romanen Karl Mays. Die engagierte Kunst Ende der Sechzigerjahre interessierte sich hingegen nicht für ihn, so wenig, wie sie ihn scheinbar kümmerte. Er wurde eben Fernseh-Star, statt um Teilnahme am „Anti-Theater“ zu bitten. Dieser kämpferische Charakter hatte auch eine hochsensible Seite und ein natürliches Misstrauen gegen Medien, die er für seicht hielt.

Ab seines Lebens Mitte folgten in Serie tolle Rollen fürs Kino. George wurde immer besser, in einem extrem weiten Feld, das von Action-Filmen und Psycho-Krimis bis zum Feinsinn reichte. Er beherrschte auch das Komödien-Fach. Wer möchte seinen Skandal-Reporter Willié in der Satire „Schtonk!“ (1992) missen, in der es um die gefälschten Hitler-Tagebücher geht? Er konnte Abgründe zeigen – als Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß alias Franz Lang in „Aus einem deutschen Leben“ (1977), als Serienmörder Haarmann in „Der Totmacher“ (1995) oder als KZ-Arzt Mengele in „Nichts als die Wahrheit“ (1999). Albträume, die man nicht vergisst. Am 19. 6. ist Götz George nach kurzer, schwerer Krankheit mit 77 Jahren gestorben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2016)

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