Der Professor und die Mafia

Scottish actor Ewan McGregor
Scottish actor Ewan McGregor (c) REUTERS (DANNY MOLOSHOK)
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Was treibt einen braven Briten dazu, einem Oligarchen das Leben zu retten? In „Verräter wie wir“, nach dem Roman von John le Carré, wird das nicht so recht klar.

Damit ein taugliches Spannungsfeld erzeugt werden kann, muss zuerst etwas angespannt werden. Erst dadurch wird eine Situation thrilling, ein Film zum Thriller. Dafür gäbe es in der Leinwandadaption von John le Carrés solidem Roman „Verräter wie wir“ (2010) grundsätzlich gute Voraussetzungen. Ein britischer Universitätsprofessor für Philosophie, der fesch gekampelt und im Tweedjacket im heißen Marrakesch weilt, um die emotional erkaltete Beziehung zu seiner Frau wieder etwas aufzuwärmen, wird dort zufällig mit einem russischen Oligarchen bekannt, der das Hemd gern bis zum Nabel aufgeknöpft trägt und tut, wofür russische Oligarchen in der ganzen Welt verschrien sind: ihren Reichtum auf möglichst vulgäre Art inszenieren.

Auf einem weitläufigen Grundstück mit palastartigem Anwesen feiert dieser Dima also den Geburtstag seiner Teenager-Tochter mit Wanderzirkus-Attraktionen und einem fetten Feuerwerk. Im unwirklichen Licht der Knallkörper vertraut er seinem neuen britischen Freund schließlich an, worum es ihm vor allem geht: Er möge für ihn einen USB-Stick nach Europa schmuggeln und dem britischen Geheimdienst übergeben. Darauf befinden sich alle Kapitalverschiebungen, die er als offizieller Geldwäschebeauftragter der russischen Mafia orchestriert hat. Nach deren Neuübernahme wird dort allerdings aufgeräumt, und auch Dimas Kopf soll rollen.

John le Carré ist ein zynischer Autor. Wenn er einen ausgewiesenen Gutmenschen in solch einen Plot schreibt, dann muss man kein Geheimagent sein, um zu wissen, dass dieser dafür büßen muss. An Ewan McGregors Darstellung des Perry Makepiece – Makepeace wäre dann doch etwas zu eindeutig gewesen – droht allerdings der Film zu scheitern. Er legt den Durchschnitts-Briten viel zu blauäugig und gutgläubig an, als dass er zum nachvollziehbaren Charakter werden könnte. Er modelliert ihn offensichtlich nach James Stewarts Familienvater aus Alfred Hitchcocks „Der Mann, der zu viel wusste“ (1956), dessen Handlung ebenfalls in Marrakesch beginnt. Doch was diesen Professor antreibt, dem russischen Mobster das Leben zu retten, bleibt schleierhaft: eine frustrierende Erfahrung, nicht zuletzt, weil man anfänglich noch Zweifel daran hat, ob Dima nicht einen perfiden Plan umzusetzen versucht.

Der russische Mafioso überzeugt

Stellan Skarsgård als Dima gibt im Gegensatz zu McGregor eine sehr überzeugende, weil schnörkellose und ausgesprochen körperliche Darbietung: Nur Gerard Depardieu wäre aus offensichtlichen Gründen noch besser für diese Rolle geeignet gewesen. Inszeniert wurde dieser eher spannungsarme Krimi von der britischen Fernseh-Regisseurin Susanna White: Gemeinsam mit Edel-Kameramann Anthony Dod Mantle entwirft sie berückend schöne Bilder, die allerdings nicht mehr als das sind, weil sie mit nichts aufgeladen sind, weil sich hinter ihnen nichts verbirgt.

„Verräter wie wir“ wirkt dabei vor allem anachronistisch. Im Gegenzug etwa zu Hitchcocks Agentenfilmen, in denen das Misstrauen genährt wurde und sich die Fronten immer wieder verschieben konnten, sind hier die Demarkationslinien zwischen den Guten und den Bösen von Anfang an klar gezogen. Es geht nur mehr darum, den mäßigen Plot bis zum Ende zu erzählen, was White manchmal mehr, manchmal weniger gut gelingt. Am Ende liegt der Spannungsfaden ausgeleiert am Boden, erschöpft von diesem Film, der so gern ein klassischer Thriller wäre, aber doch nur gut abgehangenes Professorenkino ist: Perry Makepiece hätte seine Freude damit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2016)

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