Kritik an Siegerfilm von Venedig: Zu lang und starr

Szenenbild aus ''The Woman Who Left''
Szenenbild aus ''The Woman Who Left''(c) Filmfestival Venedig
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"Die Gefahr ist, dass die Leute den Film sehen, dann zwei Monate lang keinen Film im Kino mehr sehen wollen. Das schadet dem gesamten Kino", glaubt Filmemacher Enrico Vanzina.

Nachdem die Jury der 73. Filmfestspiele Venedig dem Drama "The Woman Who Left" (Ang Babaeng Humayo) des philippinischen Regisseurs Lav Diaz den Goldenen Löwen verliehen hat, ist sie mit Kritik überhäuft worden. Das in Schwarz-Weiß gedrehte Werk erzählt von einer Frau, die 30 Jahre lang zu Unrecht inhaftiert war und dann versucht, wieder in ihr Leben zurückzufinden. Der Film dauert fast vier Stunden. Das Drama sei zu lang, starr und habe bisher in Italien noch keine Vertriebsgesellschaft gefunden, kritisierten italienische Medien.

Der italienische Komödien-Filmemacher Enrico Vanzina klagte, dass das Filmfestival von Venedig sich immer mehr als elitäres Event zugunsten von Kritikern profilieren wolle. Damit wende sich das Publikum von den Filmen ab. "Die Gefahr ist, dass die Leute den Film sehen, der den Goldenen Löwen gewonnen hat, und dann zwei Monate lang keinen Film im Kino mehr sehen wollen. Das schadet dem gesamten Kino. Man sollte Filme auszeichnen, die wirklich den Goldenen Löwen verdienen", sagte Vanzina im Interview mit der Tageszeitung "La Stampa".

"Festivals sind nicht für Blockbuster da"

Festivaldirektor Alberto Barbera wies die Vorwürfe zurück. "Festivals sind keine Vitrine für Blockbuster, sondern Veranstaltungen mit der Hauptaufgabe, Qualitätsfilme zu verteidigen, die heute von einem Markt benachteiligt werden, der nur auf die Gewinne schaut", sagte Barbera.

"Autoren brauchen Rampenlicht, Filmfestivals sind oft für sie die einzige Gelegenheit, um ihre Werke zu zeigen", meinte Barbera. "Die Zuschauer sollen wissen, dass es neben Blockbustern auch Qualitätsfilme gibt. Heute gibt es fast keine Programmkinos mehr und die wenigen, die es gibt, kämpfen gegen die Schließung", so Barbera.

Länge? TV-Zuschauer streamen ganze Serien

Die Länge des philippinischen Films ist laut Barbera keine Hürde. "Zuschauer sind gewöhnt, TV-Serien als Streaming zu sehen, die stundenlang dauern. Als Streaming wird man auch 'The woman who left ' in Teilen sehen können", meinte der Festivaldirektor.

Seinen bisher größten internationalen Erfolg hatte Diaz 2014 erzielt, als er für sein mehr als fünfstündiges Werk "Mula Sa Kung Ano Ang Noon" ("From What Is Before"/ "Von dem, was war") den Goldenen Leoparden des Filmfestivals von Locarno (Schweiz) gewann.

(APA)

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