„Eight Days a Week“: Als die Beatles die Welt eroberten

Eight Days a Week
Eight Days a Week(c) Constantin
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Nein, Ringo Starr war gar kein schlechter Schlagzeuger, und die Beatles waren eine sehr gute Liveband: Das zeigt die Dokumentation „Eight Days a Week“. Und sie zeigt einen Optimismus, der – nicht nur im Pop – heute unvorstellbar scheint.

Wann würde je wieder eine solche Anmut in die Welt treten?“ Das fragt sich der Erzähler in Peter Handkes „Versuch über die Jukebox“. Man muss nur „I Saw Her Standing There“ hören, den Beatles-Song, dessen Titel Handke seinem „Versuch“ als Motto gegeben hat, und man stimmt lauteren Herzens ein: Solche Anmut! Solche Frische! Solche Euphorie!

Nicht nur weil sie die Ersten waren, die die Lebensform Band verkörperten (und konsequenterweise mit 30 aufhörten), waren die Beatles einzigartig: Das zeigt auch diese Dokumentation, die schon deshalb gut ist, weil eine Dokumentation über die Beatles nicht schlecht sein kann. Der Optimismus, den die Musik dieser vier Provinz-Engländer in den Jahren 1963 und 1964 ausstrahlte, ist bis heute unerreicht, war es auch in den Sixties, dieser grundsätzlich optimistischen, weil zukunftsreichen, weil jungen Ära.

Gegen die Beatles klang alles andere trist. „There's a Place“, „It Won't Be Long“, „She Loves You“, „I Want to Hold Your Hand“, „A Hard Day's Night“, „Any Time At All“ usw. usf.: Diesen Sonnenschein trübt kein Wölkchen, und trotzdem wirkt er nie banal, das ist das Geheimnis der frühen Beatles.

Reise von Dur nach Moll

Er blieb nicht lange ungetrübt, ab dem Album „Beatles for Sale“ (1964) schlichen sich Molltöne in die Dur-Euphorie, Selbstzweifel in den Überschwang, allmählich, bis dann 1965 in „In My Life“ John Lennon klang wie ein alter Mann, der auf sein Leben zurückblickt. Dann war der Weg bis zum todessehnsüchtigen „Yer Blues“ (1968) nicht mehr weit . . .

Auch diese Entwicklung schildert „Eight Days a Week“, ohne viele Worte, man hört das, man meint zu sehen, wie die Augen der Vier trauriger werden. Plötzlich sind sie keine Buben mehr, sondern erwachsene Männer, alle mit Bärten, deutlich langsamer geworden, die sich im Herbst 1966 im Studio treffen und sich fragen: Und was machen wir nun? Mit dem Rest unseres Lebens?

Da hatten sie schon aufgehört mit den Livekonzerten, am 29. August 1966 war ihr letztes. Verständlich, wenn man sieht, wie irrsinnig sie durch akustisch ungeeignete, mit Lautsprechern unterversorgte Stadien gehetzt wurden, begleitet von stetiger Hysterie, die ihnen immer unwirklicher vorkommen musste. Unglaublich, dass sie unter diesen Bedingungen bis zum Schluss eine großartige Liveband blieben, die scharf und kompakt klang, obwohl die Musiker einander kaum hören konnten. Wie gut die Beatles als Liveband waren – wohl auch, weil auf andere Weise unerträgliche Bedingungen in den Kaschemmen von Hamburg sie dazu gemacht hatten –, das wissen wir vom Livealbum „The Beatles at the Hollywood Bowl“ (mit Aufnahmen vom 23. 8. 1964 und vom 30. 8. 1965), das skandalöserweise jahrzehntelang vergriffen war. Jetzt ist es endlich wieder erhältlich. Muss man haben, schon für die frenetische Version von „Boys“, die Ringo Starr singt.

Die fünfte Hauptrolle im Film spielt freilich das Kollektiv der von diesen Buben tief erschütterten, kreischenden Mädchen. „I never thought of them as white guys“, sagt Whoopie Goldberg: Die Beatles weigerten sich konsequent – und erfolgreich –, in Jacksonville 1964 vor einem nach Hautfarbe getrennten Publikum zu spielen.

Für Kulturpessimisten tröstlich: Man sieht zwar ein Mädchen mit Operngucker, aber auch eines mit Fotoapparat: eine Vorbotin der aktuellen Manie, ein Livekonzert nicht zu erleben, sondern zu dokumentieren?

Der Stil von Hollywood-Regisseur Ron Howard, der immerhin zwei Oscars gewonnen hat (für „A Beautiful Mind“ über den schizophrenen Mathematiker John Forbes Nash) und 2008 mit „Ford/Nixon“ ein Drama vorgelegt hat, das viel mit Originalmaterial arbeitet, ist klassisch.

John Lennon in Amerika: „Land ho!“

Er verwendet natürlich den in Beatles-Dokus naheliegenden, naiv symbolischen Gegenschnitt auf das aufsteigende Flugzeug, das die Beatles zu ihren Triumphen nach Amerika brachte – „We'd just say: Land ho!“, wie Lennon kommentierte –; er verwendet das übliche Wochenschaumaterial (Kennedy, Bikini-Atoll); er lässt den alten Ringo Starr genauso über seine Jugend sinnieren – „Wir waren Arbeiterklasse, unsere Spielplätze waren Bombentrichter“ – wie den alten Paul McCartney. Wobei der junge eindeutig die besseren Pointen hat. Auf die Frage eines Journalisten, welche Rolle denn die Beatles in der westlichen Kulturgeschichte spielen, antwortet er fast erschrocken: „Culture? It's not culture, it's a good laugh!“

Mit dem Schlussakkord von „A Day in the Life“ könnte die Doku enden, Howard setzt ihn nur als Semikolon ein, schickt noch eine Coda nach: die Beatles auf dem Dach ihrer Firma Apple in der Londoner Savile Row am 30. Jänner 1969. Nie wieder sollte ein Konzert so sehr als trauriges Nachspiel wirken.

Film: „The Beatles: Eight Days a Week – The Touring Years“ läuft ab heute im Kino (z. B. Apollo, Village).

Album: „Live at the Hollywood Bowl“ ist endlich wieder erhältlich, mit vier bisher unveröffentlichten Aufnahmen („You Can't Do That“, „I Want to Hold Your Hand“, „Every-body's Trying to Be My Baby“, „Baby's in Black“).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2016)

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