„Comoara“: Das Glück ist im Garten vergraben

Comoara
Comoara(c) Filmgarten
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Zwei Männer, ein Metalldetektor und die Hoffnung auf eine glanzvolle Zukunft: Corneliu Porumboiu legt mit „Comoara“ („Der Schatz“) eine vielschichtige Tragikomödie vor.

Der Titel von Corneliu Porumboius neuem Film, „Comoara“ (zu Deutsch: „Der Schatz“), weckt Assoziationen mit Glücksrittergeschichten vom Goldrausch am Klondike oder tollkühnen Grabräubern, die geheimnisvolle Artefakte aus Ruinen bergen. Doch mit Indiana Jones und Co. haben seine Hauptfiguren nichts zu tun. Costi (Toma Cuzin) ist ein argloser Beamter und Familienvater aus Bukarest, der seinem kleinen Sohn am liebsten ein strahlendes Vorbild wäre. Seine Durchschnittsexistenz bietet ihm aber keine Möglichkeit, den Helden zu markieren. Adrian (Adrian Purcarescu), Costis Nachbar, hat indes große Geldsorgen. Eine alte Familienlegende streut Hoffnung: Irgendwo auf dem verwahrlosten Provinzgrundstück seiner Eltern könnte etwas Wertvolles vergraben sein. Was genau, weiß er nicht. Dennoch bittet er Costi um Geld für ein Metalldetektorservice – mit dem Versprechen, ihn am Fund zu beteiligen. Was folgt, ist nicht nur eine ausgesprochen vielschichtige Tragikomödie, sondern auch einer der trockensten Abenteuerfilme der Kinogeschichte.

„Comoara“ – im Übrigen der erste Start des neu gegründeten österreichischen Verleihs Filmgarten – besticht mit trügerischer Einfachheit: Schlicht ist schon der knappe Vorspann, schlicht auch die übersichtliche, geradlinige Erzählung. Aber in Wahrheit legt Porumboiu einen beachtlichen formalen Balanceakt hin. Einerseits ist sein Film – wie die Arbeiten vieler seiner rumänischen Kollegen, die seit 2005 für Furore auf Festivals sorgen – klar in der Gegenwartsrealität seines Landes verortet und einem hyperprosaischen Alltagsnaturalismus verpflichtet, der das in den Fokus rückt, was vom Kino üblicherweise für undramatisch und folglich unwichtig erachtet wird. Andererseits funktioniert er wie eine absurde Gesellschaftsparabel, deren Künstlichkeit besonders zu Beginn durch lange, frontal gefilmte Doppelconférence-Einstellungen betont wird.

Rumäniens tumultuöse Geschichte

Die Komik erwächst großteils aus der Spannung zwischen diesen Ebenen, den Schatzjägersehnsüchten der Protagonisten und den nüchternen Details ihres Unterfangens: So schlurfen die zwei endlos und ziellos durch diesige Breitwandtotalen eines verwilderten Gartens, begleitet vom unaufhörlichen Gejaule des Detektors. Als Schatzkarte fungieren die kryptischen Tabellen und Diagramme auf dessen Anzeige, die eher für Streit als für Aufklärung sorgen. Adrian will unbedingt in der Nähe eines hundertjährigen Maulbeerbaums graben. Wo sonst sollten die Ahnen so einen Schatz auch verbuddelt haben? In der Not glaubt jeder an Märchen.

Doch diese spezifischen Märchen speisen sich aus der tumultuösen Geschichte Rumäniens, die ebenso beiläufig wie geschickt ins Narrativ eingeflochten wird. Vage Traumvorstellungen von einer glorreichen präkommunistischen Vergangenheit und einer glanzvollen kapitalistischen Zukunft sind gleichermaßen Triebfedern der perspektivlosen Figuren. Ihre Suche erscheint lächerlich, bleibt aber immer nachvollziehbar – egal, wie tief das Loch ist, in das sie sich hineinschaufeln.

Es ist unglaublich, wie viele kleine Kommentare, Beobachtungen und Ideen „Comoara“ in seiner kompakten Konstruktion unterbringt. Das Finale kann als Happy End auf Umwegen oder als Seitenhieb gegen die Fallstricke von Utopien ausgelegt werden. Diese grundlegende Ambivalenz hält sich bis zum famosen Schluss. Die Kamera löst sich da erstmals vom Boden und schwenkt auf die blendende Sonne, während Laibachs pathetisch-bedrohliche Opus-Coverversion „Live Is Life“ erdröhnt; und man weiß nicht: Ist dieser Strahlenglanz das Licht am Ende des Tunnels, oder kommt da ein Zug angerast?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2016)

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