Hitchcocks logischer Nachfolger

Director Brian De Palma poses on the red carpet during a screening for the movie 'Passion' at the 69th Venice Film Festival
Director Brian De Palma poses on the red carpet during a screening for the movie 'Passion' at the 69th Venice Film FestivalREUTERS
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Eines der Highlights der Viennale, des internationalen Filmfestivals in Wien, ist heuer die Dokumentation „De Palma“ über das Leben und die Werke von Regielegende Brian De Palma, der als Meister der Inszenierung gilt.

Sissy Spacek in einer Blutlache in „Carrie“. Al Pacino mit der Maschinenpistole in „Scarface“. Tom Cruise am Drahtseil in „Mission: Impossible“. Das sind Filmszenen, die fast jeder kennt – in Filmen von Brian De Palma, der seit den frühen 1960ern aktiv ist und nicht zu Unrecht von vielen als legitimer Nachfolger von Alfred Hitchcock bezeichnet wird. Die Filmemacher Noah Baumbach („Greenberg“, „Frances Ha“) und Jake Paltrow (Gwyneths jüngerer Bruder) haben sich in ihrer Dokumentation „De Palma“ nun dem Leben des Ausnahme-Filmemachers gewidmet. Die Doku wird bei der Viennale am Donnerstag, um 23.30 Uhr im Stadtkino im Künstlerhaus, gezeigt.

Sie haben als Filmemacher so viel zur Popkultur beigetragen wie wenig andere – wie fühlt man sich als „lebende Legende“?

Brian De Palma: Ich finde das großartig. Wie viele Menschen dürfen das von sich sagen, dass sie etwas geschaffen haben, was solche Auswirkungen hat? So viele gute Filme verschwinden völlig in der Vergessenheit. Das gilt sogar für Hitchcock: Er hat sehr viele Meisterwerke geschaffen. Aber heute verbinden die meisten Leute mit ihm nur „Psycho“ – ein besseres TV-Movie, das er damals schnell und billig abgedreht hat. Viele seiner späteren Geniestreiche, die er mit unglaublicher Sorgfalt und Aufwand gemacht hat, waren damals kein Erfolg und sind heute längst nicht so bekannt, wie sie sein sollten.

Machen Sie Ihre Filme gern? Oder wollen Sie mal etwas völlig anderes machen?

Ich habe in jedem Genre gearbeitet, das es gibt. Es ist ja nicht so, dass ich immer nur einen einzigen Film gedreht hätte. Was wäre denn „typisch“ De Palma? „Untouchables“? „Carlito's Way“? Oder doch „Mission: Impossible“? Für mich sehen alle unterschiedlich aus.

Aber es gibt einige Elemente, die Sie immer wieder gern in Ihren Filmen verwenden.

Na ja, jeder Regisseur wird das machen. Wir haben Bilder in unserem Unterbewusstsein, die immer wieder auftauchen. Warum steht da schon wieder ein roter Sessel in der Ecke? Warum laufen da Zwillinge durch die Gegend? Ich weiß es nicht (lacht).

Gehen Sie selbst noch gern ins Kino?

Ja, sehr gern! Ich glaube, ich bin der einzige Filmregisseur, der noch zu Filmfestivals fährt, um sich dort tatsächlich Filme anzusehen. Seit 30, 40 Jahren mache ich das. Ich gehe auch zu Presse- und Branchen-Screenings. Die Leute fragen mich oft, warum ich denn gekommen bin und sind dann ganz verwundert, wenn ich ihnen erzähle, dass es mir um den Film geht, der gezeigt wird, und nicht um irgendeinen Businessdeal.

Lesen Sie Filmkritiken?

Nicht gern (lacht). Ich glaube, ich bin der am meisten fehlinterpretierte Filmemacher meiner Generation. So viele meiner Filme wurden verrissen, die jetzt, 20 Jahre später, als „Meisterwerke“ bezeichnet werden. Als „Scarface“ rauskam, sind die Leute in Scharen aus dem Kino geflüchtet, Kritiker nannten ihn „wertloses B-Movie“. Daher muss ich immer versuchen, meiner eigenen Vision treu zu bleiben und nicht zuviel drauf zu achten, was Sie und Ihre lieben Kollegen zu sagen haben.

Spüren Sie die Krise beim Filmemachen?

Ach, das Filmbusiness war immer schon wackelig. Es ist immer schwierig, Filme zu machen und sie finanziert zu bekommen. Ihr Leute glaubt ja immer, man geht als Regisseur raus und verkündet „Ich verfilme jetzt das zweite Buch der Bibel“, und schon wird man mit Geld beworfen. Aber so ist es nicht. Ich habe viele Filme geschrieben, die ich nie realisieren konnte, weil ich das Geld einfach nicht zusammenbekommen habe.

Ist das auch ein Grund, warum Sie in letzter Zeit wieder zum Independent-Filmemachen zurückgekehrt sind?

Ja, auf jeden Fall. Nach „Mission: Impossible“ war für mich eine Grenze erreicht. Ich meine, diese großen Filme brauchen große Special Effects, und dauernd kommt jemand und fragt: „Können Sie das nicht billiger machen?“ Aber das kann man nicht, sonst sieht es nicht mehr gut aus. Manche Regisseure können damit gut umgehen. Christopher Nolan zum Beispiel. Aber dafür, dass er mal einen „Inception“ drehen darf, muss er drei „Batmans“ machen! Sorry, ich habe kein Jahrzehnt meines Lebens dafür übrig, Filme ausschließlich für pubertierende Buben zu realisieren.

Steckbrief

Brian De Palma wird am 11. September 1940 in Newark, New Jersey, geboren.

Physikstudium. In New York beginnt er ein Physikstudium, daneben spielt er in einer Theatergruppe.

Die Filme. 1969 kommt sein erster Film „The Wedding Party“ heraus. Seine größten Erfolge feierte er mit „Carrie“ (1976), „Die Unbestechlichen“ (1987), „Carlito's Way“ (1993), „Mission: Impossible“ (1996).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2016)

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