Das geheime Leben der Zauberer in Amerika

(c) Jaap Buitendijk / Warner Bros.
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"Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" erzählt eine neue Geschichte aus dem "Harry Potter"-Universum. Spannender als die Handlung ist die Welt, in der sie spielt: im der Magie feindlich gesonnenen New York der 1920er.

Was nicht erlaubt ist, wandert in den Untergrund. In „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“, dem ersten filmischen Spin-off aus dem „Harry Potter“-Universum, ist es eine kleine verrauchte Kellerkneipe, in der das Verbotene ausgelassen zelebriert wird. Im New York von 1926 herrscht die Prohibition, doch in der durch einen Zauber versteckten Spelunke wird das Gigglewater in Mengen gereicht. Es sind zwielichtige Gestalten, die sich hier tummeln: In einer Ecke trinkt ein Riese aus einem viel zu kleinen Glas, hinter der Bar steht ein Hauself, und auf der Bühne spielt eine Kobold-Band Jazzmelodien. Ihr bloßer Anblick könnte mehr Schwierigkeiten machen als der angeregte Alkoholkonsum hier: Denn in der New Yorker Bevölkerung sind die Ressentiments gegen alles Unerklärliche groß. Die magische Gemeinschaft – auch wenn ihre Existenz umstritten ist – hat den Nimbus des Obskuren.

Es ist der interessanteste Aspekts des Films, mit dem „Harry Potter“-Autorin J. K. Rowling ihr Drehbuchdebüt gibt: Spielten die sieben Bücher über den Zauberlehrling hauptsächlich in der magischen Welt – und fast nur im Einzugsgebiet der Zauberschule Hogwarts, also in Großbritannien –, so schildert dieser Film nun das magische Treiben in den USA und zeigt eine Zauberergesellschaft, die inmitten von „normalen“ Menschen ein striktes Geheimleben führt. Rowling überträgt Konzepte wie das der Rassentrennung auf das Gefüge zwischen Zauberern und Menschen ohne magische Fähigkeiten: Die Magier verbieten sich jegliche soziale Verbindungen zu den No-Maj, wie die Muggel hier genannt werden. Anti-Hexen-Fanatiker fordern auf der Straße ein zweites Salem, während Macusa („magical congress of the USA“, das amerikanische Pendant zum britischen Zaubereiministerium) kaum nachkommt, die Stadtbevölkerung mittels Gedächtniszauber zu besänftigen und etwa an ein Gasleck glauben zu lassen, wenn in Wirklichkeit eine dunkle Kraft wieder mal ein Haus in Schutt und Asche gelegt hat.

Es sind also denkbar angespannte Verhältnisse, in die der nichtsahnende Newt Scamander hineinplatzt, als er mit einem unendlich erweiterbaren Koffer voller magischer Wesen in New York ankommt. Der Magizoologe, wunderbar verkörpert von Eddie Redmayne, ist ein adretter Brite, etwas schüchtern, etwas verschmitzt, doch kompromisslos in seinem Engagement für gefährdete Geschöpfe. Nach einem Zusammenstoß mit dem gutmütigen, aber trampelhaften No-Maj Jacob (Dan Fogler) entkommen einige der Kreaturen aus dem Koffer. Gemeinsam mit der leicht versteiften Zaubereibeamtin Tina (Katherine Waterston) und ihrer Schwester (Alison Sudol), einer Gedanken lesenden, feenhaften Erscheinung, machen sie sich an die Aufgabe, sie wieder einzufangen. Und müssen dabei vor den Macusa-Agenten (Colin Farrell gibt den diabolischen Sicherheitschef) flüchten, die Newts Tierchen für den Grund für das Chaos auf New Yorks Straßen halten. Die eigentliche Gefahr ist freilich viel größer: Denn irgendwo da draußen wütet der dunkle Zauberer Grindelwald.

Ein düsterer Blockbuster

Von Harry Potter selbst ist dem ganzen Film über keine Rede. Er wird „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ von Newt Scamander 70 Jahre später als Schulbuch in der Hand halten. Ein „Nachdruck“ seines Exemplars ist 2001 als kleines Büchlein erschienen – im Grunde ein Tierlexikon, das sehr lose als Basis für diesen Film diente. David Yates, der schon für die letzten vier „Harry Potter“-Filme verantwortlich zeichnete, inszenierte ihn als atmosphärisch dichtes, rasantes, actionreiches Leinwandabenteuer, als düsteren Blockbuster nach allen Regeln der Kunst – kaum ein Mitwirkender an Kamera, Ausstattung, Effekten und Musik, der sich mit keinem Oscar schmückt.

Als eigenständiges Abenteuer überzeugt die Geschichte von Newt Scamander aber nur bedingt. Die zentralen Motive sind zwar ähnliche wie in den „Harry Potter“-Büchern: Rowlings Helden setzen sich stets für Toleranz und Gerechtigkeit ein, stellen das Einende über das Trennende und hinterfragen herrschende Strukturen. Hier bleiben sie aber enttäuschend blass, und mehr als die Handlung beschäftigte Rowling offenbar der Aufbau der Welt, in der sie spielt. So wird das „Harry Potter“-Universum in neue Richtungen erweitert, wirkt dabei aber schlüssig und vertraut. In insgesamt fünf Filmen will Rowling diese Übung fortführen – als Nächstes soll in Paris gezaubert werden.

HARRY POTTER

Zauber-Franchise. Mit ihren sieben „Harry Potter“-Büchern ließ die britische Autorin Joanne K. Rowling von 1997 bis 2007 weltweit Hunderte Millionen (junge) Leser in eine magische Welt eintauchen, in der der Zauberschüler Harry gegen den bösen Lord Voldemort antritt. Die achtteilige Verfilmung der Bücher ist die bis heute kommerziell erfolgreichste Filmreihe. Eine Fortsetzung der Geschichte („Harry Potter and the Cursed Child“) erschien heuer als Theaterstück. „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ ist der erste von fünf Filmen, die von der Vergangenheit der Zaubererwelt erzählen sollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2016)

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