David Schalko findet den Wahnsinn jetzt auf der Höhenstraße

„Höhenstraße“
„Höhenstraße“ORF
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„Landkrimi: Höhenstraße“ ist weniger ein Krimi als eine Milieustudie: fies, schadenfroh und unterhaltsam. Mit Nicholas Ofczarek als genialem Blender und Raimund Wallisch als etwas entrücktem Größenwahnsinnigen.

Die Schlussnummer ist treffend gewählt: „Ich träumte von weißen Pferden, wilden weißen Pferden an einem Strand“, singt Georg Danzer mit der ihm eigenen, leicht raunzigen Wiener Note, während Roli und Ferdi jeder für sich über die Höhenstraße davonbrausen und glauben, dem anderen gerade eins auszuwischen . . .

Bis dahin haben die beiden ihr Geld als moderne Wegelagerer verdient: In Polizeiuniform schrecken sie Verliebte beim Sex im Auto auf oder halten Pkw an, um den von der ruppigen Amtshandlung Überraschten Geld abzunehmen. Doch als sie zwei Männer in ihre Behausung mitnehmen, um von der Familie Lösegeld zu erpressen, läuft alles aus dem Ruder. Wie in Zeitlupe kann man Roli und Ferdi dabei zusehen, wie sie ihre schräge Existenz an die Wand fahren. Doch zunächst läuft alles wie am Schnürchen. Der eine versteht es, selbst die echten Polizisten mit seiner anmaßenden Präpotenz auf Distanz zu halten: Nicholas Ofczarek ist als Roli ein Kotzbrocken und genialer Blender, der den labileren Kompagnon herumkommandiert wie ein Feldwebel. Eine fiese Figur, wie geschaffen für Ofczarek. Der Ferdi von Raimund Wallisch ist noch vergleichsweise der Good Cop, der zu kalmieren versucht, wenn Leute nicht so einfach bereit sind, den falschen Polizisten das Bußgeld zu zahlen. Auch er leidet an Größenwahn und wirkt gleichzeitig etwas entrückt: Während die zwei Entführten in der improvisierten Zelle schmoren, macht Ferdi seelenruhig seine Yogaübungen. So ist er Sinnbild für eine verkehrte Welt, in der mancher glaubt, mit einem „Ooom“ sei der eigene Seelenfrieden leicht wieder herzustellen.

David Schalko hat diesen „Landkrimi“ geschrieben. Er hat bei „Höhenstraße“ auch Regie geführt, produziert – und dem Film seine Marke aufgedrückt. Dieser Wahnsinn, der schwarze Humor kommt einem von „Braunschlag“ und der Familiensaga „Altes Geld“ bekannt vor. Statt eines klassischen Krimis hat Schalko eine Milieustudie abgeliefert, die zwei Lebenswelten in ihrer ganzen Erbärmlichkeit bloßstellt. Die Kleinkriminellen sind in einer Art Hassliebe erstarrt und in so viele gemeinsame Straftaten verstrickt, dass sie nicht voneinander loskommen. Wohin auch, wenn sich die Vision von einem besseren Leben in unerfüllbaren Träumen vom großen Auftritt beim „Musikantenstadl“ erschöpfen?

Schretzmayer als Liebeshungrige

Ferdis Hang zum Schlagerstar gibt Wallisch Gelegenheit, die beste Szene abzuliefern: In einem Moment aufflackernder Lust (Doris Schretzmayer hat ihn als liebeshungrige Gerlinde dazu aufgestachelt) wagt er zu Ludwig Hirschs „Gell, du magst mi“ einen Karaokebalztanz. Köstlich!

Die Familie, die den beiden auf den Leim geht, ist nicht minder die Hölle: Die überfürsorglichen Eltern haben die Tochter (tough: Franziska Hackl) mit ihren Verkuppelungsversuchen vertrieben. Das verbliebene Müttersöhnchen (David Oberkogler) verdient sein Geld, indem es sein (selbst eingefrorenes) Sperma verkauft. Der Vater (Klaus Rott) ist rettungslos naiv, die Mutter auf ihre kleine Welt fixiert: Inge Maux spielt sie als Persiflage auf jene „gut“ meinenden (Groß-)Mütter, die die „Kinder“ (auch wenn sie längst über 30 sind) lieber mit Kuchen stopfen, als ihnen zuzuhören. Wer sich da denkt, so viel Dummheit muss bestraft werden, wird bei Schalko gut bedient. Denn er tut das, was er besonders gut kann: Er erzählt von gestörten Menschen und kranken Beziehungen – und lässt einen dabei schmunzelnd und schadenfroh die Hände reiben. Das ist sehr unterhaltsam.

„Höhenstraße“: 29. 12., 20.15 Uhr, ORF eins

(Print-Ausgabe, 29.12.2016)

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