„La La Land“ als großer Sieger: Wer träumt, gewinnt

Zwei Verliebte mit großen Plänen: Mia (Emma Stone) träumt von einer Schauspielkarriere, Sebastian (Ryan Gosling) vom eigenen Jazzclub.
Zwei Verliebte mit großen Plänen: Mia (Emma Stone) träumt von einer Schauspielkarriere, Sebastian (Ryan Gosling) vom eigenen Jazzclub.(c) Constantin Film
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Mit sieben Auszeichnungen gewann Damien Chazelles moderne Musicalromanze „La La Land“ mehr Golden Globes als je ein Film zuvor. Er ist unverschämt nostalgisch – und zugleich eine zeitgemäße Hommage an die Glanzzeit des Genres.

„Here's to the fools who dream, crazy as they may seem“, schmettert Emma Stone voller Inbrunst gegen Ende von Damien Chazelles Retromusical „La La Land“. Man wird ja wohl noch träumen dürfen, selbst in finsteren Zeiten. Wer träumt, gewinnt: Davon zeugt auch „La La Land“ selbst.

Dessen Drehbuch schrieb der heute 31-jährige Chazelle schon 2010, als ihn noch kein Mensch in Hollywood kannte. Sein Regiedebüt, „Guy and Madeline on a Park Bench“ – ein schöner, schwarz-weißer 16-mm-Liebesfilm auf den Spuren von John Coltrane, John Cassavetes und Gene Kelly –, erntete zwar gute Kritiken, über die Grenzen des Filmfestival-Biotops kam er aber nicht wirklich hinaus. Chazelle ließ sich nicht entmutigen. Mit dem Jazzdrummer-Disziplinierungsdrama „Whiplash“ landete er 2014 einen Überraschungshit, der den Weg für sein Herzensprojekt ebnete: ein modernes Musical fernab von Disney und Broadway-Adaptionen, eine zeitgemäße Hommage an die Glanzzeit des Genres. Jetzt hat dieses Herzensprojekt einen Rekordsieg bei den Golden Globes hingelegt, konnte seine sieben Nominierungen allesamt in Preise ummünzen – darunter die Regie- und Drehbuchauszeichnung, die beiden Darstellertrophäen und jene in der Hauptkategorie, „Bestes Musical/Komödie“. Seine Oscar-Chancen stehen auch nicht schlecht.

Natürlich liebt Hollywood diesen Film

Wirklich unerwartet kommt der Erfolg jedoch nicht. Schon nach der Premiere von „La La Land“ bei den diesjährigen Filmfestspielen von Venedig war absehbar, dass die Showbiz-Komitees ihn lieben würden. Wenn es etwas gibt, wovon die Traumfabrik nicht genug bekommen kann, dann ist es nostalgische Selbstbespiegelung, die ihr für einen Moment das Gefühl gibt, „great again“ zu sein. Und „La La Land“ ist nostalgisch bis zum Abwinken – so nostalgisch, dass er sich an einer Stelle mit einem verschmitzten Wortwechselwink Richtung Publikum selbst dafür rechtfertigt: „It feels too nostalgic to me, what if people don't like it?“ – „Fuck 'em!“ Der Clou des Films liegt in der Erdung dieser unverschämten Nostalgie: über zwei junge Hauptdarsteller, deren charmante Bodenständigkeit die Schwärmerei ein bisschen unterläuft, und einen Plot, der im Lauf der Zeit überraschende Tiefe entwickelt.

Die virtuose Eröffnungssequenz legt die Karten unverhohlen auf den Tisch: Einer von vielen Highway-Staus im sonnigen Los Angeles („La La Land“ ist ein Spitzname der Stadt), die Kamera fährt die Kolonne entlang, aus jedem Autofenster tönt es anders. Dann steigt jemand aus, beginnt unvermittelt von seinen Sehnsüchten zu singen, bald trällert und tanzt die ganze Straße. Bis auf Mia (Emma Stone) und Sebastian (Ryan Gosling) – die sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Sie arbeitet als Kellnerin und hofft auf eine Schauspielkarriere.

Er ist unterforderter Barpianist und will einen Jazzclub eröffnen. Auf einer Party lernen sie sich kennen, und eine Bilderbuchromanze nimmt ihren Lauf.

Diese ist nach Jahreszeiten gegliedert, wie Jacques Demys „Die Regenschirme von Cherbourg“, einem Vorbild Chazelles. Überhaupt ist die erste Hälfte von „La La Land“ ein einziger, schwelgerischer Anspielungsreigen. Von „Singin' in the Rain“ über Fred Astaire and Ginger Rogers wird alles referenziert, was in der Musicalgeschichte Rang und Namen hat. Auch sonst beschwört der Liebestaumel durch die schimmernde Kunstwelt von L. A. eine romantische Idealvorstellung klassischer Kinomagie. Erst steppen Seb und Mia vor der Sonnenuntergangs-Skyline, später sehen sie im historischen Rialto-Filmpalast „Denn sie wissen nicht, was sie tun“. Kurz vor dem ersten Kuss reißt die Vorführung ab, also führen sie sie selbst weiter, fahren ins Griffith-Planetarium und schweben dort im Walzertakt vor dem falschen Sternenhimmel durch die Luft.

Ein tragischer Kern

Leider hebt der etwas überambitionierte Film selbst nie richtig ab. Seine vertrackten Breitwand-Plansequenzen und Kamerapirouetten behaupten Leichtigkeit, wirken aber zu angestrengt (im Unterschied zur famosen und bombastfreien Musik von Justin Hurwitz). Getragen wird er von Goslings sympathischer Selbstironie, Stones ausdrucksstarker Mimik und dem Zusammenspiel des erprobten Leinwandpaars. In Tanz und Gesang nehmen sich die zwei indes zurück – als würden sie wissen, dass alles nur ein Traum ist.

Ist es ja auch. Dass „La La Land“ das anerkennt, kommt ihm schließlich zugute. Statt komplett in Kitsch zu kippen, schlägt er eine bittersüß-melancholische Note an. Auf den Sommer folgt der Herbst, das Leben fordert seine Kompromisse. Als die großen Pläne der Verliebten zu scheitern drohen, gerät ihre Beziehung in die Krise. In vielerlei Hinsicht erinnert die Handlung an Woody Allens „Café Society“: Auch hier speist sich das Gefühl aus der Reibung zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Zuletzt wird noch zurückgeblickt, auf das, was hätte sein können, und der tragische Kern hinter jeder nostalgischen Geste kommt auf berührende Weise zum Vorschein.

„La La Land“ kommt am 13. Jänner in die Kinos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2017)

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