Batman mit Legosteinen: So geht Meta-Kino

 „There's a million heroes – but I'm the best of them all“, singt die Legoversion des Superhelden Batman selbstsicher. Hinter der Maske steckt aber ein gelangweilter Typ, der seine Entwicklungshemmung überwinden muss.
„There's a million heroes – but I'm the best of them all“, singt die Legoversion des Superhelden Batman selbstsicher. Hinter der Maske steckt aber ein gelangweilter Typ, der seine Entwicklungshemmung überwinden muss.(c) Warner Bros.
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Statt das Feld den Fans zu überlassen, kümmert sich das Filmstudio Warner gleich selbst um die Parodie auf seine Figuren und Erzählwelten – und liefert mit „The Lego Batman Movie“ ein Dauerfeuer aus Gags und Popkultur-Anspielungen.

Hätte man vor zehn Jahren gesagt, dass einer der erfolgreichsten Animationsfilme der Zukunft die Produktpalette des dänischen Bauklotz-Imperiums Lego „adaptieren“ würde, hätte man wohl ungläubiges Stirnrunzeln geerntet. Inzwischen wissen wir, wie schnell sich Zeiten ändern können: Was gestern absurd schien, ist heute selbstverständlich. Aber den großen Anklang von „The Lego Movie“ (2014) bei Publikum und Kritik sahen die wenigsten voraus. Schmerzhafte Erinnerungen an Blockbuster-Debakel wie die Brettspiel-Verfilmung „Battleship“ waren noch nicht ganz verflogen, und der Lego-Marke fehlte bei aller Beliebtheit ein klares Profil.

Doch die Produzenten legten ihr Projekt in gute Hände: Phil Lord und Christopher Miller, ihres Zeichens Urheber cleverer Augenzwinker-Comedys („Clone High“, „21 Jump Street“) und Spezialisten für postmodernen Witz, bastelten ein widersprüchliches Wunderding für jeden Geschmack. Ihr Lego-Film war Werbevideo und Konsumkritik, kunterbunter Kreativitätsappell und ironische Heldenreisen-Dekonstruktion mit konservativem Kern. Und nicht zuletzt die vielleicht erste Großproduktion seit der Cartoon-Collage „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ mit direktem Draht zum Fantasieleben der Popkultur: Zwischen den Bausteinen tummelten sich (dank Legos Merchandising-Deal mit Warner Bros.) Ninja Turtles neben „Herr der Ringe“-Zauberer Gandalf und diversen DC-Superhelden – genau wie in den Spielzimmern unzähliger Kinder oder den YouTube-Kanälen des Fan-Universums.

Batman, der Größte – und der Einsame

Auch Batman war mit von der Partie – und kam so gut an, dass ihn die Fortsetzung „The Lego Batman Movie“ von Regisseur Chris McKay in den Mittelpunkt stellt. Denn jetzt mal ehrlich: Wer mag Batman nicht? Niemand. Alle lieben Batman. Batman ist der Größte! Davon kann vor allem einer ein Lied singen: Batman. Und das tut er auch, begleitet von fetzigen Gitarrenriffs: „In the darkest night / I make the bad guys fall / There's a million heroes / but I'm the best of them all!“ Man merkt schon: Die Spielzeug-Version des dunklen Ritters (toll: Will Arnett mit aufgesetzter Raspelstimme) hat sich den Heldenkult ein klein wenig zu Kopf steigen lassen.

Vielleicht nicht ganz zu Unrecht: In der fantastischen Eröffnungssequenz vereitelt er im Blindflug einen Erzschurken-Großangriff, Gotham City liegt ihm zu Füßen. Doch wer hätt's gedacht – hinter der Maske steckt ein einsamer Mann mit Beziehungsängsten, der in seinem Höhlenversteck gelangweilt Mikrowellenhummer futtert und die Zeit mit Hollywood-Schnulzen totschlägt. Nicht mal den Joker (Zach Galifianakis), seinen fraglos liebsten Feind, lässt er wirklich an sich heran. Also verordnet Butler und Ersatzvater Alfred (Ralph Fiennes) eine Verantwortungskur: Der Waisenjunge Dick Grayson (Michael Cera) muss erzogen werden, vorzugsweise im Laufe unglaublicher Abenteuer.

Und die haben einiges zu bieten – vor allem überbordenden, um nicht zu sagen überfordernden Detailreichtum. Die Gag-Dichte ist rekordverdächtig. Wer beim Dialogwitz-Dauerfeuer nicht mitkommt, kann sich in die Augenkramläden der Kulissenkonstrukte vertiefen, die selbst Ausstattungspedanten wie Wes Anderson neidisch machen würden. Damit nicht genug: Ständig setzt es Anspielungen. Referenziert wird alles Mögliche, von jüngeren Batman-Filmen über Kuriositäten aus der ulkigen Sechziger-Serie mit Adam West (Stichwort Bat-Anti-Haifisch-Spray) bis zu Internet-Kultobjekten wie dem Gymnastik-Kampfsportfilm „Gymkata“. Kennen Sie nicht? „Google it“, heißt es einmal Richtung Publikum.

Insofern bildet „The Lego Batman Movie“ den bisherigen Gipfelpunkt modernen Metakinos – und ein Musterbeispiel intertextueller Produktpflege. Nicht von ungefähr geben sich zum Ende hin berühmte Besucher aus anderen Warner-Erzählwelten die Ehre, und man wird das Gefühl nicht los, dass sich der Film trotz Familientauglichkeit vornehmlich an deren (erwachsene) Zielgruppen richtet. Zwar vermittelt die Handlung Werte wie Zusammenhalt und Teamwork, doch in erster Linie geht es um die Überwindung von Batmans mannskindhafter Entwicklungshemmung. Stellenweise erinnert die Egozentrik der Hauptfigur sogar an den depressiv-narzisstischen Pferdemenschen aus „BoJack Horseman“ – und das nicht nur, weil beide von Will Arnett gesprochen werden.

So funktioniert Markenwertschöpfung

Wie dem auch sei: So funktioniert flächendeckende Markenwertschöpfung. Statt den Fans die Parodie zu überlassen, kümmern sich die Rechteinhaber selbst darum. Und wenn das Ergebnis dermaßen unterhaltsam ausfällt, kann man es ihnen fast nicht übel nehmen. Manchmal wird einem die atemlose Hochdruck-Effizienz, mit der „The Lego Batman Movie“ Witze wirft und Emotionsknöpfe drückt, regelrecht unheimlich. Man kommt sich vor wie ein Pawlow'scher Hund, der blind auf Schlüsselreize reagiert: Batman – kenn ich. Robin – kenn ich. Lustiger Lego-Kopf – Kicher. Trauriger Lego-Kopf – Seufz. Als wäre es ein Film für Wahrnehmungsapparate, die auf das Abscannen von Facebook-Feeds geeicht sind, als wollte er gelesen werden, nicht gesehen. Und möglicherweise ist er darin seiner Zeit voraus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2017)

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