Rassismusdrama „Fences“ als großes Schauspielerkino

Unterdrückter und Unterdrücker zugleich: Denzel Washington mit Viola Davis.
Unterdrückter und Unterdrücker zugleich: Denzel Washington mit Viola Davis. (c) Constantin
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In „Fences“ spielt Denzel Washington überzeugend einen schwarzen Patriarchen, der seinen Anspruch auf Autorität mit seinem Kampf gegen den Rassismus begründet. Doch der eigentliche Star des Films ist Viola Davis als seine Frau.

Jeden Freitagabend blüht Troy Maxson auf. Dann schlendert er mit seinem Freund von der Arbeit bei der Müllabfuhr heim, öffnet eine Flasche Gin, küsst seine Frau Rose, setzt sich in seinen Hinterhof und erzählt: wahre und nicht so wahre Geschichten aus seiner Vergangenheit, von seinen Tagen als Baseball-Star in der Negro League, oder von seinen Begegnungen mit dem Tod, den er eigenhändig davongejagt habe – ohne um sein Leben zu betteln, natürlich. „Du wirst nie erleben, dass ich irgendjemanden um irgendetwas bitte“, rühmt er sich.

Dass sein Stolz groß ist – und ihm durchaus im Weg steht –, wird schnell klar im Film „Fences“, den Denzel Washington selbst nach der Vorlage von August Wilsons gleichnamigem Theaterstück inszenierte. Dieses, 1983 in Connecticut uraufgeführt, gewann nach seiner Broadway-Premiere einen Pulitzer Prize und einen Tony Award und harrte dann lang seiner Verfilmung. Wilson selbst, 2005 verstorben, schrieb das Drehbuch. 2010 wurde das Bühnenstück am Broadway erneut aufgenommen, Denzel Washington und Viola Davis spielten die Hauptrollen.

Die beiden geben das Ehepaar Maxson auch jetzt im Film, der über weite Strecken immer noch wirkt wie ein Theaterstück: Es gibt nur wenige Schauplätze, die allermeisten Szenen spielen in der Küche oder im Hof der Familie im Pittsburgh der 1950er-Jahre. Wie die Welt außerhalb der Reichweite der Figuren aussieht, zeigt der Film nicht, er bleibt stets nah an ihnen und lässt sich in ruhig inszenierten, langen, schwergewichtigen Dialogen ganz auf sie ein. „Fences“ lebt von der Leistung der Schauspieler: Viola Davis ist eine Wucht, sie zieht als über die Maßen tolerante, aber auch tief verletzte Ehefrau Rose in ihren Bann und darf auf einen Oscar hoffen. Denzel Washington, der fast jede Szene des Films beherrscht, erringt mit seinem eindringlichen Spiel Sympathien für einen Mann, den man eigentlich nicht mögen will.

Er ist hier Unterdrückter und Unterdrücker zugleich: Er hätte gern in der Major League Baseball gespielt, doch als diese auch für schwarze Spieler geöffnet wurde, war er bereits zu alt. Die Enttäuschung darüber ist Jahre später noch immer groß – so groß, dass er seinem Sohn Cory, der mit einem Stipendium aufs College gehen könnte, die erträumte Football-Karriere verbietet: Als Schwarzer hätte er letztlich eh keine Chance, betont er. „Die Zeiten haben sich geändert“, sagt Rose vergeblich, „und dir fällt das gar nicht auf.“

In Wahrheit verschließt er sich wohl vor dieser Erkenntnis – weil er nicht aushalten kann, dass das Leben der nächsten Generation einfacher und freier sein könnte als das, das ihm beschieden war. Und dass er für sein Scheitern auch selbst verantwortlich sein könnte. Lieber suhlt er sich in seinem Groll, wettert gegen den Rassismus, der ihm ein Leben lang im Weg stand – und immer noch steht, immerhin muss er Mülltonnen schleppen, während seine weißen Kollegen den Müllwagen fahren dürfen.

Es geht in „Fences“ aber weniger um Rassendiskriminierung als um die Wunden, die sie hinterlässt. Es ist das Porträt eines Patriarchen, der seine Autorität mit dem Kampf begründet, den er jahrelang gegen ein ihn benachteiligendes System führen musste – und der nun versucht, diese Autorität zu verteidigen, während Angst, Schuld und Scham zunehmend an ihm nagen: So kann er sich das Haus, das er seiner Familie stolz bietet, nur durch das Geld leisten, das seinem Bruder Gabriel (Mykelti Williamson) zugesprochen wurde, nachdem diesem im Krieg eine Kugel in den Kopf geschossen worden war. Gabriel wurde geistig zurückgeworfen, wandert nun jeden Tag mit seiner Trompete durch die Straßen und warnt vor dem Jüngsten Gericht. Troy spricht indessen von der Verantwortung, die er als Familienoberhaupt wahrnimmt – und verlangt allerseits Dankbarkeit.

Rose explodiert vor Verzweiflung

So nimmt das familiäre Drama seinen Lauf, immer wieder ist Freitagabend, immer wieder idealisiert sich Troy zwischen Wutausbrüchen und ausgelassenem Schwadronieren zu einer Art lebenden Legende. Stück für Stück baut er den titelgebenden Zaun um seinen Hof, während er – sicher, das Richtige zu tun – immer mehr von dem zerstört, das er drinnen sichern will.

So überzeugend Washington diesen komplexen Charakter spielt, der eigentliche Star des Films ist Davis. Wenn Rose vor Wut und Verzweiflung explodiert, Rotz und Wasser spuckt, tobt ob der vertanen Chancen, der ungerechten Opfer, die sie für diese Familie brachte – und dann mit ungeheurer Anmut den Platz für sich beansprucht, den Troy ihr nie gelassen hat, dann vergisst man gern die Schwächen des Films, der sich streckenweise so statisch am Bühnenstück festhält. Das ist großes Schauspielerkino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2017)

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