„The Birth of a Nation“: Heldenkitsch aus der Hollywoodplantage

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Mit „The Birth of a Nation“ hat Schauspieler und Regisseur Nate Parker die Geschichte des kontroversen schwarzen Sklavenaufstandsführers Nat Turner verfilmt – und in einen kantenlosen „Braveheart“-Verschnitt verwandelt.

Wie alle heiligen Schriften ist die Bibel prädestiniert für selektive Auslegung. Wer unbotmäßige Schäfchen besänftigen will, findet das rechte Wort im ersten Petrusbrief: „Ihr Knechte, seid untertan mit aller Furcht den Herren, nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen.“ Hat man hingegen einen gewaltsamen Aufstand im Sinn, so kann Psalm 149 dienlich sein: „Ihr Mund soll Gott erheben, und sie sollen scharfe Schwerter in ihren Händen haben, dass sie Rache üben unter den Heiden, Strafe unter den Völkern.“ Als die Frau eines Plantagenbesitzers dem jungen Sklaven Nat Turner (den sie zu ihrem Bildungsprojekt erkoren hat) das Buch der Bücher in die Hand drückt, will sie ihn damit von brisanterem Gedankengut ablenken – die anderen Texte im Regal seien nur „für weiße Leute, voller Dinge, die ihr Schwarzen nicht versteht“. Dass sie damit einen neuen Spartakus gebiert, ahnt sie nicht.

Turner ist, wie viele afroamerikanische Freiheitskämpfer und Aktivisten, eine gleichermaßen mythisierte wie kontroverse Figur. Bezeichnenderweise trägt eine TV-Doku, die Regielegende Charles Burnett über den Mann gedreht hat, den mehrdeutigen Titel „A Troublesome Property“. Mit 22 Jahren hatte Turner eine Epiphanie und fühlte sich von Gott zum Rebellen berufen. Später, im August 1831, initiierte er eine bewaffneten Sklavenerhebung, der in Virginia circa 60 Weiße zum Opfer fielen. Die Brutalität, mit der die Aufständischen vorgingen, schockiert – verblasst aber im Vergleich zur maßlosen systemischen Gewalt der Sklaverei.

Ein politisches Statement

Nun hat der Schauspieler Nate Parker („Non-Stop“) den ersten „richtigen“ Hollywoodfilm über Turner gedreht. Dass er seine Arbeit als Gegenerzählung und radikales Polit-Statement versteht, zeigt schon der Titel „The Birth of a Nation“ – eine Anspielung auf das gleichnamige Werk von D. W. Griffith, das sich in der filmhistorisch prekären Position befindet, zugleich ein bildsprachlicher Markstein und ein Ku-Klux-Klan-Propagandastreifen zu sein. Tatsächlich kann es nicht allzu leicht gewesen sein, das Projekt zu stemmen. Die Offenheit der Traumfabrik für strittige Themen ist bekanntlich verschwindend gering – ganz besonders, wenn es sich dabei um „schwarze“ Themen handelt. Doch der Erfolg von Filmen wie „12 Years a Slave“ und „Django Unchained“, das neuerliche Aufflammen von Rassismusdebatten in den USA und Dokus wie „I Am Not Your Negro“, „13th“ und „O. J.: Made in America“ beförderten die Produktion.

Umso enttäuschender, dass Parker jede Chance verabsäumt, der Komplexität seines Protagonisten – den er selbst spielt – gerecht zu werden. Turner ist kein streichelweiches Biopic-Objekt, sondern jemand, den man heute als „Hassprediger“ und „Terrorist“ einstufen könnte – wären die rassistischen Ausbeutungsmechanismen seiner Zeit nicht so offenkundig und die Motive seiner Aktionen nicht so nachvollziehbar. Doch statt den moralischen Dilemmata, die jede noch so legitime Revolte mit sich bringt, ins Auge zu blicken, macht der Film seine Hauptfigur zum kantenlosen Märtyrer und liefert eine abgespeckte „Braveheart“-Variation. Die Grausamkeit der herrschenden Verhältnisse erkennt Turner schon früh im Leben. Zunächst gib er sich jedoch kompromissbereit, milde gestimmt von der relativen Barmherzigkeit seines Herrn und Sandkastenfreundes Sam (Armie Hammer). Doch als ihn der aus Geldnot dazu zwingt, von Plantage zu Plantage zu ziehen und schwarze Leidensgenossen mit scheinheiligem Sermon stillzustellen, regen sich rebellische Gefühle.

Eine Reihe eklatanter Ungerechtigkeiten bringt das Fass schließlich zum Überlaufen – und gibt Parker grünes Licht für das volle Mel-Gibson-Programm: Heldenpathos, Todeskitsch, Rachekatharsis. Alles wird mit Pomp serviert und weidlich ausgekostet. Plumpe Symbolik (blutende Maiskolben, düstere Traumsequenzen) darf nicht fehlen, während ungustiöse Aspekte der Rebellion (etwa die Ermordung von Kindern) geflissentlich ausgeblendet werden. Nach seiner Premiere beim Sundance-Festival 2016 wurde „The Birth of a Nation“ gefeiert und als Oscar-Kandidat gehandelt, doch das Aufbranden einer Vergewaltigungsklage gegen den Regisseur begrub die Statuetten-Hoffnung schnell. Fraglich, ob ein Sieg des Films für Furore gesorgt hätte: Im Versuch, das Radikale einem größeren Publikum schmackhaft zu machen, beraubt Parker es jeglicher Radikalität.

DIE GEBURT EINER NATION

Filmgeschichte.„The Birth of a Nation“ hieß schon D. W. Griffiths dreistündiger Historienfilm (1915), der mit technischen Effekten, aufwendigen Schlachtenszenen und einer Farbsequenz filmische Meilensteine setzte und das kommerziell erfolgreichste Werk der Stummfilmära war. Die rassistische Geschichte glorifizierte den Ku-Klux-Klan und trug maßgeblich zu dessen Wiederauferstehung bei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2017)

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