Film: König Artus und die Ritter der Schwafelrunde

Ein Auserwählter wider Willen: Artus (Charlie Hunnam) wandelt durch eine unnötig verkomplizierte Handlung.
Ein Auserwählter wider Willen: Artus (Charlie Hunnam) wandelt durch eine unnötig verkomplizierte Handlung.(c) Daniel Smith (Daniel Smith)
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In „King Arthur: Legend of the Sword“ wird die altgediente Ritterlegende einer Brachialmodernisierung durch den Action-Manieristen Guy Ritchie unterzogen. Das Resultat ist ein konfuses Mischmasch aus angesagten Ästhetiken.

Die Verlockung, das Remake eines Films mit dem Original zu vergleichen, ist immer wieder groß: Oft hilft die Gegenüberstellung, Stärken und Schwächen beider Arbeiten hervorzukehren. Auch bei Kinoadaptionen literarischer Vorlagen kann der Kontrast zwischen Quelle und Deutung spannende Erkenntnisse zu Tage fördern. Was wurde unterschlagen, was betont? Liegen die Unterschiede am Ausdrucksvermögen des jeweiligen Mediums? Oder haben die verantwortlichen Künstler widersprüchliche Zugänge zum Material? Wie aufschlussreich diese Fragen auch sein mögen: Manchmal scheint es müßig, sie zu stellen. Namentlich dann, wenn sich die Urheberschaft des „Originals“ nicht genau festlegen lässt – oder wenn es selbst ein Flickwerk aus Versatzstücken bildet, das sich Zeitgeist und Kontext anpasst wie ein Chamäleon.

Zu diesen Gestaltwandler-Urtexten zählen viele religiöse Schriften, aber auch die meisten Sagen, Mythen und Legenden. Eine der wirkmächtigsten ist die britische Mär um König Artus, nach wie vor ein unverbrüchliches Sinnbild rechtschaffenen Rittertums. Im Laufe der Jahrhunderte wurde seine Geschichte x-fach erweitert, gekürzt und umgedichtet. Auch auf der Leinwand hat sie etliche Gesichter. John Boorman tauchte die „Excalibur“-Erzählung in Düsterdunst und Wagnerklang. Die „Monty Python“-Komiker machten aus Artus eine verpeilte Witzfigur. Produzent Jerry Bruckheimer steckte ihn in eine römische Rüstung, verzichtete auf magische Elemente und verkaufte das Ganze als „wahre Begebenheit“. Das war vor 13 Jahren – Zeit für eine Neuauflage. Doch wie bringt man Ritter Rost auf Hochglanz für die Blockbuster-Turniere der Gegenwart?

Hauptsache „fetzig“

Die naheliegendste Antwort lautet offenbar: Man engagiert Guy Ritchie. Der britische Regisseur reüssierte im Fahrwasser von Tarantino mit zwangslässigen Gangster-Klamotten. Er ist der lebende Beweis dafür, dass Kultstatus nur bedingt mit Originalität und Erzähltalent zu tun hat. Viel wichtiger: Eine Handvoll markanter Stilmerkmale. In Ritchies Fall wären das großmäulige Macho-Typen, „fetzige“ Kameramanierismen und einprägsame Soundtracks. Diese Zutaten machten seine letzten drei Kinomodernisierungen angestaubter Stoffe („Sherlock Holmes“ 1 & 2, „The Man from U.N.C.L.E.“) zu Kassenschlagern. Also darf er jetzt ans Mittelalter ran. Was kann schon schiefgehen?

„King Arthur: Legend of the Sword“ zeigt: So gut wie alles. Schon lange hat man keinen so konfusen Großfilm mehr gesehen – ein unausgegorenes Brimborium um wild zusammengewürfelte Fragmente der Artussage, dessen schizophrene Verkoppelung angesagter Pop-Ästhetiken mehr frappiert als verblüfft. Die Handlung imaginiert Artus (Charlie Hunnam) als Auserwählten wider Willen. Zu Beginn verliert er wie Batman seine Eltern, weil Onkel Vortigern (Jude Law) den Thron von Camelot mit Gewalt für sich in Anspruch nimmt.

Gleich Moses wird der Baby-Prinz ausgesetzt und landet in Londinium, wo sich eine Bordell-Belegschaft seiner annimmt. Knapp zwei Dekaden später steht er den Matronen als gewiefter Bodyguard zur Seite. Doch das Schicksal ruft: Durch seine Angst vor der Prophezeiung eines „geborenen Königs“ setzt Vortigern selbige in Gang und lotst Artus unwillkürlich in Richtung Excalibur. Schließlich steigt dieser zum Anführer einer Gruppe von Widerstandskämpfern auf. Mit dabei: Bedivere (Djimon Hounsou), Parzival (Craig McGinlay) und eine mysteriösen Magierin (Astrid Bergès-Frisbey), die wie eine Kreuzung aus Guinevere und Merlin wirkt.

Wie ein überdimensionierter Trailer

Die Artus-Story wird hier unnötig verkompliziert – und dann mit der Schraubzwinge auf zwei Stunden zusammengestaucht. Zuweilen hat man vor lauter Montagesequenzen das Gefühl, der Film wäre ein einziger, überdimensionierter Trailer. Dabei sorgt der Plauderton der Protagonisten – die mit anachronistischen Slangworten wie „razzle-dazzle“ und „chop-chop“ um sich werfen, als wären sie die Cockney-Ritter der Schwafelrunde – für lockere Grundstimmung. Doch schon Minuten später kann diese ins Finster-Traumatische kippen.

Tonal und formal ist „King Arthur“ ebenso verwirrt wie inhaltlich: Der Film erscheint als bizarres Mischmasch aus „Herr der Ringe“, „Game of Thrones“, Justin Kurzels dämmriger „Macbeth“-Verfilmung, Marvel-Superheldenkino und Ritter-Abenteuer. Visuell nimmt er zudem Anleihen bei Computer-Rollenspielen wie „Dark Souls“. Handelt es sich um eine klassische Heldenreise – oder doch um eine verschlüsselte Brexit-Parabel? Schwer zu sagen bei allem, was einem da an Ideen entgegenschwirrt. Der einzige Vorteil dieses Flächenbombardements ist, dass (wahrscheinlich) für jeden was dabei ist.

Vielleicht gefällt jemandem ja Daniel Pembertons frenetische Musik, die das Blockbuster-Kartenhaus mit treibenden Rhythmen zusammenhält. Oder das Fantasy-Bestiarium mit seinen Riesenschlangen und Tentakel-Sirenen. Oder Hunnams und Laws charismatisches Schauspiel. Aber ganz ehrlich: Man hätte das Schwert auch im Stein lassen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2017)

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