„Paris kann warten“: Genussreise durch Frankreich

Sommerliche Reise: Alec Baldwin (als erfolgreicher Hollywood- Produzent), Diane Lane (als dessen Gattin) und Arnaud Viard (als Lebemann) in „Paris kann warten“.
Sommerliche Reise: Alec Baldwin (als erfolgreicher Hollywood- Produzent), Diane Lane (als dessen Gattin) und Arnaud Viard (als Lebemann) in „Paris kann warten“.(c) Tobis
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Eleanor Coppola hat mit 80 ihren ersten Spielfilm gedreht. Er zeigt eine Frau auf Schlemm- und Schäker-Tour durch Südfrankreich: Wohlstandswohlfühlkitsch mit Herz.

Nur zwei Wochen ist es her, seit Sofia Coppolas „Die Verführten“ in den heimischen Kinos angelaufen ist, da startet schon der nächste Film aus der Kreativschmiede ihrer Familie. Und er stammt weder von Regielegende Francis Ford Coppola noch von dessen Sohn Roman, sondern von Eleanor, Francis Fords Frau, der Mutter von Sofia und Roman Coppola. Als Filmemacherin hat sie sich bisher nur selten betätigt – und wenn, dann dokumentarisch. 1976 begleitete sie ihren Mann bei den Dreharbeiten zu „Apocalypse Now“ und zeichnete auf, wie sich das Set langsam in ein Katastrophengebiet verwandelte. Zusammen mit George Hickenlooper und Fax Bahr montierte sie das Material in den Neunzigerjahren zu „Hearts of Darkness: A Filmmaker's Apocalypse“, einer faszinierenden Vermessung des schmalen Grats zwischen Genie und Wahnsinn. Es folgten weitere Making-ofs und eine Doku über chinesische Textilkunst. Dass Coppola mit 80 Jahren noch einen Spielfilm dreht, hätten wohl die wenigsten erwartet – laut Interviews nicht einmal sie selbst.

Umso überraschender, wie souverän das Ergebnis geworden ist: Man merkt „Paris kann warten“ kaum an, dass es sich um das Werk einer Debütantin handelt. Vielleicht hat das mit der Kompetenz der Filmhandwerker zu tun, die Coppola für das Projekt gewinnen konnte – darunter Schnittmeister Glen Scantlebury („Bram Stoker's Dracula“) und die talentierte französische Kamerafrau Crystel Fournier („Girlhood“).

Womöglich liegt es aber auch an der Weisheit des Alters: Coppolas Film besticht vor allem mit einer inszenatorischen Gelassenheit, die viele Jungfilmer vermissen lassen. Und diese passt perfekt zum sommerlichen Inhalt: Anne (Diane Lane) und ihr erfolgreicher Produzentengatte Michael (Alec Baldwin, nur am Anfang kurz zu sehen) sind auf dem Sprung von Cannes nach Budapest. Ohrenschmerzgeplagt entscheidet sich die Dame für den Direktweg nach Paris, und Michaels Geschäftspartner Jacques (Arnaud Viard) bietet ihr eine Mitfahrgelegenheit an. Aus dem kurzen Road-Trip wird allerdings eine dreitägige Schlemm- und Schäker-Tour, bei der Annes schönes Leben Gefahr läuft, von der Ahnung eines noch schöneren Lebens ausgebootet zu werden.

Denn Jacques ist ein französischer Lebemann, wie er im Buche steht. Ganz aufrichtig verliebt er sich in jede schöne Frau, die ihm begegnet, und seinem Charme zu widerstehen ist schwer. Als Gourmet kennt er die besten Restaurants der Gegend – und deren Besitzer natürlich auch.

Autopanne? Gleich ein Picknick!

Unterwegs singt er sehnsuchtsvoll „Que reste-t-il de nos amours?“, hat zu jeder Sehenswürdigkeit eine Geschichte in petto – weiß aber auch, wie man zuhört. Kein Ärgernis kann ihm die Laune verderben: Autopanne? Gelegenheit für ein Picknick! Selbst seine Anzüglichkeiten haben Raffinesse: „Stellen wir uns vor, wir wären in Manets ,Frühstück im Grünen‘“, scherzt er beim Pflücken wilder Wasserkresse am Seeufer.

Anne ist durchaus angetan, aber auch kein Schulmädchen mehr. Die Schattenseiten des Schwerenöters bleiben ihr nicht verborgen: Ständig laufen ihm alte Liebschaften über den Weg – und wenn es ums Geld geht, bittet er meist um ihre Kreditkarte. Doch am Ende stört das nicht wirklich; Schließlich geht es hier nur um eine erquickliche Fantasie, ein Divertissement.

Erinnerung an Tourismusbroschüren

Genussreisenfilme wie „Paris kann warten“ bilden fast schon ein eigenes Genre – man denke an Ryan Murphys „Eat Pray Love“. Oft wirken sie wie Tourismusbroschüren, und auch Coppola übertreibt es mit der Anpreisung regionaler Attraktionen, von der Haute cuisine bis zum Lumière-Museum in Lyon. An der Oberfläche wirkt ihr Film wie Wohlstandswohlfühlkitsch. Allzu weit ist er davon tatsächlich nicht entfernt, doch im Unterschied zu ähnlichen Arbeiten fühlt er sich ehrlich an. Statt fremde Wunschvorstellungen zu bedienen, spielt er mit denen der Regisseurin, zum Teil auf Basis persönlicher Erfahrungen (womöglich bildet Richard Linklaters „Before Sunrise“ ein entferntes Vorbild). Jacques ist kein idealisierter Lover aus dem Groschenheft, sondern eine richtige Figur mit Stärken und Schwächen.

Die Handlung bietet kein Selbsthilfeseminar, sie erzählt eine bittersüße Anekdote. Zudem überzeugt die Natürlichkeit der Schauspieler – mit Lane und Viard verbringt man gerne Zeit. Was bleibt, ist eine angenehme Erinnerung. Und was lässt sich dagegen sagen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2017)

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