Dieser Emoji-Film hat einen Virus

Außenseiter in einer monoemotionalen Welt: „Meh“-Emoji Gene und High-Five.
Außenseiter in einer monoemotionalen Welt: „Meh“-Emoji Gene und High-Five.
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„Emoji – der Film“ über das Innenleben der Smartphones ist im Grunde eine lange, nervtötende App-Werbung. Schauen wir lieber ins eigene Handy.

Unbelebten oder abstrakten Dingen Leben zu verleihen und zu erkunden, wie Systeme aussehen könnten, wären sie den gleichen Mechanismen und Ordnungen unterworfen wie die menschliche Gesellschaft, ist Film- und Serienmachern seit Langem ein reizvolles Unterfangen. Viele werden sich wohl an die französische Zeichentrickserie „Es war einmal . . . das Leben“ erinnern, die ab den 1980er-Jahren den menschlichen Körper erklärte, indem sie etwa drollige rote Blutkörperchen mit Kohlendioxid beladen in Richtung Lunge marschieren ließ oder roboterhafte Fresszellen auf gemeine Viren ansetzte. Der jüngere Disney-Film „Alles steht Kopf“ erkundete virtuos die chaotische Gefühlswelt eines Mädchens in einer emotionalen Krise, inklusive Abenteuerreisen durch endlose Regalreihen voller Erinnerungen und einem Ausflug ins abstrakte Denken. Im Grunde funktionieren solche Filmanordnungen meist ähnlich: Eine Kommandozentrale steuert allerlei anthropomorphe Figuren, die, solange sie wie vorgesehen ihren Job machen, ein komplexes System am Laufen halten.

Braunes Häufchen macht Fäkalwitz

Auch der neueste Versuch von Sony Pictures über das Innenleben unserer Smartphones folgt diesem Prinzip – allerdings, ohne dabei stringent oder schlüssig zu sein. Auch nicht lustig. Oder in irgendeiner Weise hintersinnig, berührend, packend, unterhaltsam oder wenigstens lehrreich. Im Gegenteil: „Emoji – der Film“, schlachtet die Tatsache, dass die kleinen Smartphone-Symbole halt ziemlich präsent sind in der modernen Kommunikation und somit jeder irgendwie eine Beziehung zu ihnen hat, gnadenlos aus zugunsten eines plumpen, undurchdachten, technologisch hanebüchenen und noch dazu nervtötenden Animationsabenteuers. Aber hey, wozu eine gute Story oder einfallsreiche Komik bemühen, wenn man einfach das Pile-of-Poo-Emoji einen Fäkalwitz machen lassen kann oder beim Publikum heimelige Gefühle wecken: „Schau, die App hab ich auch!“

Der Plot: Sämtliche Emojis leben in einer kacheligen, bunten Stadt innerhalb der Messaging-App eines Teenagers und buhlen darum, in seinen Nachrichten zum Einsatz zu kommen. Inmitten der vielen monoemotionalen Emojis fühlt sich der junge Gene fehl am Platz: Er soll stets ein gleichgültiges Gesicht aufsetzen, beherrscht aber sämtliche Ausdrücke von Übelkeit bis Herzerlaugen. Als er deshalb einen Einsatz vermasselt, setzt die Emoji-Chefin, ein dauergrinsendes, innerlich tiefböses Smiley, eine Horde Malware-Roboter (oha, welch IT-Schlagwort!) zu seiner Vernichtung an. Gemeinsam mit dem in Ungnade gefallenen High-Five und einer Hackerin (!!) versucht Gene, von App zu App in die Cloud (!!!) zu fliehen.

So konstruiert wie die Story (deren Botschaft ungefähr lautet: Man darf auch anders sein) ist auch die glatte Welt, durch die Regisseur und Autor Tony Leondis – zwischen peinlichen Reverenzen an YouTube-Hits und sogar „Casablanca“ – navigiert und dabei wohl alle Begriffe aus dem Büchlein „Smartphones für Dummies“ in den Ring wirft. Da gibt es eine versteckte Spelunken-App, in der sich Viren, Spam und Trolle tummeln. Später dürfen die Protagonisten durch ein Disco-Spiel tanzen oder in der Spotify-App durch die Musikstreams rudern. Als sie sich, verfolgt von den bösen Robotern, in die Dropbox retten, fällt doch tatsächlich der Satz: „Keine Sorge, diese App ist sicher.“

Viel mehr als eine Product-Placement-Parade in Spielfilmlänge ist „Emoji“ nicht. Oder, um in der aufgesetzten Metaphorik des Films zu sprechen: Diesen Film kann kein Software-Update retten. Lieber Akku raus und in den Müll damit.

Emojis & Emoticons

Mehr als Smileys. Vom Schneemann bis zur Melanzani: Es gibt über tausend Emojis, aus Japan stammende Piktogramme, die vor allem in der Kommunikation via Smartphone benutzt werden, um Text zu ergänzen (oder zu ersetzen); am beliebtesten ist das Smiley mit Freudentränen. Die älteren Emoticons wie :-) werden aus Satzzeichen gebildet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2017)

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