Neues von Disney: Küss keinesfalls den Frosch!

Der Frosch
Der Frosch(c) Disney
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Mit dem neuesten Animationsfilm kehrt Disney zu alten Formen zurück: Ein mit Handzeichnungen animiertes Märchenmusical, die Geschichte eines Prinzen, der ein einfaches Mädchen liebt, entzückt - und befremdet.

Old fashioned ist im „jungen“ Amerika ein beliebtes Wort: beim Feiern, bei der Nahrung – und gelegentlich sogar bei Filmen. Disneys heurige Weihnachtsattraktion für die Kleinsten ist eine old fashioned Lovestory, auf altmodische Weise hergestellt. Das heißt, das Ganze erinnert anDumbo oder Die Schöne und das Biest – und ist weit entfernt von technisch imposanten Spektakelmonstren wie dem kürzlich präsentierten Christmas Carol in Digital und 3-D.

Das mit Handzeichnungen animierte Märchenmusical Küss den Frosch dürfte, wiewohl es auch nicht ohne grausliche Szenen ist, den meisten Minis gefallen und auch einige Erwachsene entzücken. Allerdings scheint es bis ins Detail vom Marketing geprägt. Merkwürdig, wie stark gewisse Kunstformen vom Kommerz gesteuert sind. Freiheit der Kunst? I wo. Natürlich ist das gerade in Hollywood nichts Neues.

Es dominieren kugelrunde Form und Harmonie in Küss den Frosch. Prinz, Prinzessin, Aschenputtel sind klassische Kinderlieblinge und Standardfiguren bei Disney. Der berühmte Bär Balu aus dem Dschungelbuch(„Probier's mal mit Gemütlichkeit“) kommt hier wieder als jazzbesessener Alligator. Die Kleinfigur, ohne die kein Disney-Film auskommt, ist ein fast zahnloses Glühwürmchen, das den Abendstern anbetet, den es für seinesgleichen hält. Wie in Fantasia gibt es üppige Tanz- und Gesangszenen.

Im Vorfilm sieht man eine Prinzessin, die nach langem Sträuben einen Frosch küsst – worauf dieser zum Prinzen werden sollte. Hier wird die Prinzessin zur Froschfrau. Das ist die komischste Szene des Films, in puncto Originalität aber auch die einzige.

Irritierend ist die Darstellung der Schwarzen und Weißen. Die Weißen sind reich und mächtig, die Schwarzen arm und liebenswürdig. In den USA wird über diese Stereotypen diskutiert, da es – notabene – Disney-Filme aus den Vierzigern des letzten Jahrhunderts geben soll, die unter Verschluss gehalten werden, weil sie als rassistisch gelten.

Mancherlei Einwänden zum Trotz ist das neue Disney-Mainstream-Musical insgesamt aber sehr charmant geraten: Im New Orleans der Jahrhundertwende träumt das schwarze Mädchen Tiana von einem Restaurant in der alten Zuckerfabrik, ihre reiche weiße Freundin Charlotte von einem Prinzen. Als dieser tatsächlich erscheint, beginnen die Komplikationen. Ein böser Voodoopriester, nicht unähnlich dem Captain Hook aus „Peter Pan“, aber viel bunter, verzaubert Prinz Naveens unzufriedenen Diener Lawrence in seinen Herren – und den echten Naveen in einen Frosch. Liest man das Buch (Schneider-Egmont), kommt einem die Story total wirr vor. Im Film ist das anders. Die rasante Folge beliebter Szenen aus dem Disney-Repertoire lässt alles ziemlich logisch erscheinen.

Skurril, herzig, gruselig

Am Ende bleibt eine farbenfrohe Erinnerung an skurrile, herzige, auch gruselige Sequenzen. Nachdem Tiana den Froschprinzen geküsst hat und zur Froschfrau geworden ist, stellen die beiden Menschentiere fest, dass sie höchst unterschiedliche Vorstellungen von gemeinsamem Abenteuerbestehen haben. Tiana baut das Floß, sie rudert, er liegt auf der faulen Haut.

Doch bald, oh wundersame Verwandlung, lehrt Tiana ihren Gefährten das hurtige Schneiden von Gemüse – und er lehrt sie, die immer nur an ihr Restaurant denkt, wie man tanzt und das Leben genießt. Fortan halten die beiden zusammen und entkommen allerlei schrecklichen Gefahren im dichten Wald, in den sie sich geflüchtet haben. Derartige Messages werden gewiss zwischen Scheibbs und Nebraska verstanden, kurz überall dort, wo der Film gezeigt wird – und das wird im Fall von Disney wohl fast überall sein. Weniger wahrscheinlich ist, dass die reiche, verwöhnte Charlotte, die vom Prinzendiener in Prinzengestalt umworben wird, den echten Prinzen kampflos ihrer Freundin Tiana überlässt und sich sogar darüber freut. Der Voodoo wird auf Altenglisch entsorgt, seine bösen Geister bringen ihn ins Grab. Sympathisch und witzig: Die Zauberin Mama Odie, 197 Jahre alt, mit listigem Humor und schwarzer Brille ausgestattet. Sie rettet das Froschpaar. Mama Odie ist übrigens die Königin des Bayou, das ist die Bezeichnung für Nebenarme des Mississippi. Die Natur spielt neben der Musik eine der Hauptrollen in diesem Film...

Nostalgiefeier für den alten Süden

Der Alligator heißt Louis, eine Hommage an den großen Armstrong. Charlottes Vater heißt Big Daddy, eine Erinnerung an die Patriarchen des US-Südens, bekannt auch aus „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ von Tennessee Williams. Dieser alte Süden weckt in Amerika vermutlich ähnlich romantische Gefühle wie das Wiener Fin de Siècle; beide verbindet, dass sie ganz anders waren, als sie gern dargestellt werden. Tianas Vater James, der später nur mehr als Toter – und Ansporn für seine Tochter – vorkommt, kocht den Gumbo, ein kreolisches Eintopfgericht, das man auf luxuriöse wie auf bescheidene Weise zubereiten kann.

Dass ausgerechnet das geschundene New Orleans Schauplatz dieses Films ist, hat vermutlich nichts mit der Flutkatastrophe, ausgelöst durch Hurrikan Katrina 2005, zu tun, sondern mit Geschichte, Ambiente, Image der Stadt. Zu guter Letzt soll der Film wohl auch die Sehnsucht nach dem guten alten Amerika wecken, das unwiederbringlich entschwunden scheint. Diesen Zweck erfüllt Küss den Frosch voll und ganz.

KÜSS DEN DOLLAR: Disney

Rundumversorgung mit Feel-good-Filmen bietet Disney seit 1923.2010 kommen eine neue Alice im Wunderland und Toy Story 3. Beschäftigte: 137.000. Umsatz: 35,51Milliarden Dollar. Zu Beginn wurden bekannte Kinderbücher verarbeitet, Erwachsenenbücher kindgerecht dargestellt (Der Glöckner von Notre-Dame). Der größte jüngere Erfolg war Fluch der Karibik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2009)

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