Regisseur Sabbagh: „Mein Film hat die Saudis erreicht“

Rendezvous im Land der Geschlechtertrennung: Bibi (Fatima Al Banawi) und Barakah (Hisham Fageeh).
Rendezvous im Land der Geschlechtertrennung: Bibi (Fatima Al Banawi) und Barakah (Hisham Fageeh). (c) Filmladen
  • Drucken

„Barakah Meets Barakah“ ist die erste romantische Komödie – und der zweite Spielfilm überhaupt – aus Saudi-Arabien. Regisseur Mahmoud Sabbagh über die Tricks verliebter Jugendlicher, Gesellschaftsklüfte und das Kinoverbot in seiner Heimat.

Eine romantische Komödie aus Saudi-Arabien? Das wirkt wie ein Widerspruch – und macht neugierig. Schließlich ist die wahhabitische Monarchie bekannt für religiösen Dogmatismus und strenge Geschlechtertrennung. Man mag fast glauben, dass es sich nur um einen cleveren Marketing-Gag handelt. Aber Mahmoud Sabbaghs „Barakah Meets Barakah“, ab Freitag in den heimischen Kinos, wird dem Genre tatsächlich gerecht. Barakah (gespielt vom saudischen YouTube-Comedian Hisham Fageeh) ist städtischer Ordnungsbeamter, Bibi die Adoptivtochter eines reichen Paares. Ihre Versuche, gemeinsam auszugehen, eine Beziehung aufzubauen und der Gesellschaft ein Schnippchen zu schlagen, zeigen Saudi-Arabien von einer im Westen kaum bekannten Seite – ohne die Situation der Jugend zu verbrämen. Dabei ist „Barakah Meets Barakah“ nach Haifaa al-Mansours „Wadjda“ erst der zweite (!) Spielfilm, der auf saudischem Boden mit heimischer Crew und Besetzung gedreht wurde und eine größere Öffentlichkeit erreicht hat.


„Die Presse“: Die unmissverständliche politische Kritik in „Barakah Meets Barakah“ wird mit leichtblütigem Humor serviert. Warum dieser Zugang?

Mahmoud Sabbagh: Während des arabischen Frühlings wurde meiner Generation der Wert der Meinungsfreiheit erst richtig bewusst. Es ist wichtig, dafür zu kämpfen. Aber wie, muss jeder für sich entscheiden. Manche wählen Aktivismus. Ich glaube hingegen, dass man auch mit progressiver, zugänglicher Kunst etwas verändern kann. Daher geht es in „Barakah Meets Barakah“ ebenso um Jugend und Gemeinschaft wie um Freiheit und Selbstverwirklichung.

Im Mittelpunkt Ihres Films steht die vergebliche Suche nach einer zwanglosen Begegnungszone.

Saudi-Arabien ist eine restriktive Gesellschaft, aber sie befindet sich im Umbruch. 70 Prozent der Bevölkerung sind unter 30. Die Jugend will sich treffen, sich zeigen und gesehen werden. Aufgrund des Mangels an öffentlichen Räumen weicht sie ins Internet aus: Dort können sich junge Leute austauschen, Dates haben, sogar künftige Ehepartner treffen. Soziale Medien spielen eine große Rolle in meinem Land, sie sind frei verfügbar und enorm populär – mit Ausnahme von Tinder.


Wie dreht man in einem Land, in dem es de facto keine Kinoindustrie gibt?

Ich habe von meiner Umgebung gezehrt: Ein Großteil der Besetzung und der Crew stammt aus meinem Lebenskreis und der hiesigen Kunstszene, vieles mussten wir uns von Grund auf erarbeiten.


Welche Rolle spielte dabei der Drehort?

Dschidda ist eine alte Hafenstadt, deren Historie bis in präislamische Zeiten hineinreicht. Seit jeher leben Menschen unterschiedlichster Herkunft hier Seite an Seite. Die Triebfeder der Entwicklung Dschiddas war stets Wirtschaft und nicht Ideologie. Bis zu einem gewissen Grad gewährte ihr das eine Unabhängigkeit vom Rest des Landes: Manches, was hier als normal gilt, ist anderswo verpönt. Kulturell herrscht ein verhältnismäßig liberales Klima.


Bibi, die weibliche Hauptfigur, ist ein Instagram-Star. Sie wirkt freigeistig und unbeschwert – kommt aber auch aus einer gutbetuchten Familie.

Ich komme selbst aus der gehobenen Mittelschicht. Die Familie meines Vaters arbeitet in der Tourismusbranche Mekkas. Das gab mir das Privileg, im Ausland zu studieren. Je mehr Geld man hier hat, desto mehr Freiheiten genießt man. Ich glaube, dass darin das zentrale Dilemma Saudi-Arabiens liegt.


Barakah beschwert sich, dass die ältere Generation die jüngere im Stich gelassen hat. Teilen viele Junge diese Meinung?

Es gibt zweifellos eine Kluft zwischen den Generationen. Die Besetzung der Großen Moschee 1979 markierte einen Wendepunkt, danach gingen viele bestehende Freiheiten verloren. Aber der Washington-Konsens, die Thatcher-Reagan-Allianz und die Islamische Revolution im Iran spielten genauso eine Rolle. Es war das Klima der Ära, der Aufstieg des Konservativismus. Die Linken und Intellektuellen wurden damals sukzessive aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen.


Ihr Film hatte 2016 bei der Berlinale Premiere. War das immer ihre Absicht?

Nein. „Barakah Meets Barakah“ war meine erste Arbeit, eine unkommerzielle Mikrobudgetproduktion. Ich wollte einen rohen und einfachen Film machen. Dass die Berlinale oder das Filmfestival von Toronto Interesse an ihm haben könnte, ist mir nie in den Sinn gekommen.


In Saudi-Arabien lief er bislang aber noch nicht in den Kinos – weil es dort nur eines gibt, und das darf nur Naturdokus zeigen.

Es bricht mir das Herz. Aber es gibt ein gut zugängliches Kabelfernsehsystem, das Filme zum Kauf und zum Verleih anbietet. Fast jeder Haushalt kann darauf zugreifen. Mein Film ist dort im Sortiment, genau wie „Game of Thrones“. Er hat die Saudis erreicht. Natürlich hätte ich ihn gerne auf der großen Leinwand gezeigt. Ich habe dafür gekämpft. Aber ich verbeiße mich nicht und widme mich lieber meinem nächsten Projekt.


In den letzten Jahren war das Kinoverbot immer wieder Thema nationaler Debatten. Wackelt es?

Ich glaube, dass die Kinoerlaubnis nicht mehr lange auf sich warten lässt. Es gibt deutliche Vorstöße in diese Richtung. Auch meine Idee eines nationalen Filminstituts wurde von offiziellen Stellen aufgegriffen. 2018 könnte ein historisches Jahr in der Geschichte Saudi-Arabiens werden.

Zur Person

Mahmoud Sabbagh (*1983) wuchs in Dschedda auf und studierte Journalismus und Dokumentarfilmregie in New York. Nach seiner Rückkehr arbeitete er als Kolumnist und drehte eine Web-Serie. Sein Debütfilm „Barakah Meets Barakah“ wurde als erster saudi-arabischer Film zur Berlinale eingeladen – und von Saudi-Arabien, wo Kinos verboten sind, für den Auslands-Oscar eingereicht. Sabbagh will nun eine Filmindustrie in seiner Heimat aufbauen. [ El-Housh Production]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.