„Logan Lucky“: Kino-Raubzug in Zeiten der Krise

Channing Tatum als Arbeitsloser, Katie Holmes als dessen Frau, Adam Driver als Kriegsveteran.
Channing Tatum als Arbeitsloser, Katie Holmes als dessen Frau, Adam Driver als Kriegsveteran. (c) Studiocanal
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Mit „Logan Lucky“, einer Hinterwäldlerversion seines größten Erfolgs „Ocean's Eleven“, wendet sich Steven Soderbergh wieder dem Kino zu. Ein Vergnügen!

Im Jahr 2001 landete der US-Indiekinopionier Steven Soderbergh seinen bislang größten Erfolg: „Ocean's Eleven“, das Remake des gleichnamigen Rat-Pack-Klassikers aus den Sechzigern, wartete nicht nur mit einer veritablen Starparade auf – es bediente auch die Zuschauersehnsucht nach stilvollem Eskapismus. Das Platzen der Dotcom-Blase und die Terroranschläge vom 11. September hatten die Stimmung in Amerika erheblich gedrückt, doch der Geist der Neunziger war noch nicht ganz verfolgen. Die Story rund um einen Haufen smarter Trickbetrüger, die dem ausgeklügelten Sicherheitssystem eines Nobelcasinos mit Witz und Eleganz ein Schnippchen schlagen, ließ den entspannten Charme der Nineties ein weiteres Mal aufleben. Mit coolen Sprüchen, fließender Inszenierung und geschmeidigem Soundtrack versprühte der Film die Atmosphäre einer Las-Vegas-Cocktailbar, wo Sorgen vergessen und Träume gelebt werden konnten – und stattete Hauptdarsteller George Clooney mit ausreichend Coolness für hundert Nespresso-Werbungen aus.

„Ocean's Eleven“ zeitigte zwei Fortsetzungen. Die letzte, „Ocean's 13“, kam 2007 in die Kinos. Seither hat sich viel geändert. Der Krisenkatalog der USA ist dicker geworden, die Verherrlichung weltgewandter Überflieger scheint (abseits des Superheldengenres) nicht mehr en vogue. Das Kino heischt nach bodenständigeren Helden. Vielleicht lässt sich damit begründen, dass Soderberghs Leinwandcomeback – nach seinem jüngsten Thriller, „Side Effects“ (2013), wollte er Hollywood endgültig den Rücken kehren – das Grundkonzept seines größten Hits unter völlig neue Vorzeichen stellt.

Zwar ist auch „Logan Lucky“ ein klassisches „Heist-Movie“ – also ein Film, der die Ausführung eines gefinkelten Raubzugs zu seiner Hauptattraktion macht. Doch die Drahtzieher sind keine aalglatten Schlawiner in teuren Anzügen, sondern Durchschnittstypen und Modernisierungsverlierer aus North Carolina. Jimmy Logan (Channing Tatum) hat gerade seinen Job auf dem Bau verloren. Sein Bruder Clyde, ein Irak-Krieg-Veteran mit Armprothese (toll: Adam Driver in einer karikaturesken Variation seines schmähstaden Arbeiter-Dichters aus „Paterson“), hat auch schon bessere Zeiten gesehen. In ihrer Not hecken sie den Plan aus, eine nahegelegene Rennstrecke auszurauben, indem sie heimlich deren Rohrpost-Geldtransportsystem anzapfen. Natürlich braucht es dafür ein vifes Team: Also rekrutieren sie den vierschrötigen Panzerknacker Joe Bang (meilenweit von Bond entfernt: Daniel Craig), seine tölpelhaften Hinterwäldlerbrüder und ihre eigene, hantige Schwester Mellie (Riley Keough). Eigentlich kann das Ding nur schiefgehen.

Bitterböses Gesellschaftsporträt

Doch der Clou an „Logan Lucky“ ist, dass seine Figuren nicht so blöd sind, wie sie aussehen. Zunächst wähnt man sich noch in einer Coen-Brüder-Groteske und rechnet jeden Moment mit der großen Katastrophe. Der Film spielt geschickt und humorvoll mit dieser Möglichkeit, lässt seine Amateurverbrecher von einem Fettnäpfchen ins andere stolpern: An einer Stelle schluckt der Geldstaubsauger versehentlich Clydes Plastikhand. Doch mit Glück und Geschick kratzen sie immer wieder die Kurve – wie es sich für sympathische Underdogs gehört.

Letztlich erweist sich „Logan Lucky“ als moderne Robin-Hood-Geschichte über Abgehängte, die sich zurückholen, was ihnen zusteht – durchaus vergleichbar mit dem Neowestern „Hell Or High Water“ –, und zeichnet nebenher ein bitterböses Gesellschaftsporträt der USA. Denn was maßgeblich zum Gelingen des „Hillbilly Heist“ beiträgt, ist die Bereitschaft Unbeteiligter, ein Auge zuzudrücken – und die korrupte Gesinnung großer Firmen und Institutionen, denen es vordringlich darum geht, ihr Gesicht zu wahren. Überdies mischt sich bei aller Leichtblütigkeit wiederholt Melancholie ins Geschehen; selbst die kitschigste Szene, in der Jimmys kleine Tochter bei einem Schönheitswettbewerb eine A-cappella-Version von „Take Me Home, Country Roads“ zum Besten gibt, wird von der Schäbigkeit des dunklen Turnsaalschauplatzes unterlaufen.

Die Solidarisierung Soderberghs mit einem Milieu, das ihm bislang eher fremd war, hat womöglich auch mit den Produktionshintergründen seiner jüngsten Arbeit zu tun: „Logan Lucky“ stellt selbst einen Versuch dar, „denen da oben“ eins auszuwischen – namentlich den großen Studios, die die künstlerische Freiheit im Mittelbau der Industrie radikal eingeschränkt haben. Insofern hat der Regisseur die Sicherstellung von Budget und Vertrieb diesmal selbst übernommen, ungewohnte Verwertungsmodelle entwickelt und auch beim Marketing ein entscheidendes Wörtchen mitgeredet.

Allem Anschein nach hat es sich gelohnt, der Film hat sich bereits amortisiert. Ob die Strategie Schule macht, sei dennoch dahingestellt; schließlich genießen nur wenige Soderberghs Leumund und Erfahrungsschatz. Typisch für den 54-Jährigen steht am Ende des Abspanns ein schelmisches Augenzwinkern: „Nobody was robbed during the making of this movie. Except you.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2017)

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