„Baumschlager“: Klischees treffen stets am besten

Werner Baumschlager, UN-Offizier und Weichei aus Wien, kann sich vor sexuell interessierten Frauen am Kriegsschauplatz Nahost kaum retten – weil er alles mitmacht (Thomas Stipsits und Meyrav Feldman).
Werner Baumschlager, UN-Offizier und Weichei aus Wien, kann sich vor sexuell interessierten Frauen am Kriegsschauplatz Nahost kaum retten – weil er alles mitmacht (Thomas Stipsits und Meyrav Feldman).(c) Dor Film
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Harald Sicheritz drehte die Militärsatire „Baumschlager“, bei der oft mit Entsetzen Scherz getrieben wird. Der Kabarettist Thomas Stipsits erfreut mit kongenialem Spiel.

UNO-Offizier Werner Baumschlager kehrt heim nach Österreich, Weihnachten ist, und Friede in Nahost. Gattin Martha – die Bezeichnung passt ganz besonders für diese brave Frau vom Lande – wartet mit einem Candle-Light-Dinner und wundert sich darüber, warum ihr biederer Ehemann plötzlich so toll im Bett ist. Freilich, Werner zieht bald wieder ab, nach Israel. Warum? „Baumschlager“ ist die erste Koproduktion eines bilateralen Filmabkommens zwischen Israel und Österreich.

Harald Sicheritz, ein wenig der Mann fürs Grobe in der heimischen Komödie (er drehte „Vorstadtweiber“, sofern man diese Serie zu den Lustspielen zählen mag), hat inszeniert. Durchgesetzt haben sich aber sichtlich die internationalen Partner; Micha Shagrier, ein 2015 verstorbener israelischer Produzent, der 1938 mit seinen Eltern vor den Nationalsozialisten aus Österreich flüchten musste, hatte die Idee zu „Baumschlager“. Maayan Oz, deren Humor ein wenig an ihre Landsfrau Yael Ronen, bekannt vom Wiener Volkstheater, erinnert, schrieb das vor allem in der Schilderung der Beziehungen herrlich feydeaueske Drehbuch.

Der Film ist eine Mischung aus Schwejkiade und Monty Python. Ungeheuer treffsicher und geradezu irre komisch ist die Charakterisierung der Typen – auch wenn Klischees nicht gescheut werden, wie der Beduine mit seinen vielen Frauen oder der libanesische General mit Toupet, der seine Tochter unbedingt an einen Irren verheiraten will, weil dieser eine lukrative Partie ist. Thomas Stipsits, der obersteirische Spaßmacher mit Stinatzer Wurzeln, schon in seinen Kabarettprogrammen („Griechenland“) ein talentierter Parodist, spielt die Hauptrolle des UN-Offiziers, der sich heillos in gemischt religiösen Liebschaften verheddert. Und er leidet überzeugend unter dem Ansturm wüster Ladys. Wer „Frauenfantasien“ mag, die ja kaum weniger etabliert sind als Männerfantasien, wird hier bestens bedient.

Hier haben Frauen das Sagen

Die Damen waren Drehbuchautorin Oz ein besonderes Anliegen, und sie sind auch prächtig gelungen: Meyrav Feldman als israelische Offizierin, träumt von Kampfspielen mit Sex, und im richtigen Leben von einem sanften Mann, der ihr die Tür aufhält. Moran Rosenblatt (Rania) wird durch Baumschlagers Deutschunterricht mächtig angetörnt – und selbst Sólveig Arnarsdóttir als Agentin, die herausfinden soll, warum Baumschlager seinen Urlaub in Österreich abgebrochen hat, verfällt dem Charme des Weicheis. Ehefrau Martha (köstlich: Gerti Drassl) bemerkt alsbald, dass mit den Geschichten ihres Mannes etwas nicht stimmt, und folgt ihm nach Israel.

Doch die Militärs haben den bedauernswerten Baumschlager, dessen Name sich so formidabel für Verbalhornungen eignet – Boomschlager, Bumschlager – auserkoren, um den brüchigen Frieden zu torpedieren. Besorgt und grimmig beobachten zwei Damen aus Wien (wunderbar: Sona MacDonald und Barbara Spitz) die Geschehnisse in Nahost. So flott und schlagfertig dieses Lustspiel abschnurrt, die Witze sind doch etwas gemischt, es gibt immer wieder herrliche Momente, aber auch einiges an Klamotte.

Die Zusammenfügung von österreichischem Humor à la „Braunschlag“ und angelsächsischer Comedy funktioniert nicht immer – und von Europa aus betrachtet, hat man manchmal das Gefühl, hier werde zu sehr mit Entsetzen Scherz getrieben.

Wiewohl: Die eigenen Militärsatiren der Israelis schonen mittlerweile auch keinen mehr: „Zero Motivation“ von Talya Lavie, ein Film über Frauen bei der Armee, gewann beim Tribeca-Festival in New York den Preis für den Besten Spielfilm. Am Ende von „Baumschlager“ gibt es noch eine schöne Moral der Geschichte, die auf Österreichs Friedensmission in der Welt verweist, wenn der von allen Seiten bedrängte Baumschlager wissen will, warum, zum Teufel, sich denn im Nahen Osten seit Jahrzehnten alle derart aggressiv aufeinanderstürzen.

Der Krieg, wusste schon Brecht, ist ein Geschäft für viele – und hilft sogar bei der Verdrängung privater Probleme. Da einer der Generäle zurück an die Front darf, erspart er sich die Ehetherapie, wie er mit seinem Kollegen auf der Toilette beredet. So fusionieren sich hier auf mitunter schaurige Weise Spaß und Ernst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2017)

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