Analog/Digital: Bildmediale Wende

„Wasserbad“. In Antoinette Zwirchmayrs Arbeit trifft Analogfilm auf -fotografie.
„Wasserbad“. In Antoinette Zwirchmayrs Arbeit trifft Analogfilm auf -fotografie.(c) Antoinette Zwirchmayr
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Was ist die Zukunft des Bewegtbildes? Eine Ausstellung im Metro Kinokulturhaus stellt analoge und digitale Filmarbeiten gegenüber.

Bewegtbild ist überall, ob in der Straßenbahn oder am Smartphone. Digitale Bilder fluten unseren Alltag. Und während Streamingdienste wie Netflix ihren Siegeszug fortsetzen oder täglich unzählige digitale Videos auf YouTube hochgeladen werden, gerät analoger Film hingegen zunehmend zu einem Liebhabermedium für wenige, scheint es. Leben wir also in einer bildmedialen Zeitenwende? Was bedeutet dieser Medienwandel für das kulturelle Erbe – wenn unklar ist, wie man alte Bildmedien bewahren und die neuen, riesigen Datenmengen langfristig speichern kann?

Virgil Widrich "Memory Palace"
Virgil Widrich "Memory Palace"(c) Alexi Pelekanos

Ernst Kieniger, Leiter des Filmarchiv Austria, beschäftigt sich mit solchen Fragen zu technologischen Transformationen, mit denen auch Veränderungen der Überlieferung verbunden sind: „Heute ist tatsächlich fast so eine Zeitenwende technischer Natur, wie sie beim Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm stattgefunden hat. Damals ist das meiste an Filmproduktion verschwunden, das wir uns heute sehnsüchtig zurückwünschen“, sagt Kieninger: „Wenn wir jetzt nicht reagieren, ist es auch zu spät.“ Fragen der Erhaltung des Filmerbes und ob dieses analog oder digital gespeichert werden soll müssten dringend beantwortet werden, meint der Filmarchiv-Leiter – ein Stichwort ist die Diskussion über das „Film Preservation Center“, das in Laxenburg geplant, aber dessen Bau noch aufgeschoben ist. Gleichzeitig ist die Frage des Wandels von analoger zu digitaler Technologie auch eine Frage der Ästhetik. „Filme haben eine ganz eigene Bildsprachlichkeit, je nachdem, in welchem Verfahren sie hergestellt sind“, so Kieninger.

Um sich all den Fragen zum Thema des Wandels künstlerisch anzunähern, zeigt das Filmarchiv im Metro Kinokulturhaus eine Ausstellung, die von der Filmarchiv-Mitarbeiterin Anna Högner und von Eva Fischer, Expertin für audiovisuelle Kunst und Leiterin der Plattform Soundframe, kuratiert wurde. Zeitgenössische analoge und digitale Filmarbeiten von zehn Künstlern werden dabei gegenüberstellt, um Wechselwirkungen und genuine Unterschiede in der gegenwärtigen Filmkultur zu zeigen und um Gedanken über die Zukunft des Bewegtbildes und Kinos anzuregen.

„Field“. Eine iPad-Applikation von Rainer Kohlberger erzeugt variable digitale Bilder.
„Field“. Eine iPad-Applikation von Rainer Kohlberger erzeugt variable digitale Bilder.(c) Rainer Kohlberger

Analoge Haptik. Auch wenn die jüngsten Entwicklungen beim Film in Richtung Digitalisierung gehen – einige der Ausstellungsarbeiten zeigen, dass das Analoge nach wie vor geschätzt wird. Doch warum? Antoinette Zwirchmayr ist eine der teilnehmenden Künstler, die analog arbeiten. Sie hält die proklamierte Wende hin zu digitalem Film für gar „ein bisschen gruselig“, gibt sie zu: „Das digitale Bewegtbild ist für mich uninteressant, es ist zu abstrakt. Bevor ich so arbeite, würde ich eher auf ein Medium wie Malerei umsteigen. Ich will Kontakt mit meinem Arbeitsmaterial haben, wissen, was es ist“, sagt die Filmerin, die vor Kurzem die Klasse Video und Videoinstallation an der Akademie der bildenden Künste abgeschlossen hat. Bei ihrer Arbeit gehe es nicht um einen Fetisch, auch nicht darum, einen bestimmten Analog-Look zu erzielen. Vielmehr reizt sie die bedachte Arbeitsweise und die Materialität, auch die Reduktion der Möglichkeiten: „Wenn du weißt, du hast nur drei Minuten, und diese kosten ein Vermögen, dann arbeitest du anders, als wenn du digital unendlich viel Material zur Verfügung hast. Man muss sensibel sein und lernen, mit Fehlern umzugehen“, so die Künstlerin. Dass Kratzer entstehen oder sich Staub ablagert, gehört dazu, zeigt den Film als physisches Objekt. Genau das sichtbar zu machen, ist ihr auch bei der Präsentation ihrer Filme ein Anliegen: „Am liebsten zeige ich sie im Ausstellungsraum, weil ich finde, dass die Haptik und das Geräusch vom Projektor wichtig sind.“ Bei Analogem gut machbar: Im Metrokino wird ihre 16mm-Film-Installation „Wasserbad“ – wie alle ihre Arbeiten ästhetisch nahe an Fotografie, nur durch kleine Details als Film erkenntlich – eben auf diese Weise im Loop abgespielt.

„Continuization Loop“. Wim Janssens Celluloid-Wand zeigt Filmmechanismen.
„Continuization Loop“. Wim Janssens Celluloid-Wand zeigt Filmmechanismen.(c) Beigestellt

Digitale Innovation. Zwei weitere Installationen steuert Filmemacher Virgil Widrich bei, der sich stark mit der Entwicklung des Digitalen beschäftigt. Widrich leitet in Wien seine Filmproduktion und die Multimediafirma checkpointmedia, arbeitet an vielen Film- und Multimediaprojekten, seine Ausstellungswerke nennt er „Side by Side“ und „Memory Palace“. Ersteres stellt einem massiven Kinoprojektor einen Digitalprojektor gegenüber, einem Analogbild eine Videokopie, die sich sowohl ergänzen als auch kontrastieren: „Das zeigt die Mechanik, aber auch den ästhetischen Vergleich“, erklärt er. Auch wenn er das Changieren von Analogem und Digitalem spannend findet, Wechseleffekte oft verwendet hat, bevorzugt er digitale Möglichkeiten: „Es gibt einfach Dinge, die man analog nicht machen kann.“ Etwa die zweite Arbeit, „Memory Palace“: Dabei simuliert Widrich mit digitalen Rückprojektionen das Haus aus seinem Spielfilm „Die Nacht der 1000 Stunden“, der voriges Jahr im Kino gelaufen ist, und zeigt dabei nur eine vieler Techniken, die er nützt: „Mich interessiert es immer, etwas zu probieren, das in dieser Form noch nie gemacht wurde. Projekte, die eine technische Innovation beinhalten, woraus sich künstlerische Möglichkeiten ergeben. Jeder meiner Filme ist ein Forschungsprojekt“, sagt er.

Derzeit werden analoge und digitale Medien ganz selbstverständlich parallel genützt. Doch was wird in Zukunft aus analogem Film und traditionellem Kino? Zwirchmayr müsse sich „an die Gegebenheiten anpassen“, sollte die Industrie analoges Material nicht weiter produzieren. Das aber werde nicht so bald passieren, die Faszination für das Einzigartige am Analogen bleibe gerade in Zeiten der digitalen Bilderflut, so Kieninger: „Dabei spielt das Auratische eine große Rolle“. Dasselbe gelte fürs Kino: Es kann in Zeiten gesellschaftlicher Vereinzelung, wenn Filme allein am Screen gesehen werden, ja noch Ort des besonderen Erlebnisses sein. Trotzdem muss man Bewegtbild künftig weiter denken als nur als Rechteck im Kinosaal; weitere Ausstellungswerke, ob Realtime-3D des Duos Depart oder interaktive Applikationen von Rainer Kohlberger, weisen in die Richtung. Weit voraus blickt Widrich: „Ist Kino dann noch etwas, das man vor Augen und Ohren abspielt? Die Grenze zwischen Mensch und Maschine wird fließender. Vielleicht gibt es bald einen Gehirnchip mit der gesamten Filmgeschichte.“ Das würde jedenfalls die Probleme der Erhaltung von analogem wie digitalem Film lösen.

Tipp

Analog_Digital. Media (Ex)Changes: Die Ausstellung im Metro Kinokulturhaus läuft von 3. Oktober bis 28. Jänner. www.filmarchiv.at

In Kooperation mit sound:frame, www.soundframe.at

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