"Filmverrückt": Carlo Chatrian wird neuer Berlinale-Chef

foto IPP Mario Romano Milano 13 7 2017 presentazione del Locarno Festival 2017 nella foto Carlo Chat
foto IPP Mario Romano Milano 13 7 2017 presentazione del Locarno Festival 2017 nella foto Carlo Chat(c) imago/Italy Photo Press
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Der Italiener Carlo Chatrian soll neuer Direktor der Berliner Filmfestspiele werden. Bisher leitete er das Filmfestival von Locarno.

Sich selbst nennt er "filmverrückt", er ist experimentierfreudig und bestens vernetzt: Der 46-jährige Italiener Carlo Chatrian soll neuer Direktor der Berliner Filmfestspiele werden. Der künstlerische Leiter des Filmfests von Locarno wird Medienberichten zufolge den 70-jährigen Berlinale-Chef Dieter Kosslick ablösen. Offiziell bestätigt ist der Wechsel nicht, die Bestellung Chatrians soll am Freitag bekanntgegeben werden.

Die deutsche Kulturministerin Monika Grütters hatte zuletzt eine Doppelspitze für das neben Cannes und Venedig wichtigste Filmfestival Europas favorisiert. Neben Chatrian als künstlerischem Leiter ist die Bestellung eines kaufmännischen Stellvertreterpostens wahrscheinlich.

"Filme im Mittelpunkt"

Auf Chatrian wartet in Berlin mit dem weltweit größten Publikumsfestival eine Mammutaufgabe. Angesichts sich verändernder Sehgewohnheiten werden sich auch die Filmfestivals maßgeblich verändern müssen. Das weiß auch Chatrian, wie er der "Neuen Zürcher Zeitung" sagte: "Für mich stehen immer noch die Filme im Mittelpunkt, aber ich denke, heutzutage können Festivals nicht einfach nur Filme projizieren. Man muss etwas drumherum bieten."

Der publikumswirksame Auftritt im Blitzlichtgewitter war bisher nicht Chatrians Sache. Sein Motto lautet: "Hier sind die Filme die Stars!" Zu den unterhaltenden Auftritten am roten Teppich von Vorgänger Dieter Kosslick ist Chatrians Zurückhaltung ein klarer Gegensatz. Noch im Vorjahr hatte Chatrian in der "Zeit" gesagt, dass er die Berlinale für eines der spannendsten Filmfestivals halte, sich selbst aber nicht in der Rolle eines ihrer Leiter sähe.

Der Locarno-Chef kennt kommerziellen Filmmarkt

Deutsch spricht Chatrian jedenfalls nicht. Der Filmkenner wurde in Turin geboren und studierte dort Literatur und Philosophie. Seit den 1990er Jahren arbeitete er als Filmkritiker. Seit 2012 ist Chatrian künstlerischer Leiter des Filmfests von Locarno im Schweizer Tessin.

Zufrieden mit der Berufung dürften die Regisseure sein, die in der Nachfolge-Debatte in einem offenen Brief einen inhaltlichen Neustart für das Festival gefordert hatten. Chatrian hat das Gespür sowohl für den Geschmack des Massenpublikums als auch für den der Cineasten. Er weiß um den Wert eines kommerziell orientierten Filmmarktes. Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, ist dieser nichts geringeres als das Herzstück der Berlinale, vor allem für professionelle Filmeinkäufer.

2019: Berlinale noch unter Kosslick

Dem deutschen Kino zeigte sich Chatrian als Locarno-Chef stets engagiert verbunden. So zeigte das Festival 2016 unter seiner Ägide eine viel beachtete Retrospektive zum ost- und westdeutschen Kino der 1950er und 60er Jahre. Regelmäßig lud er - mehr als etwa in Cannes üblich - deutsche Filme in den Wettbewerb ein.

Die kommende Berlinale im Februar 2019 wird noch von Kosslick geleitet. An seiner Seite könnte dann auf dem roten Teppich vor dem Berlinale-Palast am Potsdamer Platz aber schon Carlo Chatrian als zukünftiger Chef stehen.

(juwe/Ag.)

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