Boxer Rocky ist jetzt alt und traurig: "Creed II - Rocky's Legacy"

Bekommt den Druck des Ruhms zu spüren: Michael B. Jordan (in Rot) als Adonis.
Bekommt den Druck des Ruhms zu spüren: Michael B. Jordan (in Rot) als Adonis.Warner
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Eigentlich ein Ableger der Muskelprotz-Saga „Rocky“, ist die Reihe „Creed“ deutlich vergeistigter. Im zweiten Teil müssen Kinder der alten Schläger gegeneinander kämpfen.

Der vierte Teil der „Rocky“-Filmreihe („Der Kampf des Jahrhunderts“, 1985) war der unfreiwillig komischste von allen – und ein reißerischer Beitrag zum Thema Kalter Krieg. Rockys Gegner war Ivan Drago, ein in sowjetischen Hightech-Sportlabors zur Kampfmaschine ausgebildeter Zweimeterhüne, der beim finalen Schaukampf, dem sogar Michail Gorbatschow beiwohnte, auf einen Rocky traf, der sein Training im russischen Ödland mit Schlittenziehen, Holzhacken und Baumfällen absolviert hatte. Ziemlich absurd.

Noch absurder ist, dass nun der zweite Teil der als Spin-off von „Rocky“ geplanten „Creed“-Saga mehrfach auf diese ungewollte Selbstparodie Bezug nimmt, obwohl er sich als seriöses Charakterdrama versteht. Ivan stattet dem betagten Champion Rocky nach über 30 Jahren einen Überraschungsbesuch ab und hält ihm vor, dass er nach der Niederlage gegen ihn auf der Straße bespuckt und aus Russland verstoßen worden ist. Seiner Prägung in den sportlichen Kaderschmieden der UdSSR folgend, hat er darauf seinen Sohn Viktor zur boxenden Kampfmaschine abgerichtet, die nun seinen gekränkten Stolz kompensieren soll.

Nun soll Viktor mit Adonis (Michael B. Jordan) kämpfen, dem unehelichen Sohn von Apollo Creed, den Ivan einst im Ring totgeprügelt hat. Das komme ihm vor, als ob es Millionen Jahre her sei, sagt Rocky (immer noch Sylvester Stallone), einst der beste Freund von Apollo und schon im letzten Teil der Trainer von Adonis. Das kann man wohl als Kommentar dazu verstehen, dass die „Creed“-Filme sich von der Ästhetik der „Rocky“-Serie ästhetisch distanzieren sollen. Wie schon der erste Teil, spielt auch „Creed II“ nicht mehr in dem rauen, schrulligen Muskelprotz-Kosmos von früher, wo sich ein erlittener Verlust durch physische Überwältigung des Gegners wieder ausgleichen ließ. Seine Welt ist ernster, mit mehr Sozialrealismus gezeichnet, in ihr spielen sich die härtesten Kämpfe nicht im Ring ab, sondern im Gedächtnis der drei Hauptcharaktere.

Rocky leidet unter Verlust der Familie

Deren Konflikte alle ein melancholisches Dilemma ergeben: Die Vergangenheit lässt sich weder verwinden noch wiederherstellen. Ivan leidet unter dem Trauma seines einstigen Versagens; Rocky, verwitwet und ohne Kontakt zu seinem Sohn, unter dem Verlust eines idyllischen Familienlebens.

Und Adonis? Der bekommt nach einigen Siegen und trotz anstehender Verheiratung den Druck des Ruhms zu spüren. Als ihn der Sohn des Mörders seines Vaters herausfordert, reißen die alten Wunden wieder auf. Er entwickelt Rachegefühle. Rocky versagt ihm deshalb die Unterstützung. Den ersten Schlagabtausch gewinnt er nur knapp, weil sein Kontrahent disqualifiziert wird. Danach bricht eine schwere Depression über ihn herein. Rocky richtet ihn wieder auf.

Der abschließende, in spektakulären Schnittfolgen und fiebrigen Kamerabewegungen inszenierte Rückkampf wirkt letztlich heilsam für alle Beteiligten, selbst für die Antagonisten. Und nicht zuletzt für den Zuschauer, der, sollte er empathisch veranlagt sein, die Überwindung holzschnittartigen Freund-Feind-Denkens begrüßen und allenfalls die charmante Einfältigkeit aus „Rocky IV“ vermissen dürfte.

Zumindest ein bisschen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2019)

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