"Iron Man 2": Ein Gar-nicht-mal-so-Superheld

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Iron GarnichtmalsoSuperheld Eisenanzug(c) AP (Francois Duhamel)
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Halbwegs spaßig: „Iron Man 2“ ist viel zu überladen, lebt aber vor allem von Robert Downey jr. in der Titelrolle. Tatsächlich bricht die Dramaturgie von Iron Man 2 unter der Figurenlast zusammen.

Die Zeit der Weltenretter in knatterbunten Anzügen ist vorbei. Mittlerweile hat sich das Realismuskonzept tief in das Fantastische hineingefressen, überlässt nichts mehr der Vorstellungskraft. Hollywoods Chefkoch für anspruchsvolles Erlebniskino, Christopher Nolan, stutzte dem Fledermausmann schon 2005 die Flügel: In Batman Begins trainiert der traumatisierte Multimilliardär mit asiatischen Mönchen die Kampfkünste, mit denen er Gotham City reinigen wird. Der Gar-nicht-mal-so-Superheld ward geboren!

An diesen Paradigmenwechsel im Blockbusterkino denkt man häufig in Iron Man 2 angesichts von Robert Downey jr. als betont unmoralische, aus der unheiligen Verschränkung zwischen weltpolitischem Kalkül und unternehmerischer Gier entstandene Einmannarmee. Gleich anfangs stürzt er sich in seinem computerisierten Anzug aus der Ladeluke eines Flugzeugs, um vor großbusigen Tänzerinnen und einem grölenden Publikum zu landen: „Ich habe den Weltfrieden privatisiert!“ plärrt der rotgold glänzende Gockel in die Menge, während um ihn herum das von seinem Ingenieursvater entworfene Weltausstellungsgelände gespenstische Neonlichter ins Nachtdunkel wirft. Regisseur Jon Favreau errichtet den Film auf dem psychotischen Charakter des Tony Stark: Nach dem Unfalltod der Eltern erbt er als Jugendlicher jene Milliarden, die sein Vater mit der Entwicklung und Herstellung hochtechnologischer Waffen verdiente.

Wundervoll: Mickey Rourke als Russe

Aus der Vergangenheit erwächst Stark der aktuelle Erzfeind: ein dunkles Spiegelbild seiner selbst. Der Russe Ivan Vanko (exzentrisch, wundervoll: Mickey Rourke) ist auch Sohn eines genialen Ingenieurs: Dessen Familie wurde von Stark Enterprises ruiniert. Mit Starkstrompeitschen in beiden Händen wird er zu „Whiplash“, lauert dem Eisenmann ironischerweise in der Superreichen-Enklave Monaco auf, bereit, ihm den Anzug vom Körper und die amerikanische Arroganz von der Seele zu schnalzen. Die launigen Konfrontationen zwischen den zwei aufgemotzten Psycho-Wracks würden, vor allem dank Downey jr. und Rourke, reichen, um einen flotten und unterhaltsamen Zweistünder zu füllen: Aber wenn ein Studio 200 Mio. Dollar investiert, dann will es sämtliche Zuschauerfraktionen befriedigt sehen. Laut Unternehmenslogik soll Starks Seelenfreundin und Privatsekretärin Virginia „Pepper“ Potts (gehaltlos: Gwyneth Paltrow), nun zur Unternehmensleiterin befördert, wohl vorwiegend das weibliche Publikum ansprechen, während Scarlett Johansson als schmollmundige Sexbombe Natasha Romanoff erstklassiges Sehnsuchtsfutter für junge und alte Burschen abgibt.

Tatsächlich bricht die Dramaturgie von Iron Man 2 unter der Figurenlast zusammen: Die Geschichte hüpft mal geschickt, mal ungelenk vom einen Handlungsfaden zum andern und wieder retour. Ganze Charaktere werden verheizt: Sam Rockwells rivalisierender Waffenindustrieller ist trotz viel Leinwandpräsenz eine ärgerlich platte und unlustige Karikatur, Samuel L. Jackson darf als legendärer Gründervater der Superhelden-Organisation S.H.I.E.L.D. zweimal mit Bassstimme verzücken und mögliche Fortsetzungen vorbereiten, hängt aber in der Coolness-Cameoschleife fest. Letztlich verdankt es sich dem vielfältig einsetzbaren Charisma von Downey jr., dass er als alkoholkranker Profilneurotiker ebenso stark wirkt wie als fliegender Superheld und Iron Man 2 einen halbwegs spaßigen Kinoabend garantiert, auch wenn die Makel im Vergleich zum Vorgängerfilm potenziert sind.

Spätestens wenn Stark im Kampf gegen eine von korrupten Politikern, gierigen Unternehmern und einem rachsüchtigen Russen entwickelte US-Roboterarmee durch die Weltausstellungspavillons fliegt, wünscht man sich aber die altmodischen Fantastereien zurück, als Superhelden unbedingt super waren und die Geschichten unglaublicher. Irgendwie wusste man damals, dass es trotz aller Irrwitzigkeiten ums Hier und Jetzt geht – ganz ohne Massenvernichtungswaffen und afghanische Terroristen, ganz ohne tagesaktuelle Bedrohungen im Drehbuch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2010)

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